TomTom Rider 4,3'' im Test
Kann man da nicht einfach das Navi vom Auto nehmen? Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als ganz schlechte Idee.

Denn beim Motorrad muss ein Navigationsgerät ganz andere Situationen meistern, als sie im Auto verkommen. Und da gibt es viele: Das Motorrad-Navi ist meistens praller Sonne ausgesetzt (denn da fährt man ja besonders gern) und muss dann noch gut lesbar sein. Es sollte Regen und Staub in großen Men...
Denn beim Motorrad muss ein Navigationsgerät ganz andere Situationen meistern, als sie im Auto verkommen. Und da gibt es viele: Das Motorrad-Navi ist meistens praller Sonne ausgesetzt (denn da fährt man ja besonders gern) und muss dann noch gut lesbar sein. Es sollte Regen und Staub in großen Mengen aushalten, auch mal runterfallen können und mit dicken Handschuhen bedienbar sein. Dazu kommt, dass eine Stromversorgung über das Fahrzeug nicht unbedingt gegeben ist und man mit dem Motorrad meist nicht schnell oder auf kürzester, sondern eher auf schöner Strecke zum Ziel kommen möchte - gesucht ist der Weg, nicht das Ziel.
Außerdem nützt ein eingebauter Lautsprecher gar nichts, der Ton muss irgendwie direkt unterm Helm an die Ohren des Fahrers gebracht werden und auch noch bei 150 km/h verständlich sein, am besten ohne Kabel, das reißt beim unüberlegten Absteigen vom "Bock" sonst nur ab. Eine Saugnapfhalterung nützt mangels Scheibe auch nichts, beim Motorrad ist eine feste Verschraubung Pflicht, die an möglichst alle Lenker unterschiedlicher Dicke passt.
Die Liste macht schnell klar: So billig wie Autonavis sind die Zweirad-Varianten nicht, dafür aber durchaus auch im Auto einsetzbar.
TomToms neuer Rider
Das neue Rider ist mit seinem jetzt großen 4,3-Zoll-Display schon die dritte Generation von Motorrad-Navis aus dem Hause TomTom. Es ist durch ein robustes Gehäuse gut gegen Stürze, Staub und Wasser geschützt. Die Lenker-Halterung sieht auf den ersten Blick aus wie die des alten Riders, ist sie aber nicht. Sie baut breiter, hat dafür aber einen Stromanschluss, um das Gerät direkt mit dem Bord-Elektrik zu verbinden. Ohne Stromverbindung soll das Gerät sechs Stunden mit einer Akku-Ladung halten, was nach den ersten Tests realistisch erscheint. Es beherrscht auch Stromspartricks wie das Ausschalten des Displays, wenn innerhalb der nächsten 3 Kilometer kein Abzweig kommt. Ein Kabel zum Anschluss des Riders an die Batterie liegt bei.
Die RAM-Mount-Halterung erlaubt das flexible Drehen und Kippen des Geräts in alle Richtungen. Sie lässt sich problemlos an Standard-Lenker und solche mit Zoll-Durchmesser anbringen. Sie hält den Rider schwingungsfrei, er lässt sich auch bei höheren Geschwindigkeiten gut ablesen und vibriert nicht.
Auch wenn in vielen anderen Tests gelobt: Das Display taugt in praller Sonne nicht viel. Man sieht fast gar nichts. Das ist enttäuschend, denn gerade bei Sonne fährt man gerne Motorrad. Ein echtes, reflektives Display würde hier viel helfen.
Bedienung und Ansage
Die Bedienung ist bei TomTom seit Jahren unverändert. Im Allgemeinen kommt man nach einer Eingewöhnung damit ganz gut zurecht. Was immer noch fehlt, ist die einfache Möglichkeit, die Navigation der aktuellen Route einfach zu beenden oder zu unterbrechen. Sonst fehlt es an nichts, ganz im Gegenteil. Besonders gelungen ist die Routen-Option "Kurvenreiche Strecken bevorzugen", die zu teilweise herrlichen Touren führt, wenn auch mit reichlich Umwegen.
Auch das Bedienen mit dem Handschuh klappt einwandfrei. Die Tastatur lässt sich umstellen, dass es statt einer Qwertz-Tastatur eine mit großen Schaltflächen in SMS-Anordnung gibt. Darüber lässt sich in Handymanier jeder Zielort eintippen.
Die Anweisungen kommen rechtzeitig und werden betont langsam und deutlich angesagt. Manchmal dauert sie allerdings dadurch so lange, dass man schon fast an der Abzweigung vorbei gefahren ist. Dennoch: Die Ansagen sind nahezu perfekt und werden durch einen Spur-Assistenten auf dem Bildschirm unterstützt.
