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Elektronische Programmführer - so genannte EPGs - versprechen Orientierung in einer immer unübersichtlicheren TV-Welt. Welches System bietet Ihnen welche Vorteile?

Gute Führung Die Zeiten, als nur das Programmangebot von drei bis vier öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen überblickt werden musste, sind lange vorbei. Dutzende Privat- und Regionalsender dürsten neben den digitalen Zusatzprogrammen der etablierten Anbieter nach Einschaltquoten. Wo früher...
Gute Führung
Die Zeiten, als nur das Programmangebot von drei bis vier öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen überblickt werden musste, sind lange vorbei. Dutzende Privat- und Regionalsender dürsten neben den digitalen Zusatzprogrammen der etablierten Anbieter nach Einschaltquoten. Wo früher eine kleine Zeitungsbeilage den Überblick über das gesamte Abendprogramm verschaffen konnte, reichen jetzt fingerdicke Programmzeitschriften kaum aus, um sämtliche Sendungen detailliert darzustellen und Empfehlungen auszusprechen.

Mit den tausenden TV-Stationen, die uns digital und analog von den Satelliten bestrahlen, oder den mehreren hundert, die ins Breitbandkabel eingespeist werden, wächst die Individualisierung der Fernsehinteressen; ein gezielter Überblick fällt immer schwerer. Die modernste Antwort auf dieses Problem ist der elektronische Programmführer, kurz EPG (für Electronic Program Guide).
Daten zum TV
Der älteste und beliebteste Datendienst, der den TV-Abend mit Zusatzinformationen anreichert, ist der Videotext (Teletext). In TV-Zeilen, die sich außerhalb des sichtbaren Bereichs einer analogen TV-Übertragung befinden, blitzen Bits und Bytes auf, die sich zu einem Datenstrom addieren. Aus diesem sucht sich der Videotextdecoder unter Hunderten von Texttafeln diejenige mit der gewünschten dreistelligen Nummer heraus und stellt sie dar.
Fakten: Programmführer
Komfortabel: Alle Fernseher, DVD-Recorder und Settop-Boxen, die etwas auf sich halten, besitzen einen komfortablen Programmführer.
Horizontal und Vertikal: Die Planung des Abendprogramms fällt besonders leicht, wenn das gesamte Programm aller Sender gleichzeitig dargestellt wird.
Aufnahme: Einige Settop-Boxen respektive Fernseher krönen ihren EPG durch Aufnahmetimer und die intelligente Zusammenarbeit mit DVD-Festplattenrecordern über Scart (AV-Link).
Unterschiede: Techniken, Inhalte (Vorschauzeit, Detailinfos) und Darstellung der EPGs sind längst nicht gleich.
Features: Luxusoptionen wie Genreeinteilung, Timer, Volltextsuche und persönliche Profile gibt es schon kostenlos.
Gerätekauf: Achten Sie beim Kauf eines neuen Geräts nicht allein auf Bild- und Tonqualität, sondern auch auf seine interaktiven Bonusfunktionen. Diese können den TV-Abend entscheidend aufwerten.

