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Das 140-Zeichen-Web

Twitter spaltet Netzgemeinde

Nach YouTube gilt Twitter als der nächste große Web-2.0-Wurf. Weltweit können sich Nutzer hier in Fast-Echtzeit via Web, Chat oder Handy mitteilen. Was aber macht den Reiz eines Dienstes aus, der vorwiegend zum Austausch von Banalitäten genutzt wird?

Autoren: Redaktion pcmagazin und Klaus Manhart • 21.10.2007 • ca. 4:50 Min

Netzgemeinde
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Einfache Ideen haben oft den größten Erfolg –siehe YouTube. Nun gibt es das nächste Beispiel für die Formel "Erfolg durch Einfachheit", wieder eine Social-Webanwendung. Twitter, benannt nach dem englischen Wort für "Zwitschern", stutzt das multimediale WWW auf SMS-Niveau. Mit maximal 140 Ze...

Einfache Ideen haben oft den größten Erfolg –siehe YouTube. Nun gibt es das nächste Beispiel für die Formel "Erfolg durch Einfachheit", wieder eine Social-Webanwendung. Twitter, benannt nach dem englischen Wort für "Zwitschern", stutzt das multimediale WWW auf SMS-Niveau. Mit maximal 140 Zeichen können sich Twitter-Nutzer, die sich selbst als "Twits" bezeichnen, weltweit austauschen. Das ist nicht viel doch es reicht, um die Twitter-Frage aller Fragen zu beantworten: "Was machst du gerade?".

Die Antworten in Kurznachrichtenform, die "Tweets", kann jeder via Web, Chat oder Handy auf Twitter abladen. "Ich bin jetzt fertig mit der Arbeit"; teilt etwa Dagpotter aus USA mit während die Twitter-Gemeinde zeitgleich die Nachricht erreicht, dass in Kairo ein Hund spazieren geführt und in Tokio eine Gardine aufgehängt wird. Fällt in China Franz Beckenbauers sprichwörtliches Fahrrad um, bei Twitter könnte man es mitbekommen.

Dort würde es so klingen: "JoJo: Mir ist doch tatsächlich gerade mein Fahrrad umgefallen. Mist! Location: Peking." Neben solchen banalen Statusmeldungen findet man auf Twitter auch minimalistische Äußerungen wie "ipod on. cellphone off" bis hin zu handfesten Anfragen im Stile von "Kennt sich hier jemand mit Mathe aus?" oder auch URLs zu interessanten Diskussionen und lustigen Videos.

Die Tweets tauchen alle paar Sekunden auf Twitter.com auf, wo sie jeder lesen kann. Nicht alles auf Twitter ist jedoch öffentlich. Private Nachrichten werden nur von den "Friends" und "Followers" gelesen. Als solcher kann sich jeder Twitter-Nutzer bei jedem anderen Twitter-Nutzer eintragen. So bekommt man nur die Nachrichten angezeigt, die man auch lesen möchte.

Explosives Wachstum

Twitter wächst derzeit explosiv. Der Kurznachrichtendienst verdoppelt alle drei Wochen seine Nutzerzahl, zuletzt hatte er 30.000 Twits pro Tag. Für den rasanten Erfolg verantwortlich sind vor allem typisch menschliche Eigenschaften –die Neugier am Leben anderer Leute und der Hang zur Selbstdarstellung. Bei Twitter lässt sich dies mit einfachsten Mitteln und auf hohem Spaßniveau ausleben.

Twitter spaltet Netzgemeinde
Die Twitter-Welt: Öffentliche 140-Zeichen Botschaften werden auf die Website gepostet.
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"Erstmal war ich überrascht, als ich festgestellt habe, dass ich tatsächlich schon seit zwei Monaten Twitter nutze", schreibt ein deutscher Twit. "Als ich mich Anfang Januar angemeldet habe hielt ich Twitter für das nächste Web-2.0-Spielzeug, das ich für eine Woche nutzen würde und dann nicht mehr. Nun sind zwei Monate vorbei und ich halte es immer noch für ein Spielzeug, aber für eins, das irgendwie verdammt Spaß macht."

Spaß ist jedoch nicht der einzige Erfolgsfaktor. Auch technische Eigenschaften wie die nahtlose Verzahnung von Web, Chat und Handy machen den Dienst innovativ und interessant. Ansonsten, als Web-Solo-Anwendung, wäre Twitter nur ein weiteres Chat-Portal. Diese Verzahnung der Kommunikationskanäle erkauft sich Twitter mit der 140-Zeichen-Beschränkung – sie ist der kleinste gemeinsame Nenner des Kommunikationsmix. Das 140-Zeichen-Limit ist ein Tribut an Mobiltelefone. Neben dem Web-Interface und Instant Messaging lassen sich Tweets auch über SMS austauschen, denn durch die Zeichen-Beschränkung passen Twitter-Texte in eine SMS.

Kommunikationsvorteil

Der Vorteil des Kommunikationsmischmasch: Ganz gleich, wo man sich aufhält und mit welchem Endgerät man mit dem Netz verbunden ist, die Kommunikation klappt immer. Konkret genutzt wird dabei aber immer der vom Anwender bevorzugte Kanal. Noch hat SMS aber, zumindest in Deutschland, seine Haken.

