High-End-Verstärker: Krell
Was eine nahezu schwerelose Daunenfeder und die gewaltige Vor-/ Endverstärker-Kombination Krell EVO 222 und EVO 402 verbindet? Folgen Sie uns in diese faszinierende Welt.

Wenn Audiophile in den Achtzigerjahren von Lautsprechern schwärmten, dann fielen unweigerlich Namen wie Infinity oder Apogee. Boxen dieser Hersteller beschäftigten die Gemeinde und auch mich, denn sie waren anders. Sie waren groß, schwer, teuer, kamen mit futuristisch aussehenden Chassis oder ...
Wenn Audiophile in den Achtzigerjahren von Lautsprechern schwärmten, dann fielen unweigerlich Namen wie Infinity oder Apogee. Boxen dieser Hersteller beschäftigten die Gemeinde und auch mich, denn sie waren anders. Sie waren groß, schwer, teuer, kamen mit futuristisch aussehenden Chassis oder gar Bändchentechnik daher. Kurzum: Sie waren spannend - und sie öffneten das Tor zu neuen Klangwelten.
Das jedoch erkauften sie sich mit einem hohen Preis, und damit meine ich keineswegs allein den Anschaffungspreis. Denn nur mit dem richtigen Amp klangen sie top. Mit dem falschen Verstärker tönten sie mies - im besseren Fall - oder führten jene nicht selten mit rauchenden Transistoren in die ewigen Verstärkergründe - echte "Killer-Lautsprecher". So dürfen nicht nur böse Zungen behaupten, dass die Speaker mit ihren Impedanzen bis unter ein Ohm (das ist in etwa so, als würden Sie das blanke Ende eines Kabels ins rechte Loch der Steckdose und das andere ins linke stecken - Kurzschluss) und wilden Phasendrehern unter elektrischen Gesichtspunkten heute glatt als Fehlkonstrukte durchgehen.

Nur eine Hand voll Verstärker eignete sich überhaupt zu einer Liason mit diesen Diven. Und meist hieß der Hersteller Krell. Wie kein anderer baute die US-amerikanische Verstärkerschmiede für solche Speaker die passenden Antriebe. Preis und Watt spielten dabei - nach oben hin - eine untergeordnete Rolle. Heute sind Lautsprecher zahmer, Krell-Verstärker nicht.

Das belegen schon die im Labor ermittelten Werte der Stereo-Endstufe EVO 402. Leistung bis zum Abwinken - sie strotzt vor Kraft bis in den Kilowattbereich hinauf. Schwankungen in Phase und Impedanz? Wen kümmert's? Die EVO 402 sicher nicht. Es gibt keinen Lautsprecher, den dieser Bolide nicht ansteuert.
Doch ist Kraft ohne Gefühl das, was ein Truck auf der Hallenrad-Rennbahn - sinnlos. So spendierte Krell der EVO 402 neben mächtigen fünf Kilowatt Netzteilen eine extrem aufwändige Regelung aller Versorgungsspannungen, eliminierte eine den Klang meist bremsende Über-Alles-Gegenkopplung und schaltete viele kleine, aber dafür enorm flinke Transistoren parallel. Vorteil: eine hohe Bandbreite sowie ein sehr niedriges Grundrauschen. Unsere Messungen untermauern den Erfolg der Materialschlacht. Aber erst der Hörtest konnte zeigen, ob die EVO 402 als Sumo-Ringer oder durchtrainierter Athlet mit schier unendlichen Reserven durchgeht. An den Referenzen Avanti von Audio Physic ließ es das Kraftwerk erwartungsgemäß gehörig knallen.
Das Reservoir schien tatsächlich unendlich groß. So schwarz und abgrundtief grollten noch keine Basssalven durch unseren Hörraum. Ob die großen Pauken zu Beginn der "Todesinsel" von Rachmaninoff (Decca) oder die urplötzlichen, markerschütternden Tiefschläge in "Domino" von Genesis ("Invisible Touch"/EMI) - es herrschte Ausnahmezustand. Penibel sauber zeichnete die EVO 402 das bedrohliche An-, das sanfte Abschwellen des gegerbten Felles der Kesselpauke nach, dass selbst der Filz- (oder war es Flanell?) des Schlägels in greifbare Nähe geriet. Das Instrument, die Musiker, der Konzertsaal - es bedurfte nicht geschlossener Augen, um mich mitten im Geschehen zu fühlen.

Genesis gastierte kürzlich in München. Collins, Banks sowie Rutherford, alternde Herrschaften? Schmuseschnulzen? Von wegen: Knappe drei Stunden gab die Herrenrunde Vollgas. Via Krell aber war ich näher dran. Sogar emotional. Und dynamisch stand das Ami-Kraftwerk der gigantischen PA im Olympiastadion nicht nach. Infernalische Klangfeuer, atmosphärisch so dicht, dass ich nicht anders konnte, als mich im Takt zu bewegen: Gänsehaut; dann der sprichwörtlich offene Mund. Das ausschlaggebende Element dazu aber waren nicht die Urgewalten, die die Krell entfesselten.

Vielmehr war es ihr Vermögen, auch innezuhalten, Pausen zu setzen, musikalische Strukturen zu wahren. Das unterscheidet sie von vielen ihrer Art, welche nur im oberen "Drehzahlbereich" begeistern. Die EVO 402 ist Herr jeder Lage und arbeitet schon mit Flüsterpegeln klitzekleine Phrasierungen sauber aus einem komplexen musikalischen Kontext. Sie spreizt die dynamische Spannbreite derart weit auf, wie ich es nur von realen Konzerten her kenne. Mal ist sie sanft wie eine Daune, die uns kitzelt, dann im Bruchteil eines Augenblicks ein Vorschlaghammer, der martialisch eine Felswand zerschmettert. Das berührt.

Warum ich erst jetzt zur Vorstufe 222 komme, lässt sich in zwei Sätzen formulieren: Kann man neutral sinnvoll steigern? Sie fügt nichts hinzu, sie unterschlägt nichts. Mit der Liason zwischen EVO 222 und 402 kommen die Stärken beider jedoch noch deutlicher zur Geltung. Eine Kette, die dem "verstärkenden Stück Draht" - pardon - verdammt dicht auf den Fersen ist. So gefühlvoll, analytisch und musikalisch, dass aber auch kleinste Veränderungen der Kette auf dem Silbertablett präsentiert werden.

Tauschte ich das schon sehr wertige Netzkabel der Vorstufe gegen das "Referenz" von Silent Wire, gewann die Performance noch einmal an Durchzug, wie frisch durchgeputzt wirkte die unverrückbare Raumdarstellung. Mein Kollege Roland Seibt wollte gar seinen Ohren nicht trauen, so nachvollziehbar, so dramatisch war der Zugewinn an feinstdynamischen Informationen auf schon zuvor allerhöchstem Klangniveau. Ein unendlicher Genuss. Wie auch die Ausstattung und die Bedienung der EVO 222. Ob Balance, Eingangspegel, Phase, jeder nur denkbare Parameter darf hier nicht nur für jeden einzelnen Eingang, sondern gar kanalgetrennt justiert und gespeichert werden. Purismus ade.
Fazit
Ich kenne keine Vor-/Endstufenkombination, die dynamische Strukturen feiner aufdröselt, aus dem Nichts heraus musikalische Berge versetzt, dabei absolut neutral klingt und Boxen so hart an der Kandare führt. Keine Kombi zum Träumen - eine zum realen, körperhaften, authentischen Erleben von Musik. Die Referenz.