Zwischen Tech-Demo und VR-Revolution
Playstation VR2 im Test: Lohnt sich die VR-Brille?
Die VR-Brille PS VR2 für Playstation 5 kann an vielen Stellen begeistern, aber auch (noch) enttäuschen. Was das bedeutet, lesen Sie in unserem Test.

Endlich ist sie da – sagen wir zumindest als sogenannte Tech-Nerds: Die VR-Brille Playstation VR2 untermauert Sonys weiteres Commitment für das Thema VR in Gaming. Das führt auf PC und Mobile schon länger ein Nischendasein und findet bei anderen Konsolen nicht statt. Wer sich seit über zehn Jahren für 3D-Inhalte und wenig später für ernstzunehmenderes VR-Spielen bis heute begeistern kann, wird die PS VR2 vermutlich schon auf dem Wunschzettel haben, bzw. sie wenigstens mal testen wollen.
Für alle anderen muss sich zeigen, ob sich die Technik und die Games lohnen, ob Sony Content sowie Features nachliefert und wie es dann beim Thema Langzeitmotivation aussieht. Unser Testbericht fasst den aktuellen Stand kurz nach dem Release zusammen und verrät u.a., was der Hersteller unserer Meinung nach noch zeitnah nachliefern sollte.
PS VR2: Ausgepackt, kurz angeschlossen, schnell eingerichtet und fertig
Im kompakten Karton der PS VR2 finden wir zwei Touch-Controller mit haptischem Feedback, die VR-Brille (ebenso mit freundlichem Feedbackmotor an der Stirn), Kopfhörer, eine Anleitung und die wichtigsten Kabel. Für 600 Euro ist das Set in Sachen Hardware komplett. Der Vorgänger PSVR war zwar zum Start 200 Euro weniger teuer, kam aber ohne Kamera fürs Tracking oder Move-Controller für immersiveres Gaming. Die Kamera ist nicht mehr nötig. Preislich kann man trotz Inflation & Co. also nicht meckern; höchstens darüber, dass altes Zubehör wie ebenjene Kamera nicht mehr kompatibel ist.
Die PS VR2 Brille selbst passt ähnlich dem weiteren offiziellen Zubehör sehr gut zum weißen PS5-Look. Auch nach fast sieben Jahren gab es seitens Sony wenig am Headset-Design an sich zu ändern. Parallel zum Schnitt einer Vokuhila-Frisur setzen Sie einen anpassbaren Plastikring auf den Schädel. Ein integriertes Gurtsystem lässt Sie den Ring fixieren sowie schnell lösen und das Headset abziehen.
An der Front ist dann die Brille mit der Technik aufgesetzt. Anschluss an die PS5 findet mit einem einzigen USB-C-Kabel zur Konsolenfront statt. Das ist zwar leider nicht so flexibel wie viele mobile Drahtloslösungen, dafür ist die Einrichtung im Vergleich zum Vorgänger aber eine echte Wohltat.
Die mitgelieferten In-Ear-Kopfhörer hängen an einem Element, das sich direkt am hinteren Teil des Bügels einstecken lässt. Ein nettes Gimmick sind Halterungen für die Stöpsel, wenn Sie den Ton anderweitig ausgeben wollen.
Das Kabel ist mit 4,5 Meter fürs überschaubare Wohn- oder Spielzimmer ausreichend bemessen, kann bei fest installierten Setups mit größer angedachtem Bewegungsspielraum aber schnell zu kurz sein. Etablierte Strategien zur Kabelführung - etwa über die Decke - grenzen den Spielbereich je nach Höhe also schnell ein. Liegt das Kabel auf dem Boden, besteht Stolpergefahr und somit ein Risiko für Ihre Gesundheit und auch die Hardware.
Ist alles angeschlossen, geht es auch schon ans Einrichten. Betätigen Sie den Hauptschalter unten an der Brille, ist ggf. nach einem Systemupdate der PS5 nur noch ein Koppeln mit den Controllern nötig. Nach wenigen Minuten und Anpassungen ihres Spielbereichs und der Darstellung sehen Sie bereits den PS5-Home-Bildschirm auf einer virtuellen Kinoleinwand. An sich wird hier der TV schon gar nicht mehr benötigt.
