Leica M10-D im Test
Wenn Sie meinen, ein paar abgerundete Ecken und ein Design aus den 1970ern seien Vintage, sollten Sie sich die Leica M10-D anschauen. Hier hat man das Retro-Konzept konsequent weiterverfolgt. Lesen Sie hierzu unseren Test.

- Leica M10-D im Test
- Leica M10-D: Praxis, Bildqualität & Fazit
Leica ist ja nicht gerade für Understatements bekannt. Mit der Nase nach oben hat man in Wetzlar aber auch oft einen guten Riecher bewiesen und weit abseits des Mainstreams Kameramodelle auf den Markt gebracht, die ihre Fangemeinde gefunden haben. Jüngster Spross der Familie ist die Leica M10...
Leica ist ja nicht gerade für Understatements bekannt. Mit der Nase nach oben hat man in Wetzlar aber auch oft einen guten Riecher bewiesen und weit abseits des Mainstreams Kameramodelle auf den Markt gebracht, die ihre Fangemeinde gefunden haben.
Jüngster Spross der Familie ist die Leica M10-D, die auf der Website mit dem Slogan „Digitales Herz. Analoge Seele.“ beworben wird. Weiter: „Mit der Leica M10-D kehrt das analoge fotografische Erlebnis zurück in die digitale Welt. Parallel zu einer Fotografie, die heute durch ein Übermaß an Möglichkeiten bestimmt ist, ist die M10-D ein mutiges Statement bewussten Verzichts.“
Verzichtet hat man bei der M10-D auf vieles, am auffälligsten auf ein rückseitiges Display. Aber auch ein Blitz, GPS, ein elektronischer Sucher oder gar ein Autofokus sollten nicht auf Ihrer Wunschliste stehen.
Ganz neu ist die Idee zudem nicht, Leica hatte 2016 mit der M-D schon eine digitale Messsucherkamera ohne Monitor vorgestellt, die damals auf der Leica M (Typ 262) beruhte. Die M10-D baut nun auf der M10 (Typ 3656) auf, mit einem 24-Megapixel-Kleinbildsensor.
Natürlich kann man eine solche Kamera nicht mit einem x-beliebigen Vollformater aus fernöstlicher Produktion vergleichen, weshalb unser Test dieses Mal auch etwas anders ausschaut als üblich.

Get the feeling
Fast jeder ColorFoto-Test endet mit einer kleinen Wunschliste dessen, was sich der Tester für das jeweilige Modell noch an Ausstattung gewünscht hätte. Mal einen eingebauten Blitz, mal einen Bildstabilisator, mal einen Dual-Card- Slot. Wir nehmen uns da nicht aus.
Und jetzt kommt Leica, um uns zu sagen, dass wir all‘ das nicht brauchen, um wunderschöne Fotos zu machen? Richtig, wir möchten diese Features vielleicht, aber wir brauchen sie nicht. Wenn wir an unsere ersten Kameras zurückdenken, hat Leica natürlich recht.
Die waren robust wie Panzer, aber dumm wie Bohnenstroh. Und machten anständige Bilder – fanden wir zumindest damals. Auch wenn die Bilder aus den 1970er-Jahren objektiv gesehen deutlich hinter der Bildqualität eines aktuellen Vollformaters zurückliegen.
Viele neue Kamerafunktionen dienen vor allem dazu, dem Fotografen das Gefühl zu geben, dass die Kamera alles für sie tun wird. Zittrige Hände? Das erledigt der Bildstabilisator. Falscher Fokus beim Porträt? Dank Augen-AF schon kaum mehr möglich. Falsches Motivprogramm? Mit üppigem Dynamikbereich lassen sich auch fehlbelichtete Bilder noch halbwegs retten.
Aber haben wir deshalb mehr Spaß beim Fotografieren als früher? Wir waren also echt gespannt auf die Leica M10-D. Sie ist im Prinzip eine M10-P ohne LCD und mit ein paar kosmetischen Änderungen. Gleicher 24-MP-Sensor, gleiche Leistung.
Was Sie mit dem D gewinnen, ist tatsächlich weniger – aber für Puristen ist weniger ja bekanntlich immer mehr. Und bei Leica bedeutet das Weniger dann auch gleich ein Mehr beim Preis, das Gehäuse der M10-D geht für schlappe 7500 Euro über den Ladentisch.
