Arbeit oder Leben?

Severance - Review zur Sci-Fi-Thriller-Serie auf Apple TV+

7.7.2023 von Konstantin Grassl

Was wäre, wenn man sein Bewusstsein spalten und den Arbeitstag so einfach überspringen könnte? Unsere Review zu Apples Sci-Fi-Serie Severance gibt die Antwort.

ca. 3:35 Min
Testbericht
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Severance
Einfach mal den Kopf ausschalten ist Marks größter Wunsch.
© Apple

Gehen Sie gerne in die Arbeit? Oder regt sich bei Ihnen nicht auch manchmal ein gewisser Widerwille, wenn sie morgens vor der Bürotür stehen? Dieselben Handgriffe, dieselben Mails, dieselben Gespräche in den Kaffeepausen, dieselbe Arbeit wieder und wieder und wieder und oft genug nur das Warten auf das Ende des Tages...

Was aber, wenn sie diesen Teil einfach überspringen könnten? Wäre das Leben nicht viel einfacher, wenn man sein Bewusstsein auf dem Weg zur Arbeit einfach vor der Bürotür abgeben könnte? Das sind grundlegende Themen, die Apples Erfolgsserie Severance klären möchte.

Durch eine neue Technologie, bei der ein Computerchip in das Gehirn der Probanden eingesetzt wird, ermöglicht das Unternehmen Lumon Industries seinen Mitarbeitern zwischen zwei Bewusstseinsebenen zu wechseln. Außerhalb der Arbeitszeiten können die Angestellten auf alle Erinnerungen ihres früheren Lebens zurückgreifen - nur ihre Zeit in der Arbeit wird vollständig aus ihrem Gedächtnis gelöscht.

Für das Bewusstsein des arbeitenden Selbst verhält es sich genau andersherum. Dieser Teil kann sich nicht an die Stunden abseits der Arbeit oder an ein Leben vor Lumon erinnern - es existiert ausschließlich während der Bürozeiten. Zwei Existenzen innerhalb desselben Körpers, die dennoch vollständig voneinander getrennt sind.

Severance
Der Aufzug markiert die Grenze zwischen den Bewusstseinsebenen der Mitarbeiter.
© Apple

Worum geht es in Severance?

Marks S. ist eben so ein Angestellter von Lumon. Sein Arbeits-Ich ist freundlich zu seinen Kollegen, arbeitet fleißig, zuverlässig und ohne zu Murren. Als sein Freund und früherer Kollege Petey nicht mehr im Büro erscheint, wird Mark zum Abteilungsleiter befördert. In dieser Position fällt es Mark nun zu, die neue Kollegin Helly in ihre Arbeit einzuweisen.

Helly macht jedoch von Beginn an klar, dass sie nicht bei Lumon sein möchte und keineswegs vorhat, sich derart hörig in ihre Rolle zu fügen wie Mark. Weder Marks Vorgesetzte noch Hellys anderes Selbst interessieren sich jedoch besonders für die Wünsche von Arbeits-Helly.

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Dass es sich bei Lumon Industries nicht gerade um kein kleines, fürsorgliches Familienunternehmen handelt, wird nicht nur anhand der rigiden Maßnahmen deutlich, mit denen Helly bald auf Linie gebracht wird. Auch Marks Außen-Ich bekommt zunehmend Zweifel daran, ob die Entscheidung, sein Bewusstsein für die Hälfte des Tages abzuschalten und einem undurchsichtigen Konzern zur Verfügung zu stellen, tatsächlich die richtige war.

Spätestens als ein fremder Mann, der sich als sein früherer Kollege Petey vorstellt, mit Marks Außen-Ich Kontakt aufnimmt und ihm von beunruhigenden Zuständen bei Lumon berichtet, wird es für Mark immer schwieriger, seine Bewusstseinsspaltung vor seinem Umfeld und nicht zuletzt vor sich selbst zu rechtfertigen.

Severance
Mark S. ist frisch zum Abteilungsleiter befördert worden - seine Freude darüber hält sich aber in Grenzen.
© Apple

Wie gut ist Severance?

Der Einstieg in die Welt von "Severance" fällt als Zuschauer erstmal nicht ganz so leicht wie bei manch anderen Serien. Zum einen erfordert der nicht gerade unterkomplexe Aufbau der Bewusstseinstrennung mitsamt seinen zahlreichen Implikationen gleich zu Beginn ein gutes Maß an Fokus, zum anderen wartet "Severance" auch nicht unbedingt mit den größtmöglichen Schauwerten auf, die Hollywood zu bieten hat.

Während "Game of Thrones" oder "The Mandalorian" den Zuschauer mit epischen Sets und gigantischen Bildern in Atem halten, regiert bei "Severance" vornehmlich Tristesse. Die Arbeitswelt bei Lumon ist betont eintönig gehalten. Die kargen, weißen Wände bilden schnell das Symbol für die auf Effizienz getrimmte Arbeitswelt in der jede Form von Emotionalität und Abweichung von den Vorschriften bestraft wird.

Severance
Marks Team muss bald lernen, dass es noch weitere Abteilungen bei Lumon gibt.
© Apple

Könnte man bis hierhin meinen, "Severance" wäre nur eine deprimierende Büro-Dystopie, irrt man mit dieser Annahme aber gewaltig. Zum einen bricht die Apple-Serie den grauen Arbeitsrhythmus immer wieder durch ihren absurd-trockenen Humor, für den Regisseur und Comedy-Veteran Ben Stiller sicher wesentlich mitverantwortlich war, zum andern baut die Story nach kurzer Anlaufphase auch immer mehr Spannung auf.

Ist die erste Hürde des Einstiegs einmal geschafft, entwickelt sich "Severance" nicht nur zu einem hervorragenden Sci-Fi-Thriller, der nach und nach immer mehr Geheimnisse über seine oft beängstigende Zukunftswelt preisgibt, sondern schafft es dabei auf anspruchsvolle Art auch noch wesentliche Fragen über das Leben in einer Zivilisation zu stellen, in der technischer Fortschritt zwar immer mehr Möglichkeiten bietet, deren Umsetzung allerdings durchaus nicht immer auch ein besseres Leben zur Folge haben muss.

Severance Trailer deutsch

Quelle: Apple
Was wäre, wenn man sein Bewusstsein vor der Arbeit einfach an der Bürotür abgeben könnte?

Apple TV+ Severance: Fazit

Nein, "Severance" ist durchaus keine ganz einfache Unterhaltung, mit der man sich auf amüsante Art nebenbei Mal ein wenig berieseln lassen könnte. Apples Büro-Dystopie verlangt von seinen Zuschauern Aufmerksamkeit und die Reflexion zu komplexen Themen wie etwa dem Wert von Arbeit und der moralischen Bewertung technischen Fortschritts.

Wer bereit ist, sich mit "Severance" auf die Irrpfade durch das menschliche Bewusstsein zu machen, wird dann allerdings nicht nur mit intelligenten Fragen zu dem Leben in einer modernen Arbeitswelt konfrontiert, sondern auch mit einem überraschend emotionalen, teils absurd-lustigen, und vor allem extrem spannenden Sci-Fi-Thriller belohnt.

  • Wertung: 4,5/5 Sterne
  • Zu streamen bei: Apple TV+
  • Verfügbare Staffeln: 1
  • Anzahl der Folgen: 9
  • Start in Deutschland: 18. Februar 2022
  • Erstausstrahlung der letzten Folge: 8. April 2022
  • Showrunner: Dan Erickson
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