Das Bild empfinden wir – einmal auf die eigenen Bedürfnisse optimiert – sehr klar und scharf. Farben sind knackig und die Kontraste dank HDR - immerhin für VR-Brillenverhältnisse - sehr gut. Lob gibt es vor allem für die VR-Darstellung. Die 2D-Ansicht für Menüs oder Filme / Videos reißt mit 1080p-Auflösung aber keine Bäume aus.
Neben des ebenso vom Vorgänger übernommenen, mechanischen Abstandsreglers der gesamten vorderen Linseneinheit stellen wir auch ebenso per Drehrad den Augenabstand ein, um schnell den Sweetspot zu finden. Durch die flexible Gummiabsperrung für das Außenlicht und das typische PSVR(2)-Design, das einen größen Abstand zwischen Augen und Linsen erlaubt, haben wir auch weniger Probleme mit einer etwas breiteren Brille als etwa bei anderen VR-Headsets.
Inside-Out-Tracking und moderne, schlau integrierte Features
Das Tracking Ihrer Bewegungen mit Kopf und Controllern findet ohne Grund für Beanstandungen per Inside-Out-Technik statt. Die Kamera des Vorgängers ist obsolet, stattdessen finden wir an der Frontseite vier Kameras bzw. Sensoren, die ihre Aktionen mit Kopf und Controllern registrieren und an die Konsole weitergeben. Die Kameras dienen auch, um per Knopfdruck seine Umgebung zu sehen. Sony nennt das Durchlassansicht, sie funktioniert allerdings in eher schlechter Auflösung und niedriger Helligkeit. Ein mögliches Hochklappen der Linsenheinheit wie bei anderen Brillen wäre wünschenswert. Doch das bot die PSVR auch schon nicht. Die Ansicht reicht aber für das Nötigste (DualSense suchen, Wasserflasche finden und ansetzen, etc.). Entsprechend sollte es im Raum nicht allzu dunkel sein.
Ein Highlight für VR-Brillen in dieser Preisklasse findet sich im Inneren. Ihre Augenbewegungen werden getrackt und erlauben in kompatiblen Spielen das Steuern bspw. eines Mauszeigers. Im Menü von Horizon Call of the Mountain navigierten wir damit sehr angenehm über die Buttons anstatt wie sonst Analogsticks einzusetzen oder den kompletten Hals zu fordern. Dessen Ressourcen konnten wir dann in den unzähligen Kletterpartien des ansonsten sehr, sehr hübsch anzusehenden Abenteuers investieren. Im neuen Horizon-Ableger zeigt die PS VR2 wozu sie grafisch imstande ist. Gepaart mit natürlichen Bewegungen etwa für das Spannen eines Bogens sowie Lösen eines Pfeils schaffen die Macher ein sehr immersives Erlebnis. Dazu kommt auch noch das haptische Feedback der Touch-Controller und des Headsets. Widerstände, wenn Sie über hohes Gras streichen, sich durch Gestrüpp wühlen oder mit der virtuellen Hand ins Wasser fassen, werden simuliert und schaffen zusammen mit der heißgeliebten Horizon-Spielwelt bei Fans für echte Freude.
Horizon Call of the Mountain - Launch Trailer
Nebenbei stellt die Brille per Augen-Tracking fest, auf was Sie sich mit Ihrem Blick fokussieren und kann dort nachschärfen bzw. im periphären Sichtbereich die zur Verfügung stehende Rechenpower drosseln. Das nennt sich Foveated Rendering und erlaubt u. a. eine hohe und sehr angenehm zu spielende Performance in Gran Turismo 7. Das Fahrgefühl in einem Ihrer Boliden, die nicht spürbare Latenz bei Bewegungen und der Detailgrad der Grafik, Beleuchtung und Reflektionen, insbesondere in den Vehikeln selbst, machen Gran Turismo 7 zu einem echten Highlight. Fast hätten wir dabei verdrängt, dass im Speziellen der Simulationsanspruch von GT7 eher niedrig und im Allgemeinen der Pay-to-Win-Faktor gerade zu Release ein wenig den langfristigen Spielspaß trüben können.

