Surround-Verfahren
Surround-Sound im Auto mit Quantum Logic
Im Ferrari FF sorgt das neue Quantum Logic für ein Surround-Erlebnis. Wir haben die Hörstudios von Harman Automotive besucht, wo das System entwickelt wurde.

Mit Innovationen aus Maranello mischt man gewöhnlich die Formel-1-Weltmeisterschaft oder die internationale Sportwagenkonkurrenz auf. Aber dass sich die Ferrari-Zentrale eines Tages als Epizentrum eines möglichen neuen Audio-Trends erweisen würde, war eher nicht zu erwarten.
Doch dann präsentierten die Italiener in England gemeinsam mit Harman Automotive einen Gran-Turismo-Viersitzer mit einem Hi-Fi-System von JBL Pro, das nicht nur in Sachen Watt die Konkurrenz abhängt, sondern mit Quantum Logic ein vollkommen neues Surround-Verfahren auffährt.
Damit lässt sich das Klangpanorama auf Knopfdruck so verändern, dass sich die Insassen mitten im Orchestergraben wähnen. Wir hatten leider nur im Stand Gelegenheit, dem Boliden "auf den Zahnriemen zu fühlen". Der Effekt von Quantum Logic beeindruckte, auch wenn es nicht jedermanns Sache ist, zwischen den Instrumenten zu sitzen. Während die Klangkörper deutlich an Umfang und Substanz gewannen, blieb der übliche künstliche Beigeschmack solcher Sound-Effekte diesmal aus.
Besuch bei Harman Automotive
Nach der vielversprechenden Premiere im Ferrari war unser Interesse an Quantum Logic geweckt und wir bekamen Gelegenheit, exklusiv bei Harman Automotive in Karlsbad bei Pforzheim hinter die Kulissen zu schauen.
In dem riesigen Firmenkomplex, der nach der Übernahme der legendären Autoradio-Bauer von Becker im großen Stil erweitert wurde, betreibt Harman zahlreiche aufwendig ausgestattete Hörstudios mit großen Leinwänden, Surround-Systemen und einer Akustik, die nach gewissen Normen so optimiert wurde, dass die Ingenieure in Deutschland und den USA bestimmte Klangergebnisse unter identischen Bedingungen nachvollziehen können.
Soundanpassung im Ferrari
Auf deutscher Seite wurde das Projekt maßgeblich von Arndt Hensgens begleitet, unter dessen Leitung auch der Ferrari FF zum fliegenden Klangstudio hochgezüchtet wurde. Die Basisarbeit wurde in Heilbronn geleistet, doch das Soundsystem musste sich auch unter Extrembedingungen bewähren.
Der Ingenieur erinnert sich schwärmerisch an die Abstimmungsfahrten auf der Ferrari-Hausrennstrecke in Maranello: "Da saßen wir Audio-Entwickler mit dem Laptop neben beziehungsweise hinter dem Testfahrer, der dem Auto richtig die Sporen gab, und versuchten, die Anlage selbst an härteste Einsatzbedingungen anzupassen."
Ein eindrucksvolles Setup im Hörstudio
Man muss nicht unbedingt im Tiefflug über eine Rennstrecke fegen, um Gefallen an Quantum Logic zu finden. Im Karlsbader Studio lenkte uns rein gar nichts von der neuen Surround-Lösung ab, deren Basis-Technologie laut ihres Erfinders, Dr. Gil Soulodre, den wir in München trafen, sogar für Noise-Cancelling-Lösungen in Militärhubschraubern geeignet ist.

