Warum werden beliebte Serien immer kürzer oder abgesetzt?
Mehr zum Thema: NetflixImmer mehr Serien werden gekürzt oder gleich ganz abgesetzt. Woran liegt das und welchen Einfluss haben Zuschauer auf die Streaming-Dienste?

Netflix, HBO, Hulu, Disney+, Prime Video - sie alle sind schuldig. Und auch die Fernsehsender haben es getan, schon häufiger als man denkt. Die Rede ist vom Absetzen beliebter Serien. Besonders heutzutage scheint es so, als hätten viele Produktionen ein allzu frühes Verfallsdatum. Archive 81, Cow...
Netflix, HBO, Hulu, Disney+, Prime Video - sie alle sind schuldig. Und auch die Fernsehsender haben es getan, schon häufiger als man denkt. Die Rede ist vom Absetzen beliebter Serien.
Besonders heutzutage scheint es so, als hätten viele Produktionen ein allzu frühes Verfallsdatum. Archive 81, Cowboy Bebop, First Kill und so weiter. Um nur mal ein paar aktuelle Beispiele zu nennen.
Diese Kandidaten haben es gerade mal auf eine Staffel geschafft. Und bei einigen Serien, beispielsweise aus dem Hause Marvel oder Star Wars, ist von Anfang an nur eine Staffel geplant. Mehr Zeit nimmt man sich für die Geschichten nicht mehr.
Doch warum ist das so? Warum werden Serien heutzutage immer kürzer? Oder werden plötzlich abgesetzt? Wird es immer so weitergehen oder bekommen wir irgendwann wieder mehr Episoden unserer liebsten Shows? Das und mehr wollen wir hier beantworten.
Die häufigsten Gründe im Schnelldurchlauf
Schaut man sich die Gründe für das Absetzen oder Limitieren einiger Serien an, dann fallen einige Gemeinsamkeiten auf. Hier ein Auszug aus den wichtigsten Punkten, auf die wir im Anschluss genauer eingehen werden:
- Streaming statt TV
- Zeitmangel
- Geldmangel
- Fan-Interesse
- Aufmerksamkeitsspanne
- Überangebot an neuen Inhalten
Grund 1: Gemacht für Streaming statt TV
Früher war nicht unbedingt alles besser. Das möchten wir an dieser Stelle vorweg nehmen. Doch es war definitiv anders. Denn wer noch vor etwa zehn Jahren gerne Serien geschaut hat, der saß meistens vor dem Fernseher und hat die Sender eingeschaltet, die regelmäßig neues Serien-Futter brachten.
Dort liefen beispielsweise die beliebten Sitcoms wie Scrubs, How I Met Your Mother, Two and a Half Men, Big Bang Theory oder Friends. Teilweise kamen diese Serien auf bis zu zehn Staffeln, die Fans über Jahre hinweg begleitet haben.
Mittlerweile begibt man sich für Serien eher auf Streamingdienste. Denn Netflix, Prime, Sky und Co. haben in der Regel alle Inhalte zuerst. Und wer möchte schon lange warten, um die nächste Staffel zu sehen, wenn man sie jetzt schon haben kann?
Das Problem hierbei ist, dass Streamingdienste den Erfolg von Serien ganz anders bewerten. Im Gegensatz zu TV-Sendern kaufen sie die Serien nicht ein (oder produzieren sie selbst im Fall von Originals), um gewisse Einschaltquoten zu halten oder Werbeplätze zu verkaufen. Zumindest vor der Einführung von werbebasierten Abos ...
Beim Streaming geht es vielmehr darum, immer mehr neue Abos zu generieren und durch die Gebühren Geld zu verdienen. Natürlich kann man Neukunden auch durch die achte oder neunte Staffel einer Serie anlocken, doch in der Regel liegt der größere Reiz in neuen, exklusiven Inhalten, die alles bisherige übertreffen sollen.
Aktuell sieht man aber leider allzu häufig, dass Streamingdienste damit auf die Nase fallen. Anstatt sich wirklich Gedanken zu machen, was die Fans sich wünschen, werden Serien schnell wieder abgesetzt, bevor sie eine echte Chance haben. Denn es muss immer weitergehen und auf zum nächsten Trend, der gerade aufkeimt.
