Canon EOS R5 im Hands-on-Test
Mehr zum Thema: CanonIm Labortest hat die Canon EOS R5 überzeugt. Damit qualifiziert sie sich für einen ausgiebigen Praxistest, bei dem es weniger um letzte Auflösungsdetails als um das Handling in der Praxis geht. So viel vorweg: Auch hier macht die R5 einen hervorragenden Eindruck und landet in der 5-Sterne-Klasse.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sagte Michail Gorbatschow, als es noch eine Sowjetunion gab. Und er behielt Recht, denn der Vielvölkerstaat war dem Untergang geweiht. Auch in der Technik gibt es viele Beispiele, die den Kern dieser Aussage belegen, nicht zuletzt der Fall des ehemaligen ...
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sagte Michail Gorbatschow, als es noch eine Sowjetunion gab. Und er behielt Recht, denn der Vielvölkerstaat war dem Untergang geweiht. Auch in der Technik gibt es viele Beispiele, die den Kern dieser Aussage belegen, nicht zuletzt der Fall des ehemaligen Filmgiganten Kodak. Lange hatte man die Befürchtung, auch die SLR-Platzhirsche Canon und Nikon würden zu zögerlich auf spiegellose Systeme umsteigen. Doch zur photokina 2018 traten nicht nur beide mit konkurrenzfähigen Modellen in den Markt der Spiegellosen ein – sie waren sogar erfolgreich. Mittlerweile steht die zweite Generation in den Regalen. Die Nikon Z 6II hatten wir im letzten Praxistest, nun folgt die Canon EOS R5.
Die Mischung macht’s …
Maße, Gewicht, Ausstattung und Handlichkeit sind Merkmale einer Kamera, für deren Umsetzung immer ein Kompromiss nötig ist. Mit der Gehäusegröße von rund 138 x 100 x 85 Millimetern und einem Gewicht von etwa 740 Gramm zählt die R5 durchaus zum Mainstream. Das Gehäusematerial ist eine Magnesiumlegierung, mehrere Einzelkomponenten sind aus glasfaserverstärktem Polycarbonat. Der Body soll laut Hersteller staub- und spritzwasserdicht sein. Wir haben die Kamera zwar keiner Ice Bucket Challenge unterzogen, doch selbst das winterliche Schmuddelwetter im Allgäu konnte ihr definitiv nichts anhaben. Stoisch trotzte sie den Tiefs von Jascha bis Peter.
Durch den ausgeprägten Handgriff wirkt das eigentlich eher schlanke Gehäuse optisch dann doch sehr wuchtig, wobei der Begriff hier mit Vorsicht zu verwenden ist. Vergleicht man die aktuellen Spiegellosen mit den SLR-Brummern vergangener Tage, sind selbst die Systemkameras doch um einiges kompakter und insgesamt schlanker. Die Griff- und Halteflächen der Gehäuseoberfläche sind mit einem gut bremsenden, gummiartigen Strukturmaterial überzogen.
Im oberen Teil des Griffs ist eine sanfte Mulde für Finger bzw. Hand. Diese „Stütze“ in Verbindung mit dem tiefen Griff vermittelt sehr guten Halt. Es gibt allerdings auch Einschränkungen. Ist der hintere Durchmesser des Objektivs größer als 80 mm, wird es schon etwas eng für die greifenden Finger. Das unter anderem von uns verwendete lichtstarke R 85 mm F1,2 zeigte da schon die Grenzen eines optimalen Halts auf. Mit dieser Optik konnte die Hand den Griff nicht mehr perfekt umschließen, und der Spalt zwischen dem Griff und dem Objektiv wird schon etwas eng.

Strom liefert ein Akku mit der Bezeichnung LP-E6NH, 2130 mAh, 7,2 Volt. Sein aktueller Ladezustand wird in Form des üblichen Akkusymbols am Display angezeigt. Durch den Menüpunkt „Info Akkuladung“ werden weitere Ladezustandsdaten zur Anzeige gebracht, darunter die Restkapazität in Prozent, Auslösezähler und Ladeleistung. Ein Ladegerät LC-E6E gehört zum Lieferumfang und füllt den leeren Akku in zwei bis 2,5 Stunden wieder vollständig auf. Eine weitere Variante ist das Laden des Akkus in der Kamera. Ältere Akkumodelle wie LP-E6 und LP-E6N haben rund 20 Prozent weniger Kapazität und sind begrenzt kompatibel. Die höchsten Serienbildraten und das Laden in der Kamera sind damit nicht möglich. Ein optional erhältlicher Akkugriff BG-R10 kann zwei Akkus aufnehmen und erlaubt dadurch deutlich längere Aufnahmezeiten.