Motorrad-Besonderheiten beim Routen
Was auch die neue Version immer noch nicht beherrscht: Zeitweise für Motorrad-Fahrer gesperrte Strecken (wie etwa nur Sonntags oder am Wochenende) berücksichtigt das Navi nicht. Im Gebirge (wie den Alpen), kann das recht lästig werden, weil die nächste Strecke dann erst ein Tal weiter befahrbar ist und das gut eine Stunde Umweg bedeuten kann. Das gilt auch für Tempo-Limits, die nur zeitlich beschränkt gelten, wie etwa 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr, die kennt der Rider ebenfalls nicht.
Mangels Mobilfunk- und Radio-Anbindung kann das Gerät auch keine Staus erkennen und umfahren, IQ-Routes nutzt es aber zu Berechnung von Routen abhängig von der Tageszeit. Angesichts des Gerätepreises sollte TomTom Live zur Stauwarnung eingebaut sein. Dafür erkennt das Navi Wendemanöver und sucht nach einer 180-Grad-Umkehr gleich nach einer alternativen Route.
Praktisch dagegen: Jede Fahrt lässt sich aufzeichnen, als Route wieder verwenden, per USB-Kabel auf den PC laden und dort mit dem mitgelieferten Programm "Tyre" verändern, speichern und drucken. Der Austausch mit einem Freund geht aber auch noch einfacher: Man kann die Route auch per Bluetooth an ein weiteres TomTom Rider verschicken - sehr elegant wenn man zu mehreren eine geplante Tour fahren möchte und den anderen Guides die Route auf die Navis beamen kann.
Tyre ist Motorradfahrern schon länger ein Begriff: Es ist das Tool der Wahl für alle Garmin- und TomTom-User, die schöne Touren planen wollen. In einer Online-Bibliothek stehen mehr als 1000 Touren für Europa bereit. Es nutzt Google Maps und kann mit einem Klick eine Route auf das angeschlossene TomTom-Gerät kopieren. TomTom hat die freie Version auf dem Navi (das sich als USB-Stick unter Windows anmeldet) hinterlegt, das leider permanent Werbung einblendet (und unter anderem zum Kauf der Riders auffordert...).
Und wenn man sich was wünschen dürfte: Ein Thermometer mit Eis-Warnung wäre super. Das ist im Gebirge sehr sinnvoll, wenn man im Frühjahr oder Herbst unterwegs ist und hohe Pässe nimmt.
Ausstattung
Auf den ersten Blick ist viel drin in der Verpackung. Dennoch: Mit 399 Euro gehört das Rider zu den teuersten Navigationsgeräten von TomTom. Selbst das Auto-Flaggschiff 1015 HD Live kostet nur 299 Euro. Verglichen mit einem vom Funktionsumfang vergleichbaren Auto-Navigationsgerät wie dem TomTom Via 130M für 179 Euro, kostet es mehr als das Doppelte, lässt sich aber im Auto mangels Auto-Halterung nicht einsetzen. Momentan ist so eine Halterung nicht einmal als Zubehör erhältlich.
Auch ist das Gerät "Out-of-the-Box" nicht wirklich einsetzbar, da ein Bluetooth-Headset fehlt. Die preiswerteste Lösung ist ein Bluetooth-Mini-Empfänger von Pearl, der sich per Bluetooth mit dem Navi verbindet, und in das man ein paar MP3-Player-Ohrstöpsel steckt. Das Gerät selbst ist so groß wie rundes Radiergummi und passt in jede Jackeninnentasche. Es kostet etwa 30 Euro.
Glücklicherweise hat sich TomTom endlich dazu durchgerungen, für seine aktuellen Navi-Geräte eine freie lebenslange Karten-Update-Garantie für das Kartenmaterial zu gewähren - wobei "lebenslang" sich auf die Lebenszeit des Navis und nicht des Käufers bezieht. Wenn also TomTom die Rider-Linie einstellt, wird es auch keine neueren Karten mehr geben. Dennoch: das ist ein wichtiger und sinnvoller Schritt, den die Konkurrenz schon vor längerer Zeit gemacht hat.
Fazit
Motorrad-Navis gibt es nicht viele; das neue TomTom Rider ist eines der Besten. Akkulaufzeit, lebenslange Karten-Updates, sehr gute Navigation und gute Verarbeitung sprechen für das 4,3-Zoll-Gerät. Die "kurvenreiche Strecken"-Einstellung ist der Hit. Andererseits können der flaue Bildschirm, fehlende Kenntnis temporärer Streckensperren und die schmale Ausstattung angesichts des Preises nicht überzeugen. Hier sollte TomTom noch mal nachlegen.