Twitter spaltet Netzgemeinde
Twittermap stellt jede öffentliche Twitter-Botschaft auf einer Google Maps-Karte dar.
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Während nämlich Twitter selbst kostenlos ist, müssen deutsche Twits ihre Nachrichten an eine Mobilfunknummer in Großbritannien senden. Das kann, je nach Tarif, ganz schön teuer werden, soll sich künftig aber ändern. Immerhin: Für den Empfang der Nachrichten zahlt man nichts, auch nicht am Handy.

Wie kaum ein anderer Dienst spaltet Twister die Netzgemeinde. Während die einen begeistert sind, wie verschiedene Kommunikationsmittel zusammengeführt werden, erkennen andere keinen Sinn darin. Sie bemängeln, dass darüber nur unwichtige Informationen verteilt werden.

Seit ein paar Wochen wird deshalb im Netz heiß diskutiert, ob man mit Twitter nicht auch Sinnvolles anstellen kann. Und in der Tat gibt es viel Nützliches zu entdecken. Da hat etwa ein Programmierer ein Erdbeben in Mexico City Sekunden nach dem Ausbruch bei Twitter genau beschrieben, das erst Stunden später bei CNN gemeldet wurde. Ein anderer schwört auf Twitter zur Koordination weltweit verstreuter Mitarbeiter und vielbeschäftigter Familienmitglieder.

Zu den eifrigsten Nutzern gehört der amerikanische Präsidentschaftskandidat John Edwards, der seine Anhänger via Twitter über die Stationen seiner Kampagne informiert. Auch die Nachrichtenagentur Reuters, die BBC und CNN sind dem Charme der Mini-Nachrichten erlegen. Alles, was bei den News-Profis über den Ticker geht, landet in Kurzform auch bei Twitter.

Immer häufiger wird Twitter zusätzlich neben der 1-to-many- auch für die 1-to-1-Kommunikation genutzt, selbst wenn alle dabei mitlesen können. Es ist einfach extrem schneller als ein Blogpost und ersetzt damit praktisch Kommentardiskussionen auf Blogs. Weitere Anwendungen finden Sie im Kasten. Wer Twitter selbst einmal ausprobiert, kann allerdings leicht enttäuscht werden. Eine langsame Website und Downtimes müssen Nutzer derzeit regelmäßig hinnehmen.

Oft ist die Site stundenlang wegen des großen Andrangs nicht erreichbar. Weil der Ansturm in letzter Zeit so groß war, dass die Server zusammenzubrechen drohten, will Twitter-Gründer Evan Williams die Seite fürs Erste nicht mit weiteren Funktionen aufmotzen. Williams, der sein Geld mit der 2003 an Google verkauften Weblog-Plattform Blogger verdiente, überlässt den Ausbau inzwischen anderen.

Zwitschern auf Google Maps

In Mash-ups fusionieren Twitter-Fans die Seite mit anderen Plattformen: Bei Twitterverse etwa werden die häufigsten Themen dokumentiert, bei Twitterholic die eifrigsten Nutzer. Zu den eindrucksvollsten Twitter-Ablegern gehören aber Twittermap und Twittervision. Sie machen die eingehenden Nachrichten auf Satellitenbildern und Landkarten sichtbar.

Twitter spaltet Netzgemeinde
Texteln.de ist eine deutschsprachige Variante von Twitter mit integriertem Google Maps.
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Bei Twittervision blitzen alle paar Sekunden die weltweit eingegebenen Twitter-Nachrichten animiert auf Google Maps oder dem Erdball auf. Die Karte bewegt sich – da kann dann beispielsweise eine interessante Nachricht in Chile auftauchen und die nächste in Moskau. Antworten werden natürlich ebenfalls dargestellt.

Praktische Anwendungen ermöglicht Twittermap. Hier wird ebenfalls jede öffentliche Twitter-Botschaft auf einer Google Maps Karte dargestellt: Nach dem Prinzip von Google Earth kann der Betrachter hier aber jede beliebige Straßenecke heranzoomen – und erkennt an den Sprechblasen, die aus den Häusern ragen, worüber in der Nachbarschaft gerade getwittert wird. Gleichgesinnte Nachbarn können so elegant zueinander finden.

Inzwischen gibt es auch eine Reihe deutscher Klone von Twitter. Zu den bekanntesten zählt Texteln, das dem US-Vorbild recht nahe kommt und ebenfalls mit Google Maps kooperiert. Die Texteln-Gemeinde ist allerdings viel kleiner als die des Originals, Botschaften lassen sich auch nur per Webinterface oder Handy austauschen, Instant Messaging wird nicht unterstützt.

Zumindest der SMS-Versand ist dank deutscher Vorwahl billiger als bei Twitter. Auch die anderen deutschen Twitter-Klone, Fazr, Faybl oder der jüngste, Wamadu ("Was machst du?") sind im Vergleich zum Original funktional eingeschränkt.

Twitter-Links

Twitter-Homepage: www.twitter.com

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Twitter auf Google Maps: www.twittermap.com/maps

Animierte Twittermap: www.twittervision.com

Twitter Timeline: www.twitter.com/public_timeline

Was wird getwittert: www.twitterverse.com

Wer twittert am meisten: www.twitterholic.com