Der Stromverbrauch ist nicht nur von den herrschenden Umgebungsbedingungen abhängig. Die Verwendung der verschiedenen möglichen Kamera- und Objektiveinstellungen kostet einiges an Power, vor allem die Datenübertragung und die Fernsteuerung der Kamera. Auch jedes Fokussieren oder Messen kostet Strom – die Summe macht‘s. Man ist gut beraten, immer einen vollgeladenen Akku als Reserve dabei zu haben. So selbstverständlich wie neue Kameras einen Ein-/Aus-Schalter haben, so selbstverständlich ist mittlerweile die Möglichkeit, die Kamera vom Smartphone oder Tablet aus zu steuern. Die kostenlose Canon-App „Camera Connect“ ist einfach zu installieren.

… auch bei Speicherkarten und Bedienung
Die R5 ist eine Kamera für Fotografen und Filmer. Die Ansprüche an Speicherkarten sind unterschiedlich, darum macht es auch hier die Mischung. Filmer wünschen sich maximale Übertragungsgeschwindigkeiten, für Fotografen spielen eher Kapazität und Kosten eine Rolle. Zwei unterschiedliche Speicherkartenslots sind die Lösung: ein etwas größerer für die schnellen, aber teuren CFexpress-Karten und ein engerer für die universellen SD-/SDHC-/SDXC- und UHS-II- und UHS-l-Karten. Dank der unterschiedlichen Abmessungen des Speicherkartentyps besteht keine Verwechslungsgefahr.

Viele Bedienelemente ermöglichen viele Einstellungen. Doch wenn es schon viele Bedienelemente sein müssen, sollten Art und Anordnung den User bestmöglich unterstützen. Canon hat das gut gelöst. Der große Teil der Tasten und Rädchen ist an der rechten Kameraseite positioniert. Nur der On/Off-Knebel und die seltener erforderliche Menü- und Rate-Taste (Bilder einstufen oder Sprachnotizen aufnehmen) sind an der linken Kameraseite angebracht. Neu ist der Wegfall des klassischen Modus-Wahlrads mit P-, Av-, Tv- und M-Einstellungen. An seine Stelle ist ein etwas versenktes Rändelrad mit rund 18 Millimetern Durchmesser gerückt. In der Mitte eine Taste, die bewirkt, dass die zehn möglichen Modus-Einstellungen auf dem Hauptdisplay und dem etwa 20 x 22 Millimeter kleinen Schulterdisplay angezeigt und eingestellt werden können. Zur Wahl stehen A Vollautomatische Aufnahmen, Fv für Flexible Automatik, P Programmautomatik, Tv Blendenautomatik, Av Verschlusszeitenautomatik, M manuelle Belichtung, Bulb Langzeitbelichtung und drei individuelle Aufnahmemodi C1, C2 und C3.

R-Objektive und Stabilisator
In unserem Praxistest verwenden wir zwei Objektive aus der neuen Canon-R-Serie. Ein Zoom RF 4/24-105 mm L IS USM mit eigenem Stabilisator bringt nochmal 750 Gramm auf die Waage. Kamera und Objektiv zusammen wiegen dann fast 1,5 Kilogramm. Das zweite Objektiv ist das lichtstarke RF 1,2/85 mm L USM ohne eigenen Stabilisator. Es wiegt rund 1,2 Kilogramm, ergibt mit Kamera fast 2 Kilogramm Gesamtgewicht – da braucht man schon einen gut geformten Handgriff.

Die beiden Objektive sind ebenfalls staub- und spritzwasserfest und tadellos verarbeitet. Die Fokusbewegungen im Objektiv sind dank der Ultraschall-AF-Motoren (USM) blitzschnell und beim 24-105 mm nahezu geräuschlos. Beim 85-mm-Objektiv sind deutliche Transportgeräusche zu hören. Kein Wunder, da wird einiges an Masse bewegt. Die Einstellringe drehen sich butterzart. Die seitlichen Schiebeschalter für die Fokuseinstellung MF/AF und beim Zoomobjektiv der IS-Schieber fühlen sich stabil an. Ein leicht rastender Einstellring an der Objektivvorderseite kann zur schnellen Einstellung mit Funktionen für ISO, Blende oder Verschluss belegt werden.

Ein 5-Achsen-Bildstabilisator in der Kamera reduziert unerwünschte Längs- und Querbewegungen. Den Sensor in der Kamera beweglich zu lagern, kommt Objektiven ohne Stabilisator entgegen. Jede angeschlossene Optik wird durch die ausgleichenden Bewegungen des Sensors in der Kamera stabilisiert. Dies trifft auch für die Anwendung von EF-Objektiven mit Adapter zu. Hat das Objektiv einen eigenen Stabilisator, wird das Ergebnis mit dem Stabilisator in der Kamera verrechnet und entsprechend korrigiert.