Funktionalität und Aussehen von Videotext erinnern an die Computerära von DOS, jedoch ist die Bedienung sehr einfach. Der TOP-Videotext (TOP = Table of Pages, also Seitentabelle) fasst die Videotextseiten thematisch zusammen und lässt den Nutzer über Farbtasten auf der Fernbedienung strukturiert durch die Angebote navigieren. Inhalte und Aufteilung der Seiten sind dem Sender überlassen, doch ab Seite 300 finden sich in der Regel stets die Übersichten und die Details der TV-Programmangebote von heute, morgen und manchmal auch der kommenden Woche - jedoch nur zum gerade gewählten Programm. Deswegen und weil diese Videotextseiten schon früh zur übersichtlichen Timerprogrammierung von Videorecordern genutzt wurden, lassen wir auch den Videotext als elektronischen Programmführer "durchgehen".
Da Zusatzdienste wie Videotext, VPS oder andere EPG-Daten sich übrigens in den unsichtbaren Bildzeilen befinden, Digital-TV jedoch nur das eigentliche Bild codiert, können digitale Settop-Boxen diese Informationen nicht automatisch übermitteln. Sie werden als zusätzliche Datenströme ausgestrahlt und nur von einigen Empfängern wieder in das ausgegebene analoge TV-Signal integriert - beispielsweise über Scart. Andere Settop-Boxen wiederum haben ihren eigenen Videotext- Decoder. Dann können die Daten nicht direkt über das TV-Gerät, sondern nur über den Empfänger aufgerufen werden, was natürlich nicht ganz so komfortabel ist.
Das Nächste im Blick
Auch wenn der Videotext bestens etabliert ist, sind seine Nachteile heute unübersehbar: Die Benutzeroberfläche wirkt antiquiert, und er schafft programmtechnisch nur einen langsamen Überblick über die Inhalte eines einzigen Senders. Die nächste Evolutionsstufe fand in den 90er-Jahren statt und nannte sich NexTView. Die Daten dieses Diensts werden ebenfalls analog in den unsichtbaren TV-Zeilen gesendet und konzentrieren sich voll auf Programminhalte.
NexTView war damit der erste wirklich echte EPG. Über eine TV-Station wird vorzugsweise nachts ein Datenspeicher im TV-Gerät gefüllt, was nur eine halbe Stunde dauert. NexTView kann bis zu zwei Wochen in die TV-Zukunft sehen, unterteilt die Sendungen in Genres und gibt Detailinfos zu jeder Sendung. Je nach der Programmierung des TV-Geräts ist sogar Volltextsuche möglich. Da die Sendungsdaten allgegenwärtig im Fernseher gespeichert sind, muss nicht immer wie im Videotext gesucht werden, sondern ein Überblick nach aktuellen Sendungen, Inhalten einer Station oder Genres ist schnell möglich. NexTView wurde und wird unter jeweils anderen Namen in viele Top-TV-Geräte der deutschen Traditionsmarken wie Grundig, Loewe oder Metz integriert. Thomson beispielsweise nennt es "NaviClick"und erweitert die Möglichkeiten dadurch, dass beim Fehlen eines Anbietersenders die Videotextdaten genutzt werden, um einen Minimal-EPG darzustellen.
Aktuell strahlen Kabel 1 und RTL 2 als einzige Programmanbieter NexTView-Daten aus; die Inhalte werden von Programmzeitschriften kostenlos aufbereitet. Während Videotext (Teletext) sich weltweit größter Beliebtheit erfreut und in wirklich jeden Fernseher mit Analogtuner integriert wird, ist NexTView letztlich eine Insellösung vor allem der deutschen Fernseh-Hersteller im deutschen Sprachraum. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie lange die Dienste-Anbieter ein Interesse daran behalten, kostenlos TV-Inhalte redaktionell aufzubereiten.
Digitale Datendienste
Dass NexTView keine große Zukunft mehr vor sich hat, hängt auch damit zusammen, dass die digitale TV-Übertragung (DVB) umfassende neue Möglichkeiten mit sich bringt. Wenn schon die Sendungen als digitale Daten in riesigen Mengen übermittelt werden, sind ergänzende Informationen besonders leicht definierbar und effektiv einsetzbar. Natürlich muss zu jedem digitalen Sender die Kennung seines Namens und die Definition seiner Bild- und Tonspuren für Zusatzinformationen übermittelt werden. So steht es festgeschrieben im Buch des DVB (Digital Video Broadcasting = digitale Videoausstrahlung), der Norm, die in Europa und in vielen Ländern der Welt für Digital-TV zuständig ist - ob "-S" (Satellit), "-C" (Kabel) oder "-T" (terrestrisch).

Alle Settop-Boxen und integrierten DVB-Tuner nutzen schon einmal die Option zur Darstellung der Now&Next-Informationen; sie zeigen also, wie die aktuelle und folgende Sendung heißt, wann sie begonnen hat und endet - dazu kommen detaillierte Inhaltsinfos. Dieser kleine Programmführer reicht natürlich nicht aus, doch die SI-(System Information)- Daten erlauben viel weiter reichende Infos.
Sender im Digital-TV sind in Bouquets zusammengefasst. Auf der Bandbreite eines herkömmlichen Analogsenders (Transponders) lassen sich vier bis sechs Digitalkanäle nebst Zusatzinformationen unterbringen. Ein eigener Datenstrom für Programminfos beinhaltet dabei die Übersicht aller Sender einer Anbietergruppe. Schaut man also bespielsweise ProSieben, ist der direkte Zugriff auf Infos über das Gesamtprogramm von Sat.1, Kabel 1, N24 und weiterer Stationen möglich. Moderne Settop-Boxen speichern die Daten beim Umschalten und füllen damit die Übersicht ihres elektronischen Programmführers lückenlos aus. Steht besonders viel Speicher zur Verfügung, beispielsweise bei integrierter Festplatte, werden neben Name, Genre, Start- und Endzeit der Sendungen auch Beschreibungen ihrer Inhalte aufgezeichnet. Während die öffentlich-rechtlichen Anbieter Programminfos bis zu zwei Wochen im Voraus über den Äther schicken, tun sich Privatanbieter da etwas schwerer: Die ProSieben-Gruppe lässt sich gut eine Woche lang in die Karten schauen, während der Datenstrom der RTL-Sender bereits nach drei bis vier Tagen abreißt. Settop-Boxen mit Festplatte, aber auch ohne, nutzen ihre EPGs zur leichten Timerprogrammierung. In nur einem bis drei Bedienschritten sind Sendungen vorgemerkt.

