Zeitenwende
Leica M10-P im Test
Eine Leica ohne roten Punkt ist eigentlich so unvorstellbar wie ein Mercedes ohne Stern. Trotzdem verzichtet der Hersteller bei der edlen Messsucherkamera M10-P auf das etablierte Markensymbol. Wir haben im Test näher hingeschaut und auch beim Innenleben deutliche Hinweise auf eine Zeitenwende entdeckt.

An den Messucherkameras von Leica scheiden sich die Geister. Puristen loben die Konzentration auf das Wesentliche und nehmen gerne in Kauf, dass man dafür auch von Hand fokussieren muss. Einen Autofokus haben die M-Kameras nämlich nicht an Bord, das gilt auch für die Leica M10-P. Fans verweisen auf die überragende Verarbeitung und das haptische „Leica-Erlebnis“, das sich allerdings in einem objektiven Testbericht kaum transportieren lässt. Sehr ungewohnt: Leica verzichtet bei der M10-P auf den roten Punkt am Gehäuse. Neu ist außerdem der Verschluss, mit dem das Auslösen jetzt noch leiser ist. Beides zusammen soll unauffälliges Fotografieren erleichtern. Überdies hat Leica der M10-P einen Touchscreen spendiert, das ist in der M-Serie ein Novum. Als Sensor kommt wie beim älteren Modell ohne „P“ ein 24-MP-Vollformatsensor zum Einsatz.
Gehäuse und Ausstattung
Das Gehäuse besteht aus Magnesium, das Kameraoberteil und der Bodendeckel sind aus verchromtem oder geschwärztem Messing gefertigt. So eine massive Konstruktion bringt natürlich auch einiges an Gewicht mit sich. Das komplette Gehäuse (140 x 81 x 38 mm) wiegt mit Akku 665 g, mit dem Summicron M f 2,0/35 mm sind es ca. 930 g. Damit ist die M10-P den aktuellen spiegellosen Vollformatsystemkameras von Canon, Nikon oder Sony sehr ähnlich.
Die Form und das Design der Kamera sind entlang der M-Linie von Leica konzipiert. Darum ist auf der rechten Kameraseite kein – wie auch immer geformter – „Griff“ zu finden, sondern wie bei allen M-Modellen ein großer Radius. In Arbeitsstellung umschließt die Hand diesen Radius, an einer kleinen Erhöhung der Kamerarückseite kann mit dem Daumen Gegendruck erzeugt werden. Diese Art und Weise, eine Kamera zu halten, scheint für griffverwöhnte Fotografen zunächst ungewöhnlich und unsicher. Das ändert sich allerdings mit zunehmender Nutzungsdauer, die Kamera vermittelt dann ein sehr angenehmes und stabiles Haltegefühl.
Das Gehäuse ist spritzwassergeschützt, Objektivanschluss ist das Leica M-Bajonett. Leicas R-Objektive können mittels Adapter (optionales Zubehör) verwendet werden, verunstalten das „Kunstwerk“ Leica M aber gehörig. Das Stativgewinde sitzt in der optischen Achse des Objektivs, was die Einstellarbeiten beim Fotografieren vom Stativ erleichtert. Allerdings ist das Akku- und Speicherkartenfach konstruktionsbedingt so nahe am Stativgewinde platziert, dass die Kamera zum Karten- oder Akkuwechsel vom Stativ genommen werden muss. Einen integrierten Blitz gibt es nicht, dafür einen Blitzschuh mit Zusatzkontakten. Daran lassen sich nicht nur Systemblitzgeräte anschließen, sondern auch ein optionaler elektronischer Aufstecksucher.

Bedienung
Das Leica-M-Konzept ist nicht nur beim Gehäusedesign offensichtlich. Auch die Gestaltung und Anordnung der Bedienelemente ist entlang dieser Vorgabe realisiert. An der rechten Kameraoberseite befindet sich der runde Hauptschalter mit mittigem Auslöser, auf dem gleichen Höhenniveau links daneben das satt rastende Verschlusszeitenrad.
Die M10-P hat kein Moduswahlrad mit den Positionen P, S, A und M, sondern ein Einstellrad für die Verschlusszeiten. Es stehen nämlich ausschließlich die Modi „Zeitautomatik“ und „Manuell“ zur Wahl. In der Einstellung „A“ werden am Blendenring die gewünschte Blende und am ISO-Einstellrad auf der linken Seite die gewünschte Empfindlichkeit von Hand eingestellt, und die Automatik ermittelt die Verschlusszeit. ISO-Wert, Belichtungszeit und Blende lassen sich auch bei ausgeschalteter Kamera an den mechanischen Bedienelementen ändern. Alternativ gibt es eine ISO-Automatik. Damit ermittelt die Kamera den passenden ISO-Wert bei voreingestellter Blende und Verschlusszeit. Ein Detail verdient Beachtung: Die Struktur der Einstellräder ist nicht wie sonst üblich gerändelt, sondern gefräst.

Das ist ein enormer Aufwand und zeigt, worauf der Traditionshersteller Wert legt. Die Kamerarückseite ist wunderbar übersichtlich. Ein Display, ein Vierwegetaster mit Zentrumstaste, ein kleines Rändelrad an der Daumenposition und drei Tasten, großzügige 8 x 8 mm groß und mit deutlichem Druckpunkt. Das Menü zeigt zunächst immer die Favoritenansicht, die individuell konfiguriert werden kann. Ob das Favoritenmenü auf eine Seite passt oder ob gescrollt werden muss, hängt von der Zahl der gewählten Favoriten ab. An letzter Posi tion befindet sich immer das Hauptmenü, in dem alle verblie benen Menüpunkte angesteuert und vom Nutzer eingestellt werden. Auch dank des beschränkten Funktionsumfangs der Kamera bleibt ihre Bedienoberfläche durchgehend erfreulich überschaubar und lässt sich auch ohne Handbuch schnell erfassen. Es besteht nicht die Gefahr, sich zu „verirren“.

