Interview Johannes Breuer
- Sind Gamer die aggressiveren Menschen?
- Interview Johannes Breuer
Zeig her deine Zähne ...
Zeig her deine Zähne

In der Debatte um Auswirkungen gewalthaltiger Spiele taucht oft das Wort Aggression auf. Was meinen Wissenschaftler damit? Häufig messen sie Aggressivität über Veränderungen in der Kognition, Emotion und im Verhalten (general aggression model). Zur Kognition wird meist die Haltung der Probanden zu Gewalt als Mittel der Konfliktlösung abgefragt, auch die politische Einstellung.
Über ihre Emotionen geben die Testpersonen ebenso selbst Auskunft, indem sie beschreiben, wie sie sich vor und nach dem Spielen fühlen. Außerdem fließen z.B. Messungen von Puls und Schweißdrüsenaktivität ein.
Um das Verhalten Erwachsener zu beurteilen, nutzen Wissenschaftler häufig den competitive reaction time test. Die Test-Teilnehmer spielen Reaktionszeitspiele gegen einen fiktiven Gegner. Verliert dieser, bestrafen sie ihn durch einen unangenehmen Ton. Lautstärke und Dauer dürfen die Sieger bestimmen. Je härter die Strafe, desto höher die Aggression.
Andere Studien beschäftigen sich mit so genannten Selektionseffekten - die Frage, ob aggressivere Personen gewalthaltigere Spiele bevorzugen. Diese Studien deuten auf eine Negativspirale hin: Aggressivere Personen bevorzugen gewalthaltigere Spiele. Ihre Aggressivität wird dadurch wenn nicht vergrößert, so doch auch nicht verringert. Die Frage, was genau ihre Erregung oder Aggression auslöst - die Anforderungen eines Spiels, seine Inhalte, Siege oder Niederlagen - gilt als nicht hinreichend erforscht.
Interview Johannes Breuer

PCM: Herr Breuer, die große Studie von Craig Anderson aus dem letzten Jahr sieht eine eindeutig aggressionsfördernde Wirkung von gewalthaltigen Computerspielen. Ist die Zeit der Spekulationen vorbei?
Breuer: Es gibt nach wie vor eine Debatte. Christopher Ferguson etwa präsentiert dagegen eine Studie, in der er zeigt, dass die Zahl der Gewaltstraftaten in den USA sinkt, während die Verkaufszahlen von Computerspielen steigen. Es gibt da sehr pointierte Positionen. Die Effektstärken, also die messbaren Auswirkungen, die sich in Andersons Metaanalyse zeigen, sind nicht so groß und beziehen sich meist auf Kurzzeiteffekte.
PCM: Sind Menschen, die das aggressionsfördernde Potenzial von solchen Spielen abstreiten, Lobbyisten der Elektronikindustrie?
Breuer: In den meisten Fällen ist davon nicht auszugehen. Problematisch sind zu enge Kooperationen zwischen Industrie und Forschung. Aber an den meisten deutschen Unis ist die Forschung unabhängig. Den Lobbyismus-Vorwurf kann man übrigens auch auf der anderen Seite vorbringen. Wer nach Verboten und Regelungen ruft, ist oft mit der Politik verflochten. Es gibt einen gewissen politischen Aktionismus, den Hebel anzusetzen, wo man ihn leicht ansetzen kann, nämlich bei den Medien, in diesem Fall digitalen Spielen.
PCM: Anderson sagt, dass Spieler von gewalthaltigen Games aggressiver denken und dass ihr prosoziales Verhalten abnimmt. Muss ich befürchten, dass jemand, der jahrelang spielt, dann auf die Straße geht und mir auf den Kopf schlägt?
Breuer: So simpel sind das Verhalten und das Sozialleben von Menschen nicht strukturiert. Die große Mehrzahl der Studien zu diesem Thema kann lediglich begrenzte und kurzzeitige Effekte nachweisen. Die Leute spielen im Laborversuch für eine gewisse Zeit ein Spiel. Unmittelbar danach wird ihre Hilfsbereitschaft oder Aggressivität getestet. Die gemessenen Effekte sind sehr kurzfristig, auch bei der Messung von Erregung und Emotionen. Es gibt wenige Indikatoren dafür, dass es negative Langzeiteffekte für alle Spieler gibt.
PCM: Gewöhne ich mich durch das Spielen an Gewalt?
Breuer: Wir haben eine Studie gemacht, in der Spieler und Nichtspieler Gewaltinhalte bewerten sollten. Da hat sich schon gezeigt, dass Spieler Gewalt in Shooter-Spielen als weniger dramatisch bewerten. Das muss sich aber nicht auf ihr Verhalten auswirken. In der Regel sind die Leute ganz gut in der Lage, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden.
PCM: Wie ist das mit Extremspielern?
Breuer: Bei zwei bis 15 Prozent der Spieler wirkt sich exzessives Spielen negativ auf ihren Alltag und die Lebensführung aus. Kommen noch ungünstige Faktoren der Persönlichkeit und in der persönlichen Umgebung hinzu, hat das sicher negative Auswirkungen auf die Person und auch auf ihr Umfeld.