Grund 2: Zu wenig Zeit für lange Produktionen
Damit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt. Denn für die Produktion von Serien wird sich immer weniger Zeit genommen, um möglichst jeden aktuellen Trend aufzugreifen. Egal ob Reality-TV, LGBT-freundliche Inhalte oder Serien über Kuchen, die wie echte Objekte aussehen: Es muss immer das her, was gerade dem "Zeitgeist" entspricht. Aber der ändert sich dank Social Media täglich.
Eine Serien-Produktion kann mit diesem Tempo gar nicht mithalten. Erst einmal müssen Produktionspläne erstellt, Drehbücher geschrieben, Darsteller gecastet und Effekte erstellt werden. Geschweige denn von der tatsächlichen Drehzeit, die vor allem dank Pandemien gerne mal in die Länge gezogen wird.
Was folgt, sind neue Serien oder Staffeln, die innerhalb von weniger als zwei, manchmal sogar nur innerhalb eines Jahres produziert werden. Mit entsprechend wenigen Episoden, denn wo früher mal über 20 Folgen gang und gebe waren, kriegt man heute eher acht bis 12 Episoden pro Staffel. Wenn man Glück hat.
Das hat natürlich auch mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer zu tun. In der Übergangsphase wurden etwa Staffeln in zwei Teile geteilt, meist mit beispielsweise "Staffel 3A und 3B" betitelt. Dann konnte man das Mid-Season Finale noch lukrativer anteasern, damit das Interesse in der Mitte nicht zu sehr abfällt und Fans der Serie auch für den Rest zurückkommen.
Und dennoch beschweren sich immer mehr Fans, dass ihre liebsten Serien zu wenige Episoden erhalten, zu früh abgesetzt werden oder in der Qualität schwanken, weil man sich einfach nicht mehr genug Zeit dafür nehmen kann. Oder vielleicht auch möchte. Liegt das nur am Geld, oder gibt es auch andere Gründe?
Grund 3: Zu wenig Geld für Fortsetzungen
Jaja, das liebe Geld. Eine Faustregel besagt, dass insbesondere Netflix viele Serien spätestens nach der dritten Staffel absetzt. Warum? Weil sie ab diesem Zeitpunkt nicht genügend Abo-Zahlen generieren. Ergo sind sie nicht lukrativ genug.
Serien-Produktionen sind teuer, so viel ist klar. Und die Kosten steigen immens an. Während früher eine Staffel noch relativ günstig in der Produktion war, steigen heutzutage sowohl die Gagen der Darsteller als auch die Ausgaben für die Crew an sich. Allein die erste Staffel von "Die Ringe der Macht" soll schon 250 Millionen Dollar gekostet haben - das ist geradezu astronomisch hoch!
Doch wenn die Platzhirsche Netflix, Disney+ und Prime regelmäßig verkünden, wie viele Millionen oder gar Milliarden sie in die Produktion neuer Inhalte stecken wollen, dann fragt man sich doch manchmal, wohin sie mit all dem Geld gehen. In sinnvolle Fortsetzungen scheint es jedenfalls nicht immer investiert zu werden. Und das ist sehr schade.
Grund 4: Zu wenig Interesse der Fans?
Hinter diesen Grund setzten wir bewusst ein Fragezeichen. Denn natürlich hört kein Streamingdienst es gerne, dass sie allein Schuld an der Misere sind. Ihren Aussagen zufolge haben die Fans oft zu wenig Interesse gezeigt, zu wenig geschaut und geklickt und auf Social Media darüber gepostet, was zur Absetzung geführt hat.
In einem Interview mit Bloomberg sagten die beiden CEOs von Netflix etwa, dass sie bisher keine erfolgreiche Serie abgesetzt hätten. Mangelndes Interesse wäre an sich auch kein schlechter Grund - Schließlich möchte man sich am Markt und der Nachfrage orientieren, das ist nur logisch. Doch warum gibt es dann nach so vielen abgesetzten Serien einen Aufschrei in der Community, die sehr wohl Interesse an einer Fortsetzung hatte?
Man nehme beispielsweise den Fall Lucifer. Hier sollte die Serie bereits nach wenigen Staffeln beendet werden - sehr zum Unmut der Fans. Nach der Ankündigungen wurden daher Aufrufe, Petitionen und Kampagnen gestartet, um der Serie doch noch eine weitere Staffel und damit ein würdiges Ende zu bescheren. Denn das ist alles, was die meisten sich wünschen!