Recorder brauchen EPGs
Wer kennt nicht das Bild der blinkenden 12:00 im Display eines Videorecorders - Indiz dafür, dass es sogar zu kompliziert war, seine Uhr zu stellen, geschweige denn, irgendwann einmal die Anfangs- und Endzeiten eines Programmtimers erfolgreich einzugeben. Dieses blinkende Schicksal von Tausenden von VHS-Videorecordern sollte DVD- und Festplattenrecordern erspart bleiben.
Ändern wollte dies eine Firma, die auch schon durch VPS und ShowView die Welt der Aufnahme revolutionieren konnte: Gemstar. Ihre neue Vision ist es, ähnlich wie es bei ShowView bereits gelungen war, alle Recorder mit einer identischen, leicht bedienbaren und dennoch umfassend einsetzbaren Benutzeroberfläche auszustatten. Das Ergebnis ist "GUIDEplus+". Dieser elektronische Programmführer hat es tatsächlich in die Top-Modelle aller führenden Anbieter von DVD-Recordern geschafft. Gemstar arbeitet weltweit und bietet die redaktionelle Aufbereitung aller TV-Inhalte überall an. Dafür müssen nun die Hersteller von DVD-Recordern in Form von Lizenzausgaben tief in die Tasche greifen. Durch diese Finanzierung ist die Anlieferung der kostbaren Inhaltsdaten über Jahrzehnte hinaus sichergestellt.

Momentan werden die GUIDEplus+-Infos in Deutschland über Eurosport ausgestrahlt - analog in der Austastlücke ähnlich Videotext und NexTView. Damit der Empfang nicht nur Kabelkunden zugutekommt, lassen sich viele Recorder über eine DVB-Settop-Box ansteuern. Sie nehmen dann nicht nur über die Scart-Buchse die Programmdaten entgegen, sondern können sogar über einen Infrarotsender die Settop-Box steuern, damit sie sich für Aufnahmen rechtzeitig einschaltet und das richtige Programm wiedergibt. Hierbei ist die langwierige Installation jedoch nicht immer so intuitiv wie gewollt, obwohl das GUIDEplus+-System in puncto Bildschirmhilfe sehr ausgereift ist.
On-Air-Updates für die Steuerung neuer Settop-Boxen und eine Hotline sind weitere Bonuspunkte für Komfort und Zukunftssicherheit dieser Lösung. Läuft das System erst einmal, sind Übersicht, Suchfunktionen (Genres, Volltext) und Timerprogrammierung über Farbtasten sehr leicht und komfortabel aufzurufen. Alle relevanten Programme werden ein bis zwei Wochen im Voraus angezeigt. Und tatsächlich ähneln sich die GUIDEplus+- Programmführer aller Hersteller in ihrer Darstellung frappierend.
TVTV
In direkter Konkurrenz zu Gemstars GUIDEplus+ steht das Programmführersystem TVTV. Unter dem Motto "Alles andere ist nur Fernsehen" wird das zurzeit innovativste EPG-Konzept angeboten. Angefangen hat die Firma vor Jahren mit dem FAST TV-Server, einem überaus edlen, computerbasierten TV-Recorder mit Doppeltuner, den man vor Jahren schon fernprogrammieren konnte. Trotz des eigenen Servers, auf den das Angebot zugeschnitten war, sollten vor allem die Technologie und das Konzept, mit dem man die Programmführer übermittelte, vermarktet werden. Das scheint allerdings erst jetzt wirklich zu gelingen, nachdem TVTV seinen Besitzer gewechselt hat und inzwischen im mächtigen Sony-Imperium angesiedelt ist.
Über TVTV.de ist über den PC längst ein sehr umfangreicher und übersichtlicher Programmführer erhältlich. Mehrere Anbieter von PC-Hard- und Software vertrauen auf den Dienst und nutzen dessen Daten. Aber auch in der Unterhaltungselektronik gewinnt TVTV an Bedeutung: Metz, Philips, Kathrein und Schneider bieten inzwischen den EPG von TVTV an - Sony selbst ist kurioserweise noch nicht auf die eigene Plattform aufgesprungen. Die Übermittlung der Programminformationen erfolgt wie bei den Mitbewerbern über das analoge Fernsehen, der Trick ist jedoch eine individuelle Kennung jedes Geräts, mit dem sich gezielt Daten an jeden Recorder übertragen lassen. Genial ist die dadurch möglich gewordene Fernprogrammierung des Recorders. Sitztman irgendwo auf der Welt an einem Computer, dann kann man den Web- EPG "TVTV.de" nutzen und bequem seinen Recorder zu Hause programmieren. Ergänzt wird dieses innovative Timerkonzept durch die einfache Programmierung über das Handy oder den PDA.

