Teil 2: ELENA - Die legale Datensammelsoftware der Regierung
- ELENA - Die legale Datensammelsoftware der Regierung
- Teil 2: ELENA - Die legale Datensammelsoftware der Regierung
Zentrales Gedächtnis All diese Daten landen im Rechenzentrum der Zentralen Speicherstelle. Beheimatet ist es bei der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung in Würzburg. Dort sind die Datensätze verschlüsselt und pseudonymisiert gesichert. Benötigt eine Behörde Daten, um beispiels...
Zentrales Gedächtnis
All diese Daten landen im Rechenzentrum der Zentralen Speicherstelle. Beheimatet ist es bei der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung in Würzburg.
Dort sind die Datensätze verschlüsselt und pseudonymisiert gesichert. Benötigt eine Behörde Daten, um beispielsweise Sozialleistungen wie Elterngeld zu gewähren, übermittelt die Zentralstelle die geforderten Informationen. Dies erfolgt aber nur mit Einwilligung des Teilnehmers, der die Leistungen beantragt hat. Dabei weist sich der Teilnehmer mit einer Signaturkarte aus.
Das kann ein digitaler Personalausweis, eine zertifizierte Bankkarte oder die Gesundheitskarte sein. Bevor ein Teilnehmer Sozialleistungen beantragen kann, muss er sich mit seiner Signaturkarte bei dem Verfahren anmelden. Das erledigt er etwa über die Bundesagentur für Arbeit. Dabei wird beim sogenannten Registratur Fachverfahren jedem Teilnehmer ein Pseudonym zugeordnet.
Unter diesem Pseudonym wiederum werden die Daten des Teilnehmers in der Zentralen Speicherstelle gesichert. Bei diesem Verfahren werden also Identität und Daten eines Teilnehmers getrennt voneinander gespeichert.
Ab 1. Januar 2012 sollen Behörden (auch abrufende Stellen genannt) mit Einwilligung des Teilnehmers auf ELENA-Daten zugreifen können. Wer nach diesem Stichtag Arbeitslosen-, Wohn- oder etwa Elterngeld beantragen will, muss sich also keine Bescheinigung mehr von seinem Arbeitgeber besorgen. Vielmehr erhält die entsprechende Behörde die Daten auf elektronischem Wege, wenn der Antragsteller mit seiner Signaturkarte die Einwilligung dazu erteilt hat.
Das Verfahren soll nicht nur eine Entlastung für Arbeitgeber bringen, sondern auch für den Antragsteller von Sozialleistungen. So erfährt der Arbeitgeber nichts über beantragte Leistungen. Ferner sollen diese schneller berechnet werden. Und auch die Fehlerquote dürfte niedriger liegen als bei herkömmlichen Anträgen in Papierform.
Big Sisters Sammellust
ELENAs Befürworter werden nicht müde, diese Vorteile, die durchaus nachvollziehbar sind, anzupreisen. Und doch gibt es ebenso viele wie heftige Kritiker. So bemängeln Datenschützer, dass ELENA zu gierig und anlasslos Daten sammelt. Allein in den zwei Jahren, bis Behörden das ELENA-Verfahren bei der Vergabe von Sozialleistungen einsetzen, wird eine Flut von Daten gehortet.
Angehäuft werden Informationen zu über 40 Millionen Beschäftigten in Deutschland. Jedoch nur ein geringer Teil dieser Beschäftigten kommt jemals in die Verlegenheit, Sozialleistungen zu beantragen. So hamstert ELENA riesige Datenmengen, die schließlich nie weiter verarbeitet werden.
Datenschützer reden in dem Zusammenhang von unverhältnismäßiger Vorratsdatenspeicherung. Im Zusammenhang mit dem Speichern von Telekommunikationsdaten hat sich das Bundesverfassungsgericht gerade gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.
Und auch das ELENA-Verfahren wird wohl die Bundesverfassungsrichter beschäftigen. Eine von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi unterstützte Online-Petition ist beim Deutschen Bundestag eingereicht worden.
Dabei kritisiert die Gewerkschaft nicht nur die Datensammelwut, sondern auch den damit verbundenen allfälligen Datenmissbrauch. So machen vor allem Datenschützer darauf aufmerksam, dass solch eine Informationsflut zwangsläufig Begehrlichkeiten weckt. Außerdem wird kritisiert, dass ELENA-Teilnehmer keinen Ein- und Überblick über die Daten haben, die zu ihrer Person gesichert sind. Arbeitgeber müssen Daten an ELENA übermitteln.
Der Arbeitnehmer wird weder gefragt, ob er damit einverstanden ist, noch hat er die Möglichkeit, die Daten vorher zu prüfen. Anlass zur Kritik bieten dabei zum Beispiel Informationen zur Kündigung. So ist es vorgesehen und möglich, den Kündigungsgrund anzugeben. Ähnlich kritisch wird im ELENA-Datensatz das freie Feld. Arbeitgeber können dort Abmahnungen oder sonstige Bemerkungen einpflegen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) empfiehlt daher seinen Mitgliedern: "Damit der Arbeitgeber ab Januar 2010 nicht von seinen Beschäftigten mit Fragen zum ELENAVerfahren "überhäuft" wird, empfiehlt die BDA eine proaktive ELENA-Information des Arbeitgebers (Schwarzes Brett, E-Mail, Anlage zur Januar-Verdienstbescheinigung o. ä.)".
Egal, ob Arbeitgeber diesem Rat gefolgt sind, Kritiker weisen darauf hin, das ELENA-Verfahren sei ein Eingriff ins Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Beanstandet wird auch der enorme Aufwand, der für die Sicherheit dieses Datenberges betrieben werden muss. Ganz abgesehen davon, dass das Rechenzentrum des Registratur Fachverfahrens in privater Hand liegt; nämlich bei der Informationstechnischen Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherung ITSG GmbH.
Arbeitgeber wiederum kritisieren den zusätzlichen Aufwand und fürchten, dass diese Kosten in keinem Verhältnis zum späteren Nutzen stünden.
Pikant ist ferner, dass Bundestag und Bundesrat einen Vermittlungsausschuss zur Finanzierung von ELENA aufgerufen haben. Dieser hat sich im März 2010 darauf verständigt, dass bis 2013 der Bund für ELENA bezahlen soll. Erst danach werden die Bundes- oder Länderbehörden zur Kasse gebeten.