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IT-Strategie

Business Intelligence um Prognosemodelle erweitern

Klassische BI-Lösungen sind rückwärts gewandt - sie beschreiben ausschließlich die Vergangenheit. Deshalb empfiehlt es sich, die Datenanalyse um Prognosemodelle zu ergänzen - das erweitert den Handlungsspielraum von Organisationen ganz erheblich.

Autor: Business & IT • 4.2.2014 • ca. 4:45 Min

BI um Prognosemodelle erweitern
BI um Prognosemodelle erweitern
© Guido Vrola - Fotolia.com

Entscheidungen von Organisationen basieren oft auf Daten, die herkömmliche Business-Intelligence-Systeme sammeln, aufbereiten, aggregieren und übersichtlich präsentieren. Die Daten sind historisch, das heißt, sie beschränken sich auf eine Beschreibung der Vergangenheit.Typi...

Entscheidungen von Organisationen basieren oft auf Daten, die herkömmliche Business-Intelligence-Systeme sammeln, aufbereiten, aggregieren und übersichtlich präsentieren. Die Daten sind historisch, das heißt, sie beschränken sich auf eine Beschreibung der Vergangenheit.

Typischerweise zeigen sie mithilfe von Key Performance Indicators (KPIs) an, ob in der Vergangenheit die gesetzten Ziele erreicht wurden - Aussagen zur zukünftigen Entwicklung werden nicht getroffen. Herkömmliche BI-Systeme sind daher nicht in der Lage, relevante Fragen wie die folgenden zu beantworten:

  • In welche Richtung zeigt der aktuelle Trend?
  • Könnte sich eine vergangene Krise bald wiederholen?
  • Weisen die aktuellen Daten auf Stabilität oder eine baldige Krise hin?

Um sich in der dynamischen, komplexen Wirtschaftswelt zu behaupten, sind Organisationen auf Antworten auf solche Fragen angewiesen - fundierte Prognosen liefern sie und erweitern damit den Handlungsspielraum von Organisationen erheblich. Einerseits stellen Prognosen die Grundlagen bereit, um zeitnah Maßnahmen einzuleiten, die eine negative Entwicklung verhindern oder ihre Folgen mildern. Anderseits helfen sie, den Nutzen einer positiven Entwicklung weiter zu steigern.

Prognosen sind deshalb nicht als intellektuelle Wetten zu verstehen, die es zu gewinnen gilt. Es handelt sich dabei um Szenarien, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreffen können. Eine Prognose, deren negative Folgen nicht eingetroffen sind, weil rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden, ist nicht als falsch zu bewerten. Sie gab nämlich den Anstoß für frühzeitige Maßnahmen, die größere Schäden verhinderten.

Rückblick und Vorschau

Dr. Ilias Ortega
Der Autor:Dr. Ilias Ortega,Senior Consultant Business Intelligence bei der Trivadis AG
© Dr. Ilias Ortega

Den Kern eines herkömmlichen BI-Systems bildet ein Data Warehouse, das historische Daten aus Transaktionssystemen bezieht. Es stellt voraggregierte Daten für Auswertungen zur Verfügung, die nach Kriterien wie Produkt und Region gruppiert und in Dashboards und Reports dargestellt werden. Die Auswertungen beschränken sich auf Aussagen zur Vergangenheit, ohne auf die zukünftige Entwicklung einzugehen.

In der Praxis unterscheidet man zwischen qualitativen und quantitativen Prognosemethoden. Qualitative Methoden, wie beispielsweise die Delphi-Methode, die auf der Befragung von Experten eines bestimmten Fachgebiets basiert, sind subjektiv und lassen sich kaum standardisieren.

Die Statistik bildet hingegen eine objektive, neutrale Grundlage für quantitative Prognosemethoden, die Muster von historischen Daten analysieren. Prognosen sind dabei nicht als punktgenau zu verstehen, denn sie enthalten eine Wahrscheinlichkeit und ein zugehöriges Konfidenzintervall.

Heutzutage steht eine große Anzahl von Prognosemethoden bereit, wie zum Beispiel Glättungstechniken, Regressionsverfahren oder die ARIMA-Methode von Box-Jenkins. Je nach Problemstellung wird sich die eine oder andere Prognosemethode als besser eignen. Dabei gilt: Aufwendige Prognosemethoden sind nicht unbedingt zuverlässiger als einfache.

Je komplexer und dynamischer das Umfeld der prognostizierenden Größe ist, desto unsicherer fällt die Prognose aus. In der Praxis sind die Methoden daher pragmatisch auszuwählen. Es ist ratsam, mit einem einfachen Modell erste Prognosen zu erstellen und dieses nach Bedarf schrittweise auszubauen.

