Ratgeber: Mißbrauch bei Abmahnungen im Wettbewerbsrecht
Das leidige Thema Abmahnung ist ein Dauerbrenner: Fast jeder ist in der einen oder anderen Form schon damit in Berührung gekommen. Missbrauchsfälle sind an der Tagesordnung.

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- Teil 2: Ratgeber: Mißbrauch bei Abmahnungen im Wettbewerbsrecht
Wenn es in Deutschland darum geht, Fehlverhalten von Mitbewerbern und dergleichen zu ahnden, ist die Abmahnung das Mittel der Wahl. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht einleuchten sollte - die Abmahnung ist nach einem form- und zumeist auch zwecklosen "Bitte unterlassen Sie das!"-Schreiben da...
Wenn es in Deutschland darum geht, Fehlverhalten von Mitbewerbern und dergleichen zu ahnden, ist die Abmahnung das Mittel der Wahl. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht einleuchten sollte - die Abmahnung ist nach einem form- und zumeist auch zwecklosen "Bitte unterlassen Sie das!"-Schreiben das zweitmildeste Werkzeug, um Wettbewerbsverstöße wirksam zu verfolgen. Gäbe es dieses Instrument nicht, bliebe im Prinzip nur der direkte Gang vor Gericht - der wiederum mit entsprechenden Mehrkosten verbunden ist.Die Erwägungen zur Rechtsmissbräuchlichkeit in diesem Beitrag beziehen sich allein auf das Feld des Wettbewerbsrechts. Denn zum Beispiel im Urheberrecht gibt es diesen Aspekt in der Form nicht.
Voraussetzungen
Auch wenn gerade im Hinblick auf rechtsmissbräuchliche Abmahnungen der - falsche - Eindruck entsteht, Rechtsanwälte könnten jeden einfach so abmahnen und mit entsprechenden Kosten überziehen, so entspricht dies nicht der Wahrheit. Anwälte können ohne entsprechendes Mandat höchstens Kollegen in eigenen Angelegenheiten abmahnen. Es bedarf also schon einer sogenannten Abmahnberechtigung, nicht jeder kann wahllos andere Personen abmahnen.
Darüber hinaus gibt es noch einige weitere Punkte, die bei Abmahnungen unbedingt zu beachten sind:
• Abmahnberechtigung: Als Faustregel gilt, dass grundsätzlich nur Konkurrenten und Verbraucherschutzorganisationen abmahnberechtigt sind, also gerade nicht Rechtsanwälte. Ob und inwieweit im Einzelfall ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliegt, ist stets genau zu prüfen. Um das zu können, muss der Abmahnende die Tatsachen für das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses darlegen und im Zweifel auch nachweisen. • Vorwürfe/Verstöße: Der Abmahner muss ebenfalls die Gründe für die Abmahnung ausführlich darlegen. Der Abgemahnte soll also die Möglichkeit haben, unmittelbar aus dem Abmahnschreiben zu erkennen, was er falsch gemacht hat. • Unterlassungserklärung: Um den Gang vor Gericht zu vermeiden, muss die sogenannte Wiederholungsgefahr ausgeräumt werden. Das funktioniert in aller Regel nur mittels Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafenklausel. Daher sind fast allen Abmahnschreiben bereits vorformulierte Unterlassungserklärungen beigefügt. Der größte Fehler wäre jedoch, diese einfach so zu unterschreiben. Hier kann und sollte ein Anwalt helfen, um diese Erklärungen so zu verändern, dass sie keine Fallen mehr enthalten, aber dennoch rechtsverbindlich bleiben. • Frist: Zur Abgabe der Unterlassungserklärung wird immer eine Frist gesetzt, ein bestimmter Zeitpunkt, bis zu dem die Erklärung beim Abmahner eingegangen sein muss. Ob diese Frist im Einzelfall angemessen oder unangemessen ist, kann letztlich auch nur vom Fachmann überprüft werden. Entscheidend ist jedoch, dass sie eingehalten wird, um gerichtliche Schritte zu vermeiden.
Massenabmahnungen
Es stellt sich also stets die Frage: Ab wann ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich? Denn ein Abmahnschreiben muss sich letztlich auch an gewissen Spielregeln und Grenzen orientieren. Allerdings ist die Anzahl der Gerichtsentscheidungen zu Abmahnmissbrauchsfällen inzwischen sehr stark gestiegen, sodass hier nur wichtige Rechtsprechung herausgegriffen werden kann.
In einem vergleichsweise aktuellen Urteil vom 24. März 2009 (Aktenzeichen: 4 U 211/08) hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden, dass bereits das Versenden von zwölf gleichartigen Abmahnschreiben rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein kann. Hingegen vertrat das OLG Frankfurt/Main mit Urteil vom 14. Dezember 2006 (Aktenzeichen: 6 U 129/06) die Auffassung, dass die Grenze zum Rechtsmissbrauch bei 200 Abmahnung noch nicht überschritten sei.
Natürlich lassen sich nicht alle Abmahnfälle über einen Kamm scheren, prinzipiell ist jeder Einzelfall zunächst einmal für sich zu betrachten. Allerdings ist auch der Kontext einer Abmahnung von Interesse, jedenfalls dann, wenn es nicht bloß einen Abgemahnten, sondern in gleich- oder ähnlich gelagerten Fällen noch andere Opfer gibt.
Die beiden zitierten Urteile zeigen, dass es nicht nur auf die reine Anzahl von gleichartigen Abmahnungen ankommt. Es ist vielmehr auf das Verhältnis der Umsatzzahlen der Abmahntätigkeit zur normalen Geschäftstätigkeit abzustellen. Wenn also, überspitzt formuliert, der Abmahner mehr Umsatz mit Abmahnschreiben als mit dem Verkauf von Waren generiert, sollten alle Warnlampen angehen. Eine gezielte Internetrecherche kann also nicht schaden - sondern ist ganz im Gegenteil hilfreich.