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Wissen

Physikalische Symbolsystemen

Autor: Klaus Manhart • 18.2.2011 • ca. 2:25 Min

Die KI-Pioniere Alan Newell und Herbert Simon haben diese These in den fünfziger Jahren genauer spezifiziert und ausgearbeitet. Danach sind Mensch und Computer beides Instanzen einer abstrakten Gattung von "physikalischen Symbolsystemen". Ein solches System - wie das Gehirn oder der Computer - h...

Alan Turing
Alan Turing: Der britische Informatik-Pionier schlägt den nach ihm benannten Test vor, der feststellen soll, ob eine Maschine "intelligent" ist.
© PC Magazin

Die KI-Pioniere Alan Newell und Herbert Simon haben diese These in den fünfziger Jahren genauer spezifiziert und ausgearbeitet. Danach sind Mensch und Computer beides Instanzen einer abstrakten Gattung von "physikalischen Symbolsystemen".

Ein solches System - wie das Gehirn oder der Computer - hat die Fähigkeit, die Welt mit Symbolen und Symbolstrukturen (wie: COMPUTER MACHEN DOOF) zu repräsentieren. Die Symbole an sich sind zwar physikalischer Natur (Zeichenketten ohne Bedeutung), kraft ihrer Beziehungen und Verknüpfungen zur Außenwelt aber auch semantisch belegt.

Neben solchen Symbolstrukturen enthalten symbolverarbeitende Systeme Regeln, die auf den Symbolstrukturen operieren und weitere Strukturen erzeugen. Solche Regeln können Erzeugungs-, Abänderungs-, Reproduzierungs- oder Zerstörungsprozesse sein. Ein Zerstörungsprozess kann z.B. die Symbolstruktur COMPUTER MACHEN erzeugen, ein Abänderungsprozess COMPUTER MACHEN KLUG.

Nach Meinung dieser KI-Forscher ist es möglich, die menschliche Intelligenz einzufangen, indem man von oben nach unten vorgeht und dem Computer einfach gewaltige Listen von Regeln einprogrammiert.

Die klassischen KI-Programme - vom Logic Theorist von Newell, Shaw und Simon, einem Programm, das einfache mathematische Beweise durchführen kann - bis hin zu den Expertensystemen der siebziger und achtziger Jahre beruhten auf Regeln und Symbolverarbeitung.

Das chinesische Zimmer

it professional, ki
Das chinesische Zimmer: Eine nicht chinesisch sprechende Person nimmt chinesische Zeichen entgegen (=Fragen), stellt mittels eines Regelbuches neue Zeichenketten zusammen (=Antworten) und gibt diese aus dem Zimmer. Beobachter von außen haben den Eindruck, das System verstünde Chinesisch.
© PC Magazin

Dem Informationsverarbeitungsansatz versetzte der US-Philosoph John Searle mit einem berühmten Gedankenexperiment einen schweren Schlag. Das chinesische Zimmer veranschaulicht bildlich ein sprachverstehendes Frage-Antwort-System. Dabei werden über die eine Seite des Zimmers chinesische Symbole - die Fragen - hereingereicht.

Diese nimmt eine englischsprachige Person in Empfang, die kein Wort chinesisch spricht. Sie verfügt über Körbe voller Karten mit chinesischen Symbolen sowie einer englischsprachigen Anleitung mit Regeln, die vorschreiben, wie man die Symbole sinnvoll kombiniert.

Die Regeln geben rein formal an, was mit den chinesischen Symbolen gemacht werden soll, wobei "formal" bedeutet, dass die Person die chinesischen Zeichen rein an ihrer Form identifiziert. Schicken nun Menschen von außen eine chinesische Frage als Abfolge von Karten in das Zimmer, kann die Person im Zimmer mit Hilfe ihrer Anleitung und sämtlicher Karten eine Antwort generieren und nach draußen geben.

Der Clou an der Sache: Chinesische Muttersprachler haben von außen den Eindruck, die Person im Innern verstünde chinesisch, weil die herausgereichten Zeichenketten sinnvolle chinesische Sätze sind. Tatsächlich hat jedoch diese Person rein gar nichts verstanden. Sie hantiert nur rein formal mit Zeichenketten ohne Bezugnahme auf Bedeutungen.

Genauso wie dieser Proband, argumentiert Searle, verhalten sich sprachverstehende und andere wissensbasierten Computer-Systeme. Sie verstehen wie die Person im Zimmer nicht, welche Bedeutungen ihre Antworten haben, obwohl sie äußerlich "intelligent" wirken.

Ein Programm, das wie der Proband im Zimmer nach formalen Regeln abstrakte Symbole manipuliert, kann niemals denken oder Bewusstsein haben. Denn Computer arbeiten rein syntaktisch, nach formalen Regeln, der menschliche Geist aber, sagt Searle, hat nicht nur eine Syntax, sondern auch eine Semantik.

Für Searle ist Intelligenz an das Gehirn oder eine vergleichbare biologische Masse gebunden. Denn nur diese verfügt über kausale Kräfte, die unser Denken produzieren. Doch auch Searles Argumente wirken nur auf den ersten Blick überzeugend.

Ein Gegenargument kommt von dem Kognitionswissenschaftler Zenon Pylyshyn: Würden wir die Zellen unseres Gehirns nach und nach durch immer mehr integrierte Schaltchips ersetzen, sagt Pylyshyn, würden wir irgendwann - wenn Searles Argumente richtig sind - aufhören, mit dem Gesagten etwas zu meinen. Die Bedeutungen würden auf geheimnisvolle Weise aus dem Gehirn verschwinden.