Nach Firmenangaben soll der Stabilisator im Gehäuse bis zu fünf und beim Zusammenwirken mit einem Objektivstabilisator bis zu acht Belichtungsstufen beherrschen. Das scheint uns etwas hoch gegriffen, ist aber in der Praxis kaum zu falsifizieren. Er arbeitet jedenfalls sehr zuverlässig, eine Belichtungszeit von 1/10 Sekunde mit einem 85-mm-Objektiv aus freier Hand ist die kleinste Herausforderung.
Auch der gern verbaute Vierwegetaster an der rechten Kamerahinterseite ist verschwunden und hat einem Drehrad mit guter Struktur und einer mittigen Taste den Platz überlassen. Gute Idee, denn das Einstellen mit dem Drehrad ist sicherer als die etwas fehleranfällige Eingabe an einem Vierwegetaster. Auch der Joy Stick ist ein sehr hilfreiches Bedienelement, wenn man sich an ihn gewöhnt hat.
Nach einer kurzen Gewöhnungsphase hat sich eine günstige Aufteilung für flüssiges Bedienen der Kamera ergeben. Wird das Motiv durch den Sucher angepeilt, sind Einstellungen gut mit dem Joy Stick vorzunehmen, ohne die Kamera vom Auge zu nehmen. Stellt man die Kamera dagegen am Display ein, sind das Einstellrad an der Kamerarückseite oder das senkrecht stehende Einstellrad neben dem Auslöser oft die bessere Wahl.
Die Struktur des Menüs entscheidet, wie flüssig oder nervig die verschiedenen Eingaben umzusetzen sind. Das gesamte Menü besteht aus sieben Blöcken, zur besseren Unterscheidung verschiedenfarbig gekennzeichnet. Jeder der Menüblöcke Shoot, AF, Play, Network, Setup, C.Fn und MyMenü-Set-Up bietet weitere Funktionen, die in der jeweiligen Blockfarbe angezeigt werden. Diese deutliche farbliche Unterscheidung und die Nummerierung der Menüpositionen ist gut zu merken, und eine anfängliche Herumsucherei im Menü erledigt sich damit schnell.
Das 3,2 Zoll (8,1 cm) große Touchdisplay mit 700 000 RGB-Bildpunkten ist schwenk- und drehbar. Das werden viele Fotografen begrüßen, die große Flexibilität birgt allerdings auch eine Gefahr: Bei robuster Behandlung kann auch was beschädigt werden – da ist Vorsicht geboten. Die Schriften und Symbole am Monitor sind filigran, jedoch gut zu erkennen. Die Touchfunktionen erfolgen zuverlässig und sicher.
Die Helligkeit des Displays ist in sieben Stufen regulierbar, außerdem sind – Smartphone-like – vier Farbtoneinstellungen am Display möglich: Warm, Standard, Kalt 1 und Kalt 2. Trotzdem ist das alte Thema „Lichtreflexe auf dem Display“ noch aktuell. Selbst beim besten Display lassen die Lichtverhältnisse manchmal eine Beurteilung des Motivs nicht zu. Dann hilft nur der Blick durch den OLED-Sucher.
Der elektronische Sucher (0,5 Zoll) hat eine Auflösung von 1 920 000 RGB-Bildpunkten, die Vergrößerung ist etwa 0,76-fach. Sein Bild ist hell, klar und knackscharf. Schrift und Symbole sind gut zu erkennen, nur meine Nase ist im Weg. Wäre der Sucher weiter links positioniert, hätte meine Nase auch noch Platz. So muss ich in schräger, „nasenschonender“ Haltung in den Sucher blicken. Dessen Helligkeit kann in fünf Stufen eingestellt werden, die Farbtoneinstellung hat den Standard des Displays und ist mit der Sucherfarbton-Feinabstimmung individuell justierbar.
Sucher und Display lassen sich durch einen Näherungssensor im Gegentakt ein- und ausschalten. Geht es darum, bei einer Exkursion Strom zu sparen, sollte man sich für die entsprechende Arbeitsweise entscheiden, denn Display und Sucher saugen verschieden stark am Akku (Herstellerangaben).
EF-Objektive mit EF-EOS-R-Adapter
Bei vielen Fotografen liegen wertvolle Canon-EF- und F-S-Objektive in der Schublade. Diese lassen sich mit dem entsprechenden Adapter auch an R-Kameras verwenden. Diese Adapter haben keine optischen Komponenten, also sind da keine Linsen oder irgendwas anderes im Strahlengang, was die Bildqualität beeinflussen könnte. Der Adapter überbrückt nur das geringere Auflagemaß und die unterschiedlichen Anschlussbajonettdurchmesser. Zudem tauscht er über elektrische Kontakte Infos zwischen Kamera und Objektiv aus. Diese Adapter haben beidseitig ein Metallbajonett und sind staub- und spritzwassergeschützt.
Der einfachste Adapter, ohne jede weitere Funktion, heißt „EF-EOS R Adapter“. Das Modell mit der Bezeichnung „EF-EOS R mit Objektiv-Steuerring“ bietet, wie die R-Objektive, zusätzlich den Objektivsteuerring für Aufnahmeeinstellungen. Der „EF-EOS R Adapter mit Einsteckfilter“ bietet außer der Adaption zwischen Kamera und EF-Objektiv auch noch die Möglichkeit, Einsteckfilter zu verwenden. Sein Vorteil: Die Filtergröße ist nicht vom Frontdurchmesser des verwendeten Objektivs abhängig.
Wie passen nun EF-Objektive in der Praxis mit dem Adapter zusammen? Selbst wenn die EF-Objektive schon einige Jahre auf dem Buckel haben, ist der Bajonettanschluss immer noch satt, und es zeigt sich keinerlei mechanische Abnutzung. An den sonstigen Gebrauchsspuren ist zu sehen, dass die Objektive nicht dalagen. Der Adapter hat auf der Kameraseite zwölf Kontakte, auf der Objektivseite sind es acht.
Zunächst haben wir geprüft, welche der unterschiedlichen Fokussiermethoden mit dem Adapter funktionieren. Die Überraschung war groß: Alle Fokussiervarianten funktionierten, obwohl die EF-Objektive nur mit sieben, acht und zehn Kontakten ausgestattet sind. Lediglich ein EF-Objektiv hatte schon zwölf Kontakte wie ein R-Objektiv. Was im Vergleich zu den beiden R-Objektiven sofort auffällt, sind die deutlich hörbaren Geräusche beim Fokussieren. Je nachdem, welche Strecke die optischen Elemente im Inneren des Objektivs zurücklegen müssen, sind deutliche Geräusche zu vernehmen. Auch ein zugeschalteter Stabilisator verursacht manches Mal ein Zirpen. Das ist vor allem für die filmende Fraktion ein wichtiges Gegenargument.
Wichtiger als die Motorlautstärke ist jedoch die Geschwindigkeit, mit der die Kamera das Objektiv fokussiert. Die Fokussierung von EF-Objektiven ist sicher schnell, oder nennen wir es flott. Die R-Objektive sind blitzschnell, da ist nichts mitzuverfolgen, wie sowohl der Labortest als auch das subjektive Empfinden belegen. Überaus zufrieden waren wir auch mit der Zuverlässigkeit. Die überwiegende Zahl der Aufnahmen war korrekt scharfgestellt.
Die Qualität der Aufnahmen ist überzeugend. Der Sensor mit maximal rund 45 Megapixeln (8192 x 5464 Pixel) erlaubt Prints mit 300 dpi bis zu einer Größe von rund 694 x 462 Millimetern. Mit realistischen 180 dpi ergibt sich ein mögliches Printformat von bis zu 1156 x 771 Millimetern. Sogar höhere ISO-Werte sind kein Problem.
Alles auf Anfang
Kameraeinstellungen lassen sich mit Tasten, Rädchen, Joystick oder auch am Touchdisplay vornehmen. Wobei die einzelnen Funktionen oftmals auf unterschiedlichen Wegen mit Bedienelementen oder durch das Menü aufgerufen werden können. Über einen Menüpunkt wird die Fokussiermethode One Shot oder Synchro für statische oder bewegliche Motive gewählt. Dann noch die Auswahl, auf welchen der acht Wege fokussiert werden soll. Ähnlich wählt man die gewünschte Art der Belichtungsmessung aus vier angebotenen Varianten aus. Dann folgen die bekannten Einstellungen für Bildqualität, ISO-Wert, Weißabgleich, Farbraum und die Entscheidung, ob der mechanische oder der lautlose elektronische Verschluss verwendet werden soll.
Ein Tipp für R5-Einsteiger: Zur Einarbeitung sollte man immer wieder die Kamera mit dem Menüpunkt „Kam.zurücks.“ auf die „Grundeinstellung“ zurückzusetzen. Wer dann genau wissen will, was die einzelnen Korrekturmodi und Einstellungen bewirken, ändert immer nur eine Position. So kann man Ursache und Wirkung überprüfen.