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Interview

Autor: Wolf Hosbach • 23.2.2011 • ca. 3:00 Min

Interview mit Jörg Küpperfahrenberg, Rechtsanwalt aus Essen ...

Interview mit Jörg Küpperfahrenberg, Rechtsanwalt aus Essen

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Jörg Küpperfahrenberg, Rechtsanwalt aus Essen
© PC Magazin

PCM: Dürfen sich Unternehmen in einem Forum oder Bewertungsportal selbst bewerten, wie im Fall des WeTabs bei Amazon?

JK: Peinlich, wenn so etwas raus kommt, ein klassischer Wettbewerbsverstoß. Das ist der Fall, wenn ich bei einer Aussage den Werbecharakter verschleiere. Ein Mitbewerber kann den Verstoß abmahnen, und das wird teuer.

PCM: Meistens bewerten ja die Kunden ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Person. Was dürfen die alles schreiben, ohne sich Ärger einzuhandeln?

JK: Die Grundlage dafür ist die Meinungsfreiheit, gestützt auf die Grundrechte in Artikel 5. Das ist die Basis für das, was man in diesem Land sagen darf. Die Meinungsfreiheit wird durch die Gerichte ziemlich hoch gehalten. Bei Bewertungsportalen von Personen wie Lehrern oder Ärzten geht der Streit oft um Persönlichkeitsrechte, Artikel 2 im Grundgesetz. Der Bewertete kann sagen, ich habe genauso gute Rechte, wie der andere, der seine Meinung äußern darf. Da muss vor Gericht abgewogen werden.

PCM: Wo liegt die Grenze?

JK: Wenn ich zum Beispiel schreibe, der Lehrer ist ein ,Dreckschwein, ein pädophiler Penner, der grabscht rum oder gibt bewusst immer nur Sechsen'. Das ist nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt, das ist ein typischer Fall der Schmähkritik oder Beleidigung. Es ist auch kein echtes Werturteil mehr. Schwierig wird es auch bei Tatsachenbehauptungen. Da muss man aufpassen.

PCM: Warum?

JK: Schreibe ich beispielsweise, der Lehrer ist ,vorbestrafter, pädophiler Straftäter', solche Begriffe machen ja oft die Runde. So eine Tatsachenbehauptung muss überprüfbar sein und ist entweder wahr oder falsch. Und sollte sie falsch sein, so handelt man sich fürchterlichen Ärger ein.

PCM: Was wären die Folgen?

JK: Da gibt es mehrere Instrumente, gegen den Betreiber des Forums gibt es Ansprüche aus dem Telemediengesetz. Er kann aufgefordert werden, dass der Kommentar gelöscht wird. Dann muss er den Kommentar erstmal raus nehmen und den Fall überprüfen, indem er den Kommentator anschreibt: Gibt es dafür Beweise? Wenn der antwortet, ja Urteil, Amtsgericht usw., dann wäre das soweit in Ordnung und er kann den Kommentar wieder freischalten. Man muss aber auch hier die Persönlichkeitsrechte beachten.

PCM: Und dem Kommentator?

JK: Dem kann ein Strafverfahren wegen Beleidigung, Verleumdung, falscher Verdächtigung, übler Nachrede etc. drohen. Das Strafgesetzbuch regelt, was man behaupten darf und was nicht.

PCM: Gilt das auch für Jugendliche?

JK: Ja, natürlich, ab vierzehn.

PCM: Wie schaut es aus mit Produkten, wenn ich zum Beispiel sage, das neue iPhone ist Mist?

JK: Grundsätzlich: Wenn ich eine persönliche Meinung von etwas habe, kann ich die schreiben, auch von einem Produkt. Wenn ich begründen kann, weshalb Qualität und Funktionalität nicht befriedigend sind, ist das ein Werturteil.

PCM: Gibt es da eine Grenze?

JK: Tatsachenbehauptungen, wenn ich behaupte, mit dem Smartphone kann ich keine Fotos machen, und das stimmt nicht, da kann man zivilrechtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden und muss eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Das ist oft teuer.

PCM: Wenn man sich unsicher ist, wie schaut es mit Formulierungen dieser Art aus: "Ich bin der Meinung, das ist völlig ungeeignet ..."? Ist man doch damit der sicheren Seite?

JK: Eigentlich ja. Das ist eine gute Wortwahl, um sich in den Bereich der sicheren Meinung hineinzubewegen. Anders ist es, wenn ich versuche, systematisch eine versteckte Tatsachenfeststellung zu erzeugen. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Man muss den gesamten Kontext erfassen, was will der Schreibende ausdrücken?

PCM: Gilt für Marken etwas Besonderes?

JK: Nein. Die Unternehmen können ähnliche Rechte wie die Persönlichkeitsrechte geltend machen.

PCM: Wenn ich mich im Shop übers Ohr gehauen fühle, darf ich schreiben, "der Händler ist ein Betrüger"?

JK: Das ist grenzwertig. Es ist eine Tatsachenfeststellung, ein Strafvorwurf. Andererseits gab es einen Fall bei eBay, in dem jemand einen Händler bewertet hat: Das ist Betrug! Da hat das Gericht gesagt, das ist eine sehr subjektive Wahrnehmung, der will nicht sagen, der Händler ist ein Betrüger im strafrechtlichen Sinn. Die Schwierigkeit liegt immer in der Feinheit des Einzelfalls.

PCM: Mit solchen Vorwürfen sollte man also vorsichtig sein.

JK: Auf jeden Fall. Besser sind sachliche Kriterien für eine Kritik.