Sucher und Display
Das klassische M-Messsuchersystem schließt einen Autofokus aus. Stattdessen stellt man mithilfe des Mischbildentfernungsmessers manuell scharf. Der Sucher ist ein Leuchtrahmenmesssucher mit automatischem Parallaxenausgleich. Bei den verschiedenen Brennweiten wird die Bildfeldbegrenzung durch Aufleuchten von jeweils zwei Rahmen im Sucher angezeigt. Die Vergrößerung im Sucher beträgt 0,73x. Eine Digitalanzeige informiert über Verschlusszeit, Lichtwaage, Blitzbereitschaft, fehlende Speicherkarte, Speicherkartenstatus und Belichtungskorrektur. Konstruktionsbedingt entspricht die Größe des Leuchtrahmens nur bei einer Einstellentfernung von 2 m genau der des Sensors. Im Nahbereich erfasst der Sensor weniger, in größerer Entfernung mehr, als der Leuchtrahmen zeigt. Dann ist es sinnvoll, per Tastendruck zur Live-View-Vorschau auf dem Display zu wechseln, das auch eine Lupe sowie Fokus-Peaking bietet. Im Display und im Sucher blendet die M zudem eine Wasserwaage ein, damit der Fotograf die Kamera gerade ausrichten kann.

Das 3 Zoll große Farb-TFT-LC-Display aus Gorilla Glass hat eine Auflösung von 345.334 RGB-Bildpunkten, Schärfe und Farbwiedergabe sind gut. Die Helligkeit kann über sechs Stufen eingestellt werden, eine Winkelabhängigkeit war nicht zu festzustellen. Das Display ist nicht schwenk- oder drehbar. Die Touchfunktion ist nicht für alle Funktionen verfügbar, ermöglicht jedoch die schnellere Kontrolle der Fokuslage im Live-View, bequemes Blättern bei der Wiedergabe sowie eine Anzeige der Aufnahmeeinstellungen.
Belichtung und Bildqualität
Im Sucherbetrieb arbeitet die M10-P mit stark mittenbetonter Belichtungsmessung. Sobald man den Auslöser halb durchdrückt, speichert sie die Werte bis zum Auslösen. So lässt sich der Bildausschnitt nach der Messung noch bequem korrigieren. Im Live-View-Modus wechselt die M zur Belichtungsmessung am Sensor, die neben der mittenbetonten Messung auch Mehrfeld- und Spotmessung erlaubt.

Einstellmöglichkeiten wie Gradationskurve oder Weißabgleich sind eher rudimentär. Zusammen mit dem fehlenden Autofokus kostet das viele Punkte in der Kategorie Performance. Die Einschaltverzögerung ist mit 1,6 s geringfügig besser als bei der M10 (1,9 s), das Serientempo ist also praktisch identisch (M10-P 4,6 B/s als RAW oder JPEG, M10: 4,7 bzw. 4,8 B/s).
Ob in der M10-P der gleiche Sensor steckt wie in der M10, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen – der Hersteller hüllt sich da in Schweigen. Die technischen Daten sind sich so ähnlich, dass man davon ausgehen darf, dass bestenfalls kosmetische Anpassungen zwischen den beiden Versionen liegen. Umso erstaunlicher sind die Unterschiede aus dem Labor: Von der M10 waren die Tester vor anderthalb Jahren etwas überrascht – um es diplomatisch zu sagen: DL-Werte durchgängig unter 700 (DL-HC) bzw. 800 LP/BH (DL-LC) waren einer Vollformatkamera unwürdig.
Testreihen zeigten schließlich, dass die kamerainterne JPEG-Signalverarbeitung unter den Möglichkeiten von Kamera und Sensor blieb. Die RAWs waren nämlich so knackscharf und detailreich, wie man es erwarten darf. Jetzt hat Leica entscheidend nachjustiert und an der Signalverarbeitung geschraubt. Bei der Einstiegsempfindlichkeit liegt die Auflösung mit 1989 LP/BH rund 250 LP höher als bei der M10 (1738 LP/BH), die DL-Werte für hohen Kontrast sogar fast 400 LP (1048 LP/BH vs. 669 LP/BH).

Das macht sich nicht nur auf dem Testtableau gut, sondern zeigt sich auch in der Praxis deutlich. Während man mit der M10 für gute Bilder fast zwangsläufig im RAW-Format fotografieren muss, ist die M10-P so abgestimmt, dass auch die JPEGs richtig Spaß machen. Bei ISO 100 und 400 gibt es tatsächlich wenig auszusetzen. Das Rauschverhalten ist bis ISO 800 vorbildlich, erst oberhalb von ISO 1600 wird es störend. Auch die Kantenprofile präsentieren sich tadellos – mit leichter Schulter, aber ohne Artefaktträchtige Spitzen.
Fazit
Kein Steckanschluss zur Datenübertragung, kein schwenkbares Display, kein Autofokus, ein Sucher wie zu Großvaters Zeiten. Das Fotografieren wird dadurch weder komfortabler noch effizienter – aber es macht Spaß, mit dieser Kiste zu arbeiten. Und dank der verbesserten Signalverarbeitung kann man mit der M10-P auch guten Gewissens das JPEG-Format wählen und muss für gute Qualität nicht immer auf RAW ausweichen. Auch ohne roten Punkt bleibt die Qualität von Optik und Mechanik das Maß der Dinge auf dem Markt. Und auf was man alles verzichten muss, wusste man schließlich schon vor der 7.500 Euro schweren Investition.
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