Das etwas andere M-System
Die aktuellen Modelle des M-Systems bringen gegenüber der Vorgängergeneration vor allem einen eigens für sie entwickelten 24-Megapixel-Vollformatsensor ohne Tiefpassfilter mit. Er soll schräg einfallendes Licht noch besser erfassen und störende Lichtbrechungen sowie Abschattungen vermeiden.
Speicherkartenfach (SDHC/XC) und Akku verstecken sich weiterhin unter der komplett abnehmbaren Messingbodenplatte. Das mag zwar der Robustheit zugutekommen, macht den Kartenwechsel aber unnötig zeitaufwendig, vor allem wenn die Kamera auf einem Stativ befestigt ist. Einen integrierten Blitz gibt es nicht, dafür einen Blitzschuh mit Zusatzkontakten.
Dank derer lassen sich nicht nur Systemblitzgeräte anschließen, sondern auch ein optionaler elektronischer Visoflex-Aufstecksucher mit 800 000 RGB-Pixeln. Das massive spritzwassergeschützte Magnesium-Druckgussgehäuse mit einer Größe von 139 x 81 x 38 mm wirkt sehr stabil und solide verarbeitet.
Das Kameraoberteil und der Bodendeckel sind aus geschwärztem Messing. Mit Akku und Bajonett-Deckel bringt sie ca. 660 Gramm auf die Waage. Im Vergleich zu anderen aktuellen Kameras fällt sofort auf, dass die Kamera nur wenige Bedienelemente hat.
An der linken Kameraoberseite ist ein versenktes Einstellrad zur ISO-Einstellung, rechts neben dem Auslöser ist eine unauffällige kleine Funktionstaste. An der rechten Kameraoberseite sind ein satt rastendes Zeiteinstellrad, das neben manueller Zeiteinstellung auch eine Halbautomatik mit Blendenvorwahl anbietet, der Auslöser und der von analogen Kameras bekannte Filmtransporthebel.
Gehäuse & Ausstattung
Filmtransporthebel? Tatsächlich hat Leica einen Filmtransporthebel bei der M10-D verbaut. Er hat lediglich die Funktion, im ausgeklappten Zustand mit dem Daumen die Kamera auszubalancieren und damit das Haltegefühl zu verbessern. Das nennt man „ordentlich aufs Blech hauen“.
Denn trotz Daumenstütze und strukturierter Kunstlederoberfläche liegt die M10-D weniger stabil in der Hand als eine typische SLR. An der Kameravorderseite befindet sich ein Entriegelungsknopf für das Objektivbajonett, eine kleine Schwinge für Suchereinblendungen sowie eine Fokustaste, mit der man die Fokussierhilfe aktivieren kann.
Blenden- und Entfernungsring sind wie bei Leica üblich am Objektiv angebracht. Auf der Rückseite sucht man zunächst vergebens ein Display. Sie wird dominiert von einem Einstellrad, dass trotz 42 mm Durchmesser etwas verloren ausschaut.
Der äußere große Ring dient als Ein-/Ausschalter sowie für die WLAN-Verbindung. Der innere Ring ist ebenfalls drehbar und ermöglicht die Einstellung von Belichtungskorrekturen. Das klassische M-Messsuchersystem schließt einen Autofokus aus.
Stattdessen stellt man mit dem Mischbildentfernungsmesser manuell scharf. Ein Leuchtrahmen kennzeichnet den Bildausschnitt abhängig von der Brennweite. Allerdings entspricht die Größe des Leuchtrahmens nur bei 2 m Einstellentfernung der des Sensors. Auf kürzere Distanz erfasst der Sensor weniger, als der Leuchtrahmen zeigt, bei größerer Entfernung mehr.
Außerdem arbeitet der optische Messsucher erst ab einer Brennweite von 28 mm aufwärts. Die Wahl des Bildausschnitts und Scharfstellen mit dem Messsucher kann deshalb bei Weitwinkel-, Nah- oder Teleaufnahmen schwierig sein oder zum Ratespiel werden. Eine Digitalanzeige im Sucher verrät bei Zeitautomatik die Verschlusszeit und informiert über Akkustand, Belichtungskorrektur und Co.
Aufgenommen wird mit einem 24 Megapixel auflösenden CMOS-Vollformatsensor. Im Normalbetrieb setzt die M10-D eine stark mittenbetonte Belichtungsmessung ein, im Live-View-Modus (dazu gleich mehr) wechselt sie zur Belichtungsmessung am Sensor, die neben der mittenbetonten auch eine Mehrfeld- (24 Felder) und eine Spotmethode erlaubt.