Der Schwan - Kritik zum Netflix-Kurzfilm von Wes Anderson
Mehr zum Thema: NetflixEin schmächtiger, kleiner Junge wird von zwei üblen Halunken tyrannisiert. Wes Andersons zweite Dahl-Verfilmung ist kein Wohlfühlfilm für Kinder.

Nach "Ich sehe was, was du nicht siehst" erscheint mit "Der Schwan" der zweite Wes Anderson Film auf Netflix, der sich eine Kurzgeschichte von Roald Dahl zur Vorlage nimmt. Während "Ich sehe was, was du nicht siehst" mit fünf etablierten Hollywoodstars, mehreren groß...
Nach "Ich sehe was, was du nicht siehst" erscheint mit "Der Schwan" der zweite Wes Anderson Film auf Netflix, der sich eine Kurzgeschichte von Roald Dahl zur Vorlage nimmt. Während "Ich sehe was, was du nicht siehst" mit fünf etablierten Hollywoodstars, mehreren großen Produktions-Sets und einer Länge von immerhin knapp 40 Minuten deutlich aufwendiger produziert war, überzeugt "Der Schwan" mit deutlich kleineren Mitteln und erschafft in gerade einmal 17 Minuten Spielzeit ein mitreißend tragisches Märchen für Erwachsene.

Worum geht es in "Der Schwan"?
Zwei jugendliche Fieslinge sind auf Krawall aus. Da trifft es sich gut, dass einer von ihnen gerade in die Hände eines Gewehres gekommen ist. Mit der Flinte ziehen sie los und schießen jeden Vogel vom Himmel, den sie finden können.
Der junge Peter Watson liebt Tiere und Vögel im Besonderen. Seine Tage verbringt er mit der Beobachtung der Natur und seiner Bewohner. Als er die beiden Jungen mit ihrer Flinte auftauchen sieht, verscheucht er die Vögel in der Umgebung. Um ihren brutalen Spaß gebracht, beschließen die beiden älteren Jungen ihren Frust an Peter auszulassen. Sie fesseln ihn und legen ihn auf die Bahngleise.

Wie gut ist "Der Schwan"?
Die Geschichte des kleinen Peter wird von Wes Anderson wieder einmal in klassischer Wes Anderson Manier vorgetragen. Der Erzähler (Rupert Friend) blickt direkt in die Kamera und rattert seinen Text in beeindruckendem Tempo herunter, während die Figuren der Geschichte hinter oder neben ihm stehend die ablaufende Handlung darstellen. Durch die Härte, die Dahls Geschichte inne liegt, wirkt diese Darstellung jedoch weit weniger theaterhaft oder gar verkünstelt, wie man vielleicht meinen könnte, sondern mitunter fast wie eine formelle, amtliche Aufarbeitung einer Tat, die für die Beteiligten bis dahin schlicht nicht nachvollziehbar geblieben ist.
"Der Schwan" ist anders als viele Geschichten, die man üblicherweise mit Roald Dahl assoziiert, keine fantastische Wohlfühlerzählung, mit der man seine Kinder am Abend in den Schlaf wiegt. Die Grauen, zu denen Menschen fähig sind, werden hier erschreckend klar und unverstellt aufgezeigt. Dass "Der Schwan" am Ende dennoch nicht zu einem verstörenden Abbild von Schrecken und Leid verkommt, sondern trotz alledem das Gute und Schöne dieser Welt in den Fokus rückt, ist eine bemerkenswerte Leistung von Dahl als auch von Anderson.

"Der Schwan" - Fazit
Während die betont stilisierte und mitunter etwas emotionslose Darstellung von Wes Anderson in seiner ersten Roald-Dahl-Verfilmung auf Netflix der eigentlichen Geschichte noch eher im Weg stand, passt die nüchterne Erzählweise zu "Der Schwan" deutlich besser.
Das tragische Märchen des kleinen Peter Watson, das deutlich weniger eine Gesichte für Kinder ist als die meisten anderen Dahl-Erzählungen, entwickelt gerade durch den klaren, unverstellten Vortrag eine besondere Kraft, die vor allem auch durch das bewegende Ende noch einmal deutlich herausgestellt wird.
- Wertung: 4/5 Sterne
- Verfügbar auf: Netflix
- Dauer: 17 Min
- Regie: Wes Anderson