In seinem, mit dem Pendant bei Harman in Amerika gematchten Referenzraum kann Hensgens auf ein "7.5.4-Setup" zurückgreifen. Die Zahl 7 steht für sieben JBL LSR6332-Profiboxen, die von einer 7-Kanal-Endstufe Lexicon LX7 angetrieben werden. Die 5 steht für fünf "Höhenlautsprecher" JBL Control 5, angetrieben von einer Lexicon DD8.
Für den Bassbereich nutzt Harman vier mächtige Aktiv-Subwoofer des Typs JBL HB5000, die als Array die Raummoden des akustisch bedämpften Hörstudios gezielt ausgleichen. Die Lautsprecher wurden zudem entzerrt von einem frei konfigurierbaren Signal-Prozessor BSS BLU80 (auch diese Marke aus dem Profibereich gehört zum Harman-Imperium). Die Ansteuerung erfordert drei weitere BSS BLU32-Prozessoren.
Die ganze Elektronik steckt in einem Stahlschrank auf dem Flur. So konnte nicht mal ein Lüfterrauschen den Genuss der mit Spannung erwarteten neuen Technologie stören. Um zu beweisen, dass ihr neues Verfahren nicht unter den Phaseneinflüssen, die bei der Komprimierung von MP3- oder AAC-Audiosignalen entstehen, leidet, diente ein PC mit der Musik-Software iTunes als einzige Quelle.
Schon die gewöhnliche Stereo-Wiedergabe gefiel. Die auf glatten Frequenzgang entzerrten Profiboxen legten im Vergleich zu einer gewöhnlichen Hi-Fi-Anlage los wie ein Ferrari, der einen Golf GTI an der Ampel in die Schranken verweist. Die Dynamik lag ungeachtet der mageren MP3-Kost näher an einer Live-Band-Perfomance als an einer gewöhnlichen CD-Wiedergabe. Bass Drums besaßen ungeheuren Punch, die Gitarren spielten ungestüm und nach oben völlig frei, die Stimmen wirkten kraftvoll und ausgeglichen. Das Timing zog einen in seinen Bann.

Quantum Logic per Mausklick
Und dann geschah es: Arndt Hensgens klickte mit der Maus auf einem Kontrollfeld Quantum Logic an. Schlagartig umhüllte einen die Musik von allen Seiten. Dabei wirkte die Wiedergabe weder künstlich noch diffus. Die Hörbühne blieb erhalten, die Instrumente franzten nicht aus, sondern bewahrten ihre Kontur. Dann schaltete Hensgens auf die nächste Evolutionsstufe, die demnächst in Autos der Oberklasse für unnachahmliches Konzert-Feeling sorgen soll: Quantum Logic 3D. Nun tauchte man ganz in die Musik ein.
Nicht nur von hinten, vorne und von der Seite. Auch oben passierte etwas. Der imaginäre Hörraum wuchs deutlich in die Höhe. Die Ausdehnung der Abbildung nach oben gelingt zwar auch aktuellen Raum-Expansionsverfahren wie Dolby Pro Logic IIz oder Audyssey DSX, doch leiden darunter die Präzision und je nach System auch die Tonalität und Sauberkeit der Wiedergabe.
Anders beim neuen Quantum Logic 3D: Hier blieben die Konturen der Instrumente erhalten, während sie sozusagen maßstabsgetreu hochskaliert wurden. Songs mit Klangeffekten wie etwa Donnerhall gewannen an Realismus, weil sich das Ganze über den Köpfen abspielte.
Quantum Logic gegen andere Raumklangverfahren
Ansonsten waren die Unterschiede eher subtil. Kein übertriebener, aufgesetzt wirkender Hall verwässerte Gesangsstimmen - ein Effekt, der bei DSP-Raumklangverfahren ganz schön das Ergebnis verhageln kann. Quantum Logic ist eher so etwas wie eine Biolösung zur Erweiterung des Raumeindrucks. Seine Väter sehen darin sogar erhebliche Vorteile gegenüber einem anderen, gerade im Laborstadium befindlichen Verfahren: der Wellenfeldsynthese.
Zwar lassen sich auch mit dem von der Universität Delft in den Niederlanden entdeckten, vom Fraunhofer-Institut in Illmenau vorangetriebenen Verfahren beindruckende Ergebnisse erzielen. Doch bei Harman sieht man die große Zahl der dazu erforderlichen Lautsprecher-Chassis und Endstufenkanäle als Problem an - vor allem bei der praktischen Umsetzung für Surround-Lösungen im Auto.
Dennoch sollen schon bald die ersten Wagen mit Quantum Logic 3D auf den Markt kommen. Gegenüber der Standardversion kommen bei 3D zusätzliche "Höhenlautsprecher" im Fahrzeughimmel vor.
Nach unserer Studiodemo zu urteilen, bei der leider keine Filmbeispiele vorlagen - Quantum Logic funktioniert prinzipiell auch in Verbindung mit mehrkanaligem Input - dürfte diese Neuerung Fahrzeuglenker direkt in den siebten Surround-Himmel hieven. Bis dahin sind hoffentlich die Fahrzeug-Assistenzsysteme so weit, dass sie den Wagen allein sicher auf dem Boden halten können.