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AV-Receiver

Harman/Kardon AVR370 im Test

Receiver von Harman gelten als eher puristisch und konservativ. Doch jetzt bieten die Amerikaner in der 1.000-Euro-Klasse integriertes WLAN und 4K-Video-Skalierung. Bleiben bei diesem Fortschritt die alten Klangtugenden gewahrt?

Autor: Stefan Schickedanz • 10.9.2013 • ca. 3:10 Min

Harman AVR 370
Harman AVR 370
© Harman

Bisher war die Rollenverteilung im AV-Bereich ausgemachte Sache: Die Japaner punkteten bei Features, die Amerikaner bei Klang und Benutzerfreundlichkeit. Doch diese klassischen Rollenmuster verändern sich langsam: Japan, vornehmlich Denon, rüstet ab, die USA, fast vollständig durch Harman/Kardon ...

Pro

  • satter, homogener Klang
  • AirPlay und WLAN serienmäßig
  • zweite Fernbedienung

Contra

  • wenige analoge Audio-Eingänge
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Bisher war die Rollenverteilung im AV-Bereich ausgemachte Sache: Die Japaner punkteten bei Features, die Amerikaner bei Klang und Benutzerfreundlichkeit. Doch diese klassischen Rollenmuster verändern sich langsam: Japan, vornehmlich Denon, rüstet ab, die USA, fast vollständig durch Harman/Kardon vertreten, rüsten auf.

Wer deshalb beim neuen AVR 370 eine Knöpfchen-Invasion oder Gedränge auf der Rückseite befürchtet, sei beruhigt: Die Entwickler haben sich auf sinnvolle, evolutionäre Innovationen konzentriert - oder besser gesagt: auf Weiterentwicklung. Die bescherte dem 1.000-Euro-Gerät acht HDMI-Eingänge und zwei Ausgänge, damit alle, die einen Beamer plus einen Flachfernseher besitzen, nicht umstöpseln müssen.

Anschlüsse Harman AVR
Sehr willkommen: übersichtliche, gut gekennzeichnete Anschlüsse, darunter viel HDMI. Nicht jedermanns Sache: Lüfterkühlung und kaum Analog-Eingänge.
© Harman

Ein echter Video-Star

Und sogar die Video-Verarbeitung - bisher im Lastenheft der Harmänner so ziemlich an letzter Stelle - präsentiert sich auf der Höhe der Zeit: Ultra HD kann man nicht nur durchschleifen, sondern auch skalieren - in anständiger Qualität. Zudem gibt es umfangreiche Bildeinstellungen und -verbesserungen für komprimiertes Material. Vor allem aber - und damit steht Harman in der ersten Reihe - verfügt der AVR 370 über integriertes WLAN. Damit spart man sich die Ethernet-Verbindungen fürs Web-Radio und fürs Streaming vom zentralen Archiv auf den Musik-Server.

Kaufberatung: Die besten Surround-Receiver

Direktes AirPlay wurde ebenfalls integriert. So spielt der Harman auch drahtlos mit einem Smartphone zusammen, das den Apple-Standard unterstützt. Und inzwischen verfügt Harman sogar über Apps, mit denen sich die Receiver auch gleich vom Smartphone oder Tablet aus steuern lassen (siehe den Abschnitt "Eine runde Sache" oben). Doch iPhone und Co. können auch direkt an der frontseitigen USB-Buchse andocken. Der Eigenbrötler ist also in wesentlichen Punkten ganz auf der Höhe der Zeit. 

Harman zweiter Transmitter Zone 2
Kommt nicht allein: Neben der hintergrundbeleuchteten Hauptfernbedienung hat der Harman noch einen weiteren Transmitter für Zone 2.
© Harman

Vernetzung

Das Besondere am AVR 370 sind ohnehin nicht die großen Unterschiede zum Mainstream, sondern gerade die kleinen. Dass man bei einem 7-Kanal-Receiver, wenn er wie üblich nur fünf Hauptkanäle bedienen muss, zwei Kanäle zur besonderen Verwendung übrig behält, ist üblich - etwa für eine zweite Hörzone. Nicht üblich ist, dass Harman neben der beleuchteten Hauptfernbedienung noch eine zweite beilegt (leider nicht mit Funk). 