Tolle erste Games und Möglichkeiten
Wer es noch actionreicher oder angsteinflößend „realistisch“ mag und auch beim Thema Motion Sickness hartgesottener ist, kann sich mit weiteren Waffen und allerlei Gadgets bspw. in Rez Infinite oder Resident Evil austoben. Beides ist für kurze Spielesessions sehr mitreißend, der Einsatz der Controller sorgt jeweils für ein tolles Spielgefühl. Auf Dauer könnte das für einige Menschen aber womöglich anstrengend werden. Eine relativ kurz haltende Batterielaufzeit der Controller von wenigen Stunden zwingt bei aktiveren Titeln immerhin zu Pausen.
Ruhiger geht es dann in Aufbauspielen wie Cities Skylines VR zu. Wer halbwegs trainierte Arme und damit keine Probleme hat, sich lange durch Menüs und Städte-Feintuning zu hangeln, der wird Skylines als Städtebauer noch immersiver wahrnehmen als schon zuvor und genau so wieder lieben lernen. Hier wünscht man sich wie auch vorher schon beim „Fliegen“ durch seine Stadt fast nur noch ein „Sims-Addon“, damit die vielen kleinen virtuellen Menschen etwas interessanter werden.
Cities: VR - Enhanced Edition - Announcement Trailer | PS VR2 Games
Wer nach einer tollen Erfahrung zum Entspannen sucht und immer mal gerne von einer Auszeit von seinem Alltag träumt, der sollte sich Kajak VR anschauen. Hier können Sie Platz auf dem namensgebenden, quirligen Wassergefährt nehmen. Die Controller sind praktisch ihre Hände am Paddel. Wer möchte und die Ausdauer hat, kann Rennen auf dem Wasser bestreiten oder sich in einer Erholungspause einfach durch die Landschaften fahren lassen und die tolle Grafik bestaunen.
Dabei verliert man aber womöglich das Highlight der PS-VR2-Anpassungen aus den Augen. Das Paddel reagiert dank der Controller sehr realitätsnah im Wasser. Der Widerstand beim Paddeln und Rudern fühlt sich authentisch an. Kommen Sie zu nah an das Ufer oder beispielsweise Felsen, können Sie sich auch – wie wir als Kajak-Anfänger - mit ihrem Paddel abstoßen.
Musik, Sounduntermalung, die Naturdarstellung inklusive Tieren und Bepflanzung schaffen ein sehr stimmmiges, immersives Gesamterlebnis. Wer sich für spezielle Titel wie Journey und Co. begeistern kann, für den eignet sich Kajak VR vermutlich als nächster Fluchtort. Wir persönlich denken, dass wir uns vermutlich noch häufiger nach stressvollen Tagen virtuell mal in Norwegen oder Costa Rica auf Seen und Flüssen treiben lassen, um einfach mal sprichwörtlich abzuschalten.
Wie schon zuvor erwähnt, erlaubt die PS VR2 sehr authentische, natürliche Bewegungen in Spielen. Sony setzt mit seiner erneuerten VR-Gaming-Offensive gerade erst an. Im Vergleich zum PC könnten hier aber deutlich mehr und vor allem optimierte Highlights warten.
Aber …
Wir befinden uns wohl in der sogenannten Honeymoon-Phase. Endlich gibt es ein Technik-Upgrade für Konsolen-VR-Gaming, die ersten Spiele machen teilweise ungemein viel Spaß. Doch wirklich lange sollte man schon aus gesundheitlichen Gründen nicht an einem Stück in VR-Welten verbringen.
Dazu kommt der Umfang der Titel, die zwar hier und da über einen Tech-Demo-Status hinausgehen können. Epische Rollenspielwelten, in denen wir wochenlang jeweils für mehrere Stunden pro Tag von Quest zu Quest eilen, spielen wir aber vermutlich weiterhin lieber klassisch vorm Bildschirm. Wir müssen vermutlich auch nicht lange überlegen, ob wir uns ein 2-Stunden-Rennen im virtuellen Spa lieber auf dem heimischen Rig vor passenden, dauerhaft scharfen Monitoren gönnen, oder