Wie Apps Flüchtlingen helfen sollen
Orientierungslose Flüchtlinge und überforderte Stadtverwaltungen behelfen sich mit Smartphone- und Web-Apps. Wir zeigen Beispiele.

Flüchtlinge sind eine neue Realität in Deutschland. Diese Realität kann man als Krise bezeichnen, dagegen protestieren – oder sie aktiv mitgestalten. Zu Letzterem haben sich viele engagierte Bürger und Kommunen entschieden und deshalb digitale Hilfen für Flüchtlin...
Flüchtlinge sind eine neue Realität in Deutschland. Diese Realität kann man als Krise bezeichnen, dagegen protestieren – oder sie aktiv mitgestalten. Zu Letzterem haben sich viele engagierte Bürger und Kommunen entschieden und deshalb digitale Hilfen für Flüchtlinge entwickelt. Mit speziellen Applikationen für Webseiten und Smartphones heißen sie die Flüchtlinge in Deutschland willkommen und bieten ihnen praktische Hilfe für den Alltag.
Über diese Apps finden Flüchtlinge wichtige Informationen für ihre erste Zeit in Deutschland: vom Asylverfahren über die Jobsuche bis hin zum Arztbesuch. Für Astrid Raith von der Stadt Witten war klar, dass die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft vor allem eines brauchen – Informationen in ihrer Muttersprache: „Natürlich fehlt es bei uns vor Ort an verständlichen Informationen und an Hinweisen in der Muttersprache von Asylbewerbern, die Neuankömmlingen wenigstens die ersten Schritte im neuen Land erleichtern.“
Genau diese Lücke füllen die Applikationen für Smartphones und Webseiten. Sie bieten Flüchtlingen eine erste Orientierungshilfe. Andere Anwendungen unterstützen Flüchtlinge gezielt bei der Jobsuche.
Willkommen in Dresden
Die Dresdner Welcome App war eine der ersten Smartphone-Apps, die speziell mit und für Flüchtlinge gelauncht wurde. Ziel war es, angekommene Flüchtlinge in Dresden willkommen zu heißen. Über Welcome to Dresden finden Neuankömmlinge erste Hilfe in folgenden Kategorien: Beratung, Asyl, Alltag und Hilfe. So können Flüchtlinge in bisher fünf Sprachen gezielt nach Ärzten, Busverbindungen oder Informationen zum Asylverfahren suchen.
Die App ist modular aufgebaut, das heißt, auch andere deutsche Städte können die Welcome App übernehmen. Der Hersteller verhandelt aktuell mit fünfzig Städten und Landkreisen.

Interaktiv in Witten
Auch der Witten City Guide bietet als Stadt-App Informationen auf einer interaktiven Landkarte in vier Sprachen. Der Witten City Guide ist als App für Bürger und Touristen entstanden, wurde dann aber von der Stadt speziell für Flüchtlinge erweitert. Die App bietet Informationstexte sowie GPS-gesteuerte Info-Landkarten. Flüchtlinge können außerdem über das kostenlose WLAN-Netz der Stadt jederzeit auf die App zugreifen. Die Landkarte der App ist aber derzeit noch recht spärlich besetzt. Hilfreich wäre auch eine allgemeine Übersichtskarte mit allen Informationspunkten.
Ein weiteres Problem ist die statische Sprachauswahl, die nach dem Download nicht mehr geändert werden kann. Die aktuellen Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch) entsprechen auch nicht den Muttersprachen der meisten Flüchtlinge. Ab dem 25. Oktober geht deshalb die neue Plattform www.welcome2witten.de online, die dann die Flüchtlings-Funktion der App ersetzen und verbessern will.
App gegen Pegida
Interaktive Landkarten als Webseiten bieten auch die Seiten der Dresdner Afeefa (kurz für: Alle für einen und einer für alle) sowie der InfoCompass Berlin. Afeefa entstand zunächst als Gegenbewegung zu Pegida. Mittlerweile sind engagierte Bürger, Organisationen, die Stadt Dresden sowie Flüchtlinge über Afeefa vernetzt. Ähnlich war es auch bei InfoCompass Berlin. Berliner Bürger aus dem Stadtteil Reinickendorf wollten den ankommenden Flüchtlingen vor Ort helfen.

Das Ergebnis sind zwei interaktive Online-Stadtpläne mit vielen praktischen Informationen für Flüchtlinge. Bei Afeefa können Nutzer Informationen in die Karte einspeisen oder abrufen. Flüchtlinge können nicht nur direkt erkennen, wo etwa die nächste Moschee ist oder wo sie einkaufen können, es werden auch direkte Fragen zum Asylantrag beantwortet. Afeefa bietet darüber hinaus auch Informationen zu kulturellen Veranstaltungen sowie eine Tauschbörse. Eine einfache Suchfunktion für die Seite fehlt derzeit noch, daran arbeiten die Programmierer aber aktuell.
Die Webseite von InfoCompass Berlin wiederum zeigt Stadtpläne von Berlin-Reinickendorf und -Westend. Auf diesen Plänen finden Flüchtlinge Markierungen sowie Erläuterungen zu Sprachschulen, Kitas oder psychologischer Betreuung in sechs Sprachen sowie die InfoPoints von InfoCompass Berlin. Engagierte Bürger verteilen von hier aus dreimal pro Woche Informationen für Flüchtlinge und stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Beide Webseiten zeichnen sich dadurch aus, dass Flüchtlinge, Bürger, Organisationen und die Kommunen direkt miteinander in Kontakt kommen. Bisher wird die Seite von Afeefa allerdings hauptsächlich von Deutschen und kaum von Flüchtlingen genutzt, und den InfoCompass Berlin gibt es bisher nur für die beiden Stadtteile Reinickendorf und Westend.
Per App in den Job
Einen ganz anderen Weg gehen die schwedische App SelfieJobs und die Webseite Workeer. Sie konzentrieren sich darauf, Flüchtlinge so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. SelfieJobs gibt es in verschiedenen europäischen Städten, darunter auch München und Berlin.
Jobsuchende erstellen bei SelfieJobs ein Profil, laden ihren Lebenslauf hoch und stellen sich mit einem Bewerbungsvideo vor. Arbeitgeber wählen dann die Bewerber wie bei der Dating-App Tinder aus: Kandidaten, die ihnen gefallen, werden nach rechts gewischt, Kandidaten, die ausscheiden, nach links.

SelfieJob-Erfinder Martin Tall möchte diese App nun für Flüchtlinge erweitern und einen Übersetzungsmechanismus für Lebensläufe (AutoCV) einbauen. Mit der neuen Übersetzungsfunktion werden sowohl Flüchtlinge als auch Arbeitgeber die Möglichkeit haben, sich die Jobangebote und Lebensläufe in ihre Muttersprache übersetzen zu lassen. Da Job-Kandidaten aber vornehmlich nach ihrem Aussehen bewertet werden, könnte dies gerade für Migranten gratisein Nachteil sein. AutoCV geht im Dezember 2015 an den Start.
Workeer dagegen ist eine klassisch aufgebaute Online-Plattform für die Job- und Ausbildungssuche, speziell für Flüchtlinge in Deutschland.
Insgesamt kommen die Apps und Webseiten für Flüchtlinge mit guten Ideen daher, die meisten stecken aber noch in den Kinderschuhen mit anfänglichen technischen Pannen. Hier wird die Zeit sicherlich zeigen, welche Apps sich durchsetzen können. Eins ist aber bei allen noch absolute Mangelware: Feedback von den Flüchtlingen.