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Hintergrund

Sind Gamer die aggressiveren Menschen?

Die Debatte über digitale Spiele bleibt kontrovers. Für die einen ist klar: Shooter machen aggressiv. Andere bezweifeln länger anhaltende Wirkungen.

Autor: Thomas Lang • 2.2.2012 • ca. 2:20 Min

Sind Gamer die aggressiveren Menschen?
Sind Gamer die aggressiveren Menschen?
© Hersteller, Archiv
Inhalt
  1. Sind Gamer die aggressiveren Menschen?
  2. Interview Johannes Breuer

Ein Mann fährt auf eine Insel. Er hat Gewehr und Pistole dabei. Er beginnt zu schießen. In weniger als zwei Stunden tötet er 80 Menschen, die sich auf der Insel befinden. Wir kennen die Situation vom grausamen Massaker eines Einzelnen letzten Sommer in Norwegen. Vorstellbar wäre sie auch als Sze...

Ein Mann fährt auf eine Insel. Er hat Gewehr und Pistole dabei. Er beginnt zu schießen. In weniger als zwei Stunden tötet er 80 Menschen, die sich auf der Insel befinden. Wir kennen die Situation vom grausamen Massaker eines Einzelnen letzten Sommer in Norwegen. Vorstellbar wäre sie auch als Szene in einem grausamen Shooter, von der Wehrlosigkeit der Opfer vielleicht abgesehen. Machen gewalthaltige Spiele ihre Nutzer zu besinnungslosen Killern?

Die Diskussion über diese Spiele ist so alt wie die Spiele selbst. Schaut man zurück, entlockt einem manche Indizierung von Games aus den Achtzigern ein ungläubiges Lächeln. Der Umgang mit digitalen Spielen ist für inzwischen 17,6 Millionen Menschen über 14 allein in Deutschland selbstverständlich, die Wahrnehmung eine ganz andere, von der technischen Entwicklung zu schweigen.

Castle of Wolfenstein, games
"Halt! Kommen Sie! Ausweis!" Wegen seines Nazi-Szenarios kam der frühe Shooter Castle of Wolfenstein (1984) auf den Index.
© Hersteller/Archiv

Der Spiel-Reiz von Shootern liegt nach wie vor darin, in einer virtuell gefährlichen Situation die Kontrolle zu gewinnen. Dabei muss der Gamer kämpfen oder fliehen. Das Ausschalten von Gegnern wird belohnt. Eine Hierarchie mit mehreren Ebenen gibt ihm das Gefühl weiterzukommen, erfolgreich zu sein.

Erfolgreich bedeutet: reaktionsschnell und zum Töten bereit. Alles auf Bit-Ebene, versteht sich. Die grafischen Oberflächen der Spiele werden immer realistischer und filmischer, häufig sind sie an Konflikte in der realen Welt angelehnt. Und es fließt reichlich virtuelles Blut.

Mit den Auswirkungen solcher Spiele auf ihre Nutzer beschäftigen sich seit den 80er-Jahren zahlreiche wissenschaftliche Studien. Der amerikanische Psychologe Craig Anderson hat 2010 über hundert dieser Studien in einer großen Metaanalyse zusammengefasst. Sein Ergebnis war eindeutig: Games mit gewalttätigem Inhalt fördern aggressives Denken und aggressive Affekte.

Vermeintlicher Schluss-Strich

Spiele, so Anderson, können ein Faktor in einer komplexen Reihe von Faktoren wie Armut oder erbliche Veranlagung darstellen, die aggressives Verhalten begünstigen. Spielen allein führt nicht nachweislich zu unsozialem Verhalten. Trotzdem jubelte ein Teil der Wissenschaft und sah die Debatte um die schädliche Wirkung von Spielen als beendet an.

Andere, wie die Forscher der Universität Hohenheim, betonen den kurzzeitigen Charakter der in vielen Studien gemessenen Effekte (siehe Interview). Ob und wie z.B. Shooter langfristig auf ihre Nutzer wirken, bleibe nach wie vor unklar. Eine groß angelegte Studie, The Social Foundations of Online Gaming (SOFOGA), soll die Langzeiteffekte des Spielens von digitalen Spielen besser ausleuchten.

Die Forscher wollen mithilfe von Avataren Spieler innerhalb ihrer Spielwelten langfristig beobachten. Außerdem gibt es regelmäßige Befragungen von mehreren Zehntausend Personen zu ihrem Verhalten vor allem beim Multiplayer- und Online-Gaming.

Suche nach Aufmerksamkeit

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Filmische Grafik, wirklichkeitsnahes Szenario. Heutige Shooter wollen oft nah am richtigen Leben sein.
© Hersteller/Archiv

Wer sich die unterschiedlichen Positionen anschaut, bekommt leicht den Eindruck, dass die wahre Schlacht akademisch geführt wird. Ein regelrechter Kampf ist im Gang zwischen Gegnern und Befürwortern gewalthaltiger Spiele.

Auch Wissenschaftler sind häufig genötigt, eine gewisse Aufmerksamkeit zu erregen, damit Forschungsgelder weiter fließen. Aber besonders Politiker und auch die Informationsmedien stehen hier in der Kritik. Bei Gräueltaten wie der von Norwegen oder Amokläufen an Schulen sind sie schnell mit Erklärungen bei der Hand, die das komplexe System der menschlichen Psyche letztlich ignorieren.

Die gesellschaftliche Debatte über gewalthaltige Spiel scheint aber nach wie vor sinnvoll. Sie muss nicht der Inkriminierung einer bestimmten Gruppe von Gamern dienen. Vielmehr sollte sie dazu führen, die abgeschottet anmutende Welt der Online-, PC- und Konsolen-Gamer transparenter zu machen und Ängste abzubauen.