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Online-Recht

Gesetz gegen Abmahn-Abzocke

Die Zahl der Abmahnungen in Filesharing-Fällen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Weil sich inzwischen eine richtige Industrie etabliert hat, soll ein neues Gesetz Rechtssicherheit schaffen.

Autor: Rechtsanwalt Michael Rohrlich • 18.4.2014 • ca. 5:30 Min

Abmahnungen - Staatsanwaltschaft ermittelt
Abmahnungen - Staatsanwaltschaft ermittelt
© Fotolia: fotogestoeber

Der Deutsche Bundestag hat Ende Juni dieses Jahres das schon seit über zwei Jahren geplante Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet ("Anti-Abzock-Gesetz").Nach Ansicht des Bundesjustizministeriums soll dieses Verbraucherschutzpaket nicht nur rechtsmissbräuchlichen...

Der Deutsche Bundestag hat Ende Juni dieses Jahres das schon seit über zwei Jahren geplante Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet ("Anti-Abzock-Gesetz").

Nach Ansicht des Bundesjustizministeriums soll dieses Verbraucherschutzpaket nicht nur rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen, sondern darüber hinaus auch noch anderen unseriösen Methoden den Anreiz nehmen und dem Missbrauch Schranken aufzeigen, damit das punktuell gestörte Vertrauen in die Seriosität des Geschäftsverkehrs auf diese Weise zurückgewonnen werden kann.

Zwar standen bis zum Redaktionsschluss das Datum der Verkündigung der endgültigen Gesetzesfassung beziehungsweise der Tag des Inkrafttretens noch nicht fest. Früher oder später wird es jedoch definitiv Realität werden. Diese Gesetzesnovelle betrifft unter anderem folgende Bereiche:

  • unseriöse Geschäftsmethoden im Bereich der Inkassodienstleistungen,
  • unlauteres Verhalten von einigen Unternehmen,
  • überzogene Abmahnungen auf dem Gebiet des Urheberrechts,
  • unlautere Telefonwerbung.

Im Einzelnen sollen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beispielsweise

  • Kosten aufgrund von unberechtigten Abmahnungen ersetzt werden,
  • Werbemails eindeutig als solche gekennzeichnet werden,
  •  urheberrechtliche Abmahnungen nur mit beigefügter Vollmacht des Anwalts wirksam sein,
  • die Anwaltskosten für eine erste Abmahnung gegenüber Privatpersonen auf etwa 150 Euro begrenzt werden.

Inkasso

Autor: Michael Rohrlich - Rechtsanwalt
Der Autor Michael Rohrlich ist Rechtsanwalt und unter anderem auf das Recht der neuen Medien spezialisiert.
© Michael Rohrlich

Für die Inkassobranche und in erster Linie natürlich auch für alle Schuldner soll das kommende Gesetz mehr Transparenz schaffen. Zukünftig müssen Forderungsschreiben eines Inkassounternehmens daher folgende Mindestvoraussetzungen aufweisen:

  • Auftraggeber: Für wen arbeitet das Inkassounternehmen?
  • Gründe: Warum fordert es den genannten Betrag?
  • Berechnung: Wie berechnen sich die Inkassokosten?

Für den Fall, dass ein Unternehmen sich nicht an die bestehenden oder die neuen Regelungen hält, stehen den zuständigen Aufsichtsbehörden demnächst "schärfere Waffen" zur Verfügung. Es wird dann zusätzliche Bußgeldtatbestände geben, außerdem wird der Bußgeldhöchstsatz von bislang 5.000 auf dann 50.000 Euro angehoben.

In besonders schwerwiegenden Fällen droht der Widerruf der für die Inkassotätigkeit notwendigen Registrierung. Diese Sanktionen können sowohl in- als auch ausländische Unternehmen treffen.

Zudem wird die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten gesetzlich geregelt, was bis dato juristisch strittig war. In Zukunft sollen solche Kosten nur bis zu dem Betrag erstattungsfähig sein, den ein Rechtsanwalt für seine entsprechende Tätigkeit maximal verlangen kann.

Telefonmarketing

Werbung via Telefon ist den meisten Verbrauchern und auch Unternehmen eher ein Dorn im Auge. Und obwohl die telefonische Kaltakquise (so genannte "cold calls") gegenüber Privatpersonen verboten ist und mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann, werden derartige Werbeanrufe ohne die Zustimmung des jeweils Angerufenen nach wie vor durchgeführt.

Außerdem dürfen Werbeanrufe nicht mit unterdrückter Rufnummer erfolgen, die Telefonnummer des Anrufers muss dem Angerufenen angezeigt werden. Trotz all dieser bereits bestehenden verbraucherschützenden Regelungen klafft noch immer eine Lücke beispielsweise in Bezug auf Anrufe durch automatische Anrufmaschinen, denn die geltende Gesetzeslage bezieht sich auf menschliche Anrufe.