Schrittweise Integration

Oft ist es gar nicht möglich, mit herkömmlichen BI-Systemen Prognosen zu erstellen, denn ihnen fehlen die dafür notwendigen statistischen Funktionen - ihr Schwerpunkt liegt in der Aggregation und Gruppierung von historischen Daten.

Am besten ist es daher, Prognosen von einem speziell dazu konzipierten Prognosesystem erstellen zu lassen, das zunächst das herkömmliche BI-System erweitert, um danach schrittweise mit diesem zu verschmelzen. Die Architektur eines integrierten Prognosesystems besteht aus folgenden Bausteinen:

  • Historische Daten: Diese können beispielsweise dem Data Warehouse eines herkömmlichen BI-Systems entstammen.
  • Prognosemodell: Es berechnet die Prognosewerte auf der Grundlage der gewählten Prognosemodelle.
  • Prognose: Hier werden die Prognosewerte für die weitere Anwendung bereitgestellt.
  • Anpassung: Das Prognosemodell wird angepasst, um die Prognosefehler zu minimieren.
  • Anwendung: Die Prognosewerte dienen als Grundlage für Präsentationen wie Reports und Dashboards, Entscheidungen oder Handlungen durch weitere Systeme. Dazu zählt beispielweise das automatische Sperren einer Kreditkarte bei begründetem Betrugsverdacht.

Reduktion von Prognosefehlern

Der Prognosefehler ist die Differenz zwischen eingetroffenem und prognostiziertem Wert und sollte deshalb möglichst gering sein. Ein verbreitetes Verfahren, um die Zuverlässigkeit von Prognosen zu steigern, ist das Minimieren der Summe der quadrierten Fehler. Das Prognosemodell wird dabei stetig angepasst. Doch nicht immer ist der Prognosefehler maßgebend, sondern der Verlust, der daraus entsteht. In solchen Fällen soll der Verlust und nicht der Prognosefehler minimiert werden.

Vor dem Praxiseinsatz sollte geprüft werden, ob das Prognosemodell für den geplanten Einsatzzweck tauglich ist. Dies geschieht, indem ältere historische Daten prognostiziert und diese mit neueren historischen Daten verglichen werden. Das Verfahren ist unter dem Namen "historische Prognosen" bekannt.

In vielen Fällen reicht ein einziges Prognosemodell jedoch nicht aus. Dann entsteht aus mehreren Prognosemodellen ein hybrides Prognosemodell. Mithilfe der Summe der gewichteten Mittelwerte der verwendeten Prognosemodelle wird der bereinigte Prognosewert ermittelt.

Hybride Prognosemodelle haben den Nachteil, dass die Berechnung aller darin enthaltenen Modelle - auch der zeitaufwendigsten - abgeschlossen sein muss, bevor die Endprognose feststeht.

In Anwendungsfällen, bei denen das Ergebnis zeitkritisch ist, wie zum Beispiel bei der Erkennung von Online-Betrug, sind parallele, zeitraubende Berechnungen zu vermeiden. Ein regelbasiertes System wählt das am besten passende Prognosemodell in Echtzeit aus.

Realisierung

Die Einführung eines Prognosesystems besteht aus den folgenden fünf zyklischen Phasen:

  1. Geschäftliches Problem: Festlegung eines wirtschaftlich relevanten Problems, Ermittlung des Business Cases.
  2. Daten: Auswahl der historischen Größen; Zeithorizont der Prognose; Data Profiling; Sammlung, Bereinigung und Transformation der Daten.
  3. Prognosemodell: Bestimmung der geeigneten Modelle.
  4. Evaluation: Historische Prognosen, Minimierung des Prognosefehlers beziehungsweise des Verlustes mithilfe des Anpassungsmoduls, Pilotprojekt.
  5. Integration: Anschluss des Prognosesystems an die Datenströme der Organisation, Verwendung der Ergebnisse (Präsentation, Entscheid oder Handlung), Monitoring des Betriebs, Identifikation neuer geschäftlicher Probleme - dieser Schritt stößt den Kreislauf von vorne an.

Fazit

Herkömmliche BI-Systeme stellen lediglich vergangenheitsorientierte Auswertungen bereit. Prognosesysteme sind eine nutzbringende Ergänzung von herkömmlichen BI-Systemen, denn sie erweitern den Handlungsspielraum von Organisationen, indem sie frühzeitig Alternativen aufzeigen: Damit lassen sich Chancen ergreifen und Gefahren abwenden.

Prognosesysteme beschränken sich dabei nicht auf die Präsentation von Prognosedaten, sondern treffen selbstständig Entscheidungen und stoßen steuernde Handlungen an. Prognosen sind damit keine starren Ereignisse, sondern treffen innerhalb eines Konfidenzintervalls mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ein.