In diesem Fall waren die Fans erfolgreich und bekamen eine weitere Staffel, die Lucifer endlich einen krönenden Abschluss bescherte. Doch nicht in jedem Fall geht es so gut aus, oft werden die Wünsche nicht erhört oder gar als Gemecker abgetan. Manchmal wird immerhin ein abschließender Film nachgeliefert, wie im Fall von Sense 8 oder Peaky Blinders. Aber in der Regel bedeutet die Absetzung auch das Ende der Geschichte.
Grund 5: Kürzere Aufmerksamkeitsspanne
Zugegeben, man kann es wirklich nicht jedem Recht machen. Und das gilt wohl auch für Streaming-Dienste, insbesondere wenn sie Inhalte für alle Arten von Personen und Interessen anbieten wollen. Da kann es durchaus dazu kommen, dass einige Themen weniger Aufmerksamkeit bekommen als andere.
Doch auch die Aufmerksamkeitsspanne bei den Zuschauern sinkt. Während man früher noch etwa eine ganze Folge am Stück schauen konnte, ohne sich mit etwas anderem zu beschäftigen, wurden es bald nur noch 20 Minuten. Mittlerweile wird es dank TikTok oder Shorts sicherlich noch weniger sein, oder man konsumiert Serien gleich als Second-Screen-Erlebnis mit dem Smartphone in der Hand.
Das allein hat natürlich keinen Einfluss auf die Aufrufzahlen, denn im Hintergrund läuft die Serie ja weiter - solange man nicht abschaltet, sobald es doch zu langweilig wird. Dennoch ist es ein Umstand, der dazu beiträgt, dass der Wert von Serien immer geringer gehandelt wird. Und das, obwohl die Streamingdienste doch in ihrer Anfangsphase das Binge-Watching etabliert haben, wo man sich am Stück auf eine Serie eingelassen hat.
Sind diese Zeiten jetzt vorbei? Nicht ganz. Denn das Blatt kann sich hier immer noch wenden. Aufmerksamkeit kann man erlernen, inbesondere wenn man qualitativ hochwertige Inhalte präsentiert bekommt. Doch hierzu müssten sich auch die Streamingdienste darauf einlassen, ihren Produktionen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Andersherum muss man sich aber auch die Zeit nehmen, Serien auch zu Ende zu schauen. Denn offenbar ist für viele Streaming-Anbieter nicht nur die generelle Aufrufzahl, sondern auch die Completion Rate einer Serie wichtig, wie ein Forbes Artikel zeigte. Also der Anteil der Menschen, die die jeweilige Serie bis zur letzten Folge schaut. Daran gemessen wurden bereits Serien wie augenscheinlich beliebte Serien wie 1899 oder First Kill kurzerhand abgesetzt.
Grund 6: Überangebot an neuen Inhalten
Leider ist es am Ende nicht so einfach. Denn aktuell sieht es so aus, als würde der Trend zum Überangebot auf Streamingplattformen nicht enden. Wöchentlich erscheinen so viele neue Inhalte auf Netflix und co, dass man kaum den Überblick behalten kann (zumindest dann, wenn man keine praktischen Listen von gewissen Webseiten bekommt).
Was folgt, ist eine Übersättigung des Markts. Insbesondere dann, wenn Serien-Fans mehrere Plattformen benötigen, um ihre Lieblingsshows zu verfolgen. Wer soll dann noch alles schauen, was so erscheint? Allein als Marvel- oder Star Wars Fan ist man aktuell so gut bedient, dass kaum Zeit für etwas anderes bleibt.
Dabei wird man den Gedanken irgendwie nicht los, dass Serienschauen mittlerweile fast nur noch Beschäftigungstherapie geworden ist. Bekomme ich hier wirklich eine qualitativ hochwertige Serie mit spannender Story? Oder ist es am Ende nur Content, der die Plattform befüllen und Abonnenten bei der Stange halten soll, damit sie nicht kündigen und noch einen Monat länger bleiben?
Wir wollen hier natürlich nicht unterstellen, dass nur das der Grund ist. Und doch bleibt der fade Beigeschmack, wenn man sich die neuen Releases jeden Monat so ansieht. Und sich dabei unweigerlich fragt, wie lange die neue Serie dieses Mal durchhalten wird und überhaupt eine zweite Staffel bekommt ...