Speziell für Verträge über Gewinnspieldienstleistungen wird zukünftig für deren Wirksamkeit ein Abschluss in Textform erforderlich sein. Somit sind aufgeschwatzte Lotterielose, Lottotippgemeinschaftsbeteiligungen und Ähnliches schon bald Vergangenheit. Denn insbesondere solche Vereinbarungen enthalten oft langfristige Verpflichtungen, ohne dass der betreffende Verbraucher sich dessen bewusst ist.

Der Versuch, potenzielle Kunden am Telefon zu überrumpeln, soll durch die Textformanforderung deutlich erschwert werden. Außerdem wird die Obergrenze für Bußgelder merklich angehoben, etwa der maximale Betrag für Geldbußen aufgrund unerlaubter Werbeanrufe von 50.000 Euro auf immerhin 300.000 Euro.

Filesharing

Wahrscheinlich hat so ziemlich jeder schon einmal ein Abmahnschreiben wegen Verletzung von Urheberrechten durch illegale Downloads zu Gesicht bekommen, entweder als selbst Betroffener oder als Bekannter eines Betroffenen. Jedenfalls lässt sich das anhand der stetig ansteigenden Zahlen von Filesharing- Abmahnungen vermuten. Gerade in diesem Bereich hat sich scheinbar etwas verselbstständigt, was so von Seiten des Gesetzgebers definitiv nicht geplant war.

Im September 2008 trat § 97a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) in Kraft, der die Rechtsanwaltskosten in Filesharing-Fällen im Falle von "erstmaligen Abmahnungen in einfach gelagerten Fällen mit unerheblichen Rechtsverletzungen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs" auf 100 Euro deckeln sollte.

Die Praxis hat jedoch relativ schnell gezeigt, dass diese Begrenzung in den meisten Fällen nicht anwendbar war - zumindest nach Auffassung der abmahnenden Rechteinhaber und zum Leidwesen der Abgemahnten auch einer Vielzahl deutscher Gerichte. Daher lief dieser Versuch einer gesetzlichen Regelung faktisch ins Leere.

In Zukunft sollen sich jedoch solche massenweise verschickten urheberrechtlichen Abmahnungen nicht mehr lohnen. Das neue Gesetz soll verhindern, dass sich Anwaltskanzleien ein Geschäftsmodell mit überzogenen Massenabmahnungen bei Verstößen gegen das Urheberrecht aufbauen können, so das Bundesjustizministerium.

Daher soll eine Beschränkung der Kosten für die erste Abmahnung an einen privaten Nutzer zukünftig im Regelfall auf 155,30 Euro beschränkt werden. Genauer gesagt wird der Gegenstandswert auf maximal 1.000 Euro begrenzt, woraus sich dann die

Anwaltskosten von regelmäßig 155,30 Euro ergeben. Allerdings sind hierfür auch Ausnahmen vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, wie genau diese aussehen und welche Auswirkungen sie in der Praxis haben werden. Wie sie von deutschen Gerichten später beurteilt werden, steht ebenfalls noch in den Sternen.

Der Grundgedanke des Gesetzgebers ist es allerdings, dass nur in besonderen Ausnahmefällen von dem grundsätzlichen Wert in Höhe von 155,30 Euro abgewichen werden soll. Dazu müssen die genauen Gründe des "besonderen Ausnahmefalls" detailliert dargelegt werden. Die Beweislast hierfür trägt derjenige, der vom Regelwert abzuweichen gedenkt, also in aller Regel der Abmahnende.

Auch der so genannte "fliegende Gerichtsstand" wird im Bereich des Urheberrechts bei Klagen gegen Privatpersonen abgeschafft. Werden Urheberrechtsverletzungen im Internet begangen, so hat dies - zumindest theoretisch - deutschlandweite Auswirkungen. Nach Inkrafttreten des Anti-Abzock-Gesetzes wird sich der Kläger (also in aller Regel der abmahnende Urheber) auch bei online begangenen Urheberrechtverletzungen nicht mehr das Gericht mit der für ihn günstigsten Rechtsprechung aussuchen können. Privatpersonen dürfen ab diesem Zeitpunkt nur noch an ihrem Wohnsitz verklagt werden.

Ein weiterer Punkt, der dringend regelungsbedürftig war, ist die Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die einem zu Unrecht Abgemahnten entstanden sind. Bislang ist es ja grundsätzlich so: Wird jemand wegen einer (vermeintlichen) Urheberrechtsverletzung abgemahnt, muss er eventuell nicht nur den darin geltend gemachten Schaden (zum Beispiel entgangene Lizenz- und gegnerische Anwaltskosten), sondern zusätzlich auch noch den von ihm in Anspruch genommenen Anwalt bezahlen.

Erweist sich die Abmahnung nun als unberechtigt, so war es bislang unklar, ob der Abgemahnte seinerseits den ihm entstandenen Schaden beim Abmahnenden geltend machen kann. Lediglich in Fällen eindeutig in betrügerischer Absicht ausgesprochener Abmahnungen wurde ein Kostenerstattungsanspruch bejaht.

In Zukunft hat der zu Unrecht Abgemahnte auch dann einen Anspruch auf Ersatz seiner Anwaltskosten, wenn die mangelnde Berechtigung zur Abmahnung dem Abmahnenden erkennbar war.