Knackpunkt an der Geschichte ist, dass zwar der Programmdatendienst kostenlos ist - nicht jedoch die Fernprogrammierung. Und ein Abonnement bei TVTV kostet für PC-basierte Aufnahmelösungen mit 20 Euro pro Jahr ungleich weniger als für Geräte der Unterhaltungselektronik - da werden nämlich stolze 15 Euro im Quartal fällig.
Interview mit TVTV-Manager Marek Machacek
Mit "TVTV" findet ein in Deutschland entwickelter EPG europaweit immer mehr Bedeutung. Wir sprachen mit Marketing-Manager Marek Machacek über die Hintergründe.

magnus.de: Jeder EPG lebt davon, dass die Programminhalte redaktionell erfasst werden. Wer leistet eigentlich diesen Aufwand?
Machacek: Aus der Printmedienindustrie gibt es eine Reihe von Dienstleistern für redaktionelle Inhalte. Neu ist, dass diese Daten nun von Internetprogrammen oder Recordern genutzt werden. Wir arbeiten mit den lokalen Marktführern in den europäischen Ländern zusammen, um die Datenformate über Europa mit seinen unterschiedlichen Fernsehstandards zu vereinheitlichen.
magnus.de: Darauf setzen Sie dann mit Ihrer Programmierung auf. Was unterscheidet Ihren EPG von anderen, gibt es so etwas wie eine spezielle Produkt-Philosophie?
Machacek: Wir haben sehr frühzeitig erkannt, dass der TV-Markt mit Internet und Mobile konvergiert. Die EPGs, die auf TVTV-Technologie basieren, ermöglichen daher neue Funktionen wie Fernprogrammierung über das Handy oder Internet. Entscheidend ist aber, dass wir Europa abdecken und somit für Produkthersteller eine Gesamtlösung bieten.
magnus.de: Wie finanziert sich TVTV?
Machacek: Die Datenübertragung an die TVGeräte und Recorder wird über eine einmalige Servicegebühr pro Gerät finanziert - beim Internetgeschäft sind wir auch mit Endkundenabonnements sehr erfolgreich. Inzwischen nutzen aber auch Kabelgesellschaften und Internet- Serviceprovider unsere Dienstleistung.
magnus.de: Welche Computer- beziehungsweise UE-Hersteller verwenden TVTV?
Machacek: Ein rundes Dutzend, von Fujitsu Siemens über Kathrein bis hin zu Philips, die unser System jetzt in Endgeräte wie TVs, Settop- Boxen und Recorder integriert haben.
magnus.de: Welche Erwartungen haben Sie an die weitere Entwicklung?
Machacek: Der Fernsehmarkt entwickelt sich hin zu immer größerer Programmvielfalt und höheren Gebühren. Fernsehen ist Unterhaltung, daher kommt es darauf an, ob der Zuschauer einfach und bequem die gewünschte Sendung findet - ohne endlos zu zappen. Immer wichtiger wird auch, dass die automatisch auf die Festplatte des Recorders aufgenommenen Sendungen den persönlichen Interessen entsprechen. Wir konzentrieren uns deshalb auf die notwendigen Hilfsmittel, die dies ermöglichen.