So erfüllt Harman weitgehend die Erwartungen, die Hausvernetzung und Multi-Room mit sich bringen, und vergisst auch die Stammklientel aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht. Die standen nicht auf Bits, Bytes, Sampling-Raten oder Apps, sondern auf richtig fetten Sound mit packender Dynamik.So finden sich in den Harman-Unterlagen Verweise auf längst vergessen geglaubte Werte: etwa 40 Volt/μs Anstiegsrate für die Endstufen oder eine hohe Stromlieferfähigkeit von 45 Ampere.

Praxis: So optimieren Sie den AV-Receiver

Mit solchen Werten schmückten sich einst edle Hi-Fi-Verstärker. Das nährte Hoffnungen, dass der AVR 370 neben Fans zünftiger Spezialeffekte auch Musikliebhaber zufriedenstellen kann - zumal der im video-Labor gemessene 1A-Stabilitätswürfel diese Erwartungen untermauerte. 

Harman/Kardon AVR App
Harman/Kardon AVR: Für Android gibt es eine von der iPhone-App auch im Look abweichende App. Dank eingebautem Wi-Fi kann man so den AVR 370 ohne Zusatzgeräte wie Router an- und ausschalten und die wichtigsten Funktionen abrufen. Für das komplette Grund-Setup braucht man aber On-Screen-Menüs und eine Fernbedienung.
© Harman

Hörtest

So neu der AVR 370 für Harman-Verhältnisse auch anmuten mag, im Hörtest zeigte er die altbekannten Stärken. So verstand es der Amerikaner wie seine Vorfahren, der Musik das gewisse Etwas zu verleihen. Stimmen besaßen einen besonderen Schmelz, der sich zwar unterbewusst erfahren lässt, aber nur schwer in Worte zu kleiden ist. Dazu kamen Obertöne, die nicht durch Quantität, sondern Qualität überzeugten. Sehr schön ließ sich dieser Effekt bei Hi-Hats erleben, die nicht nach billigem Blech, sondern sattem Messing klangen. Eine wahre Wucht war der Bass, der keinen Zweifel an der Strompotenz der integrierten Endstufen ließ.

Praxis: Steuer-Apps für AV-Receiver

Die eher bescheidenen Messwerte des Surround-Tests konnten wir kaum glauben: So stark können lausige 5 x 34 Watt an 8-Ohm-Boxen wie dem Surround-Set von B&W in der Praxis sein. Aber auch das ist letztlich keine neue Erkenntnis: Audiophile englische Vollverstärker von Marken wie Naim oder Linn verblüffen regelmäßig mit einer Performance, die in scheinbarem Widerspruch zur reinen Sinusleistung zu stehen scheint.Und mit dem kleinen BruderHarman/Kardon AVR 170 verhielt es sich ähnlich.

Was wirklich zählt, sind das Impulsverhalten im Mikrosekundenbereich und die Stabilität des Netzteils, um unabhängig von Impedanz und Phasengang des angeschlossenen Lautsprechers die Chassis unnachgiebig zu kontrollieren. Und das gelang dem AVR 370 sehr überzeugend - egal, ob er es passend zur Action auf der Leinwand krachen ließ oder einfühlsam und ausgewogen Konzert-Mitschnitte wiedergab.

Harman/Kardon remote App Apple
Harman/Kardon remote: Diese App für iPhone/iPod touch sieht stylisch aus. Auf dem iPad gibt sie andere Screens mit mehr Funktionen aus. Sie punktet mit ihren am Harman-Design orientierten Oberflächen bei Grundfunktionen und spielt vor allem bei Internet-Radio ihre Stärken aus. Ein Funktionswunder ist aber auch sie nicht.
© Harman

Fazit

Der Harman hat was. Wer beim Einkauf lediglich Features abhakt, muss jetzt um die Marke keinen Bogen mehr machen. So richtig erschließt sich das stimmige, praxisorientierte Konzept des AVR 370 allerdings erst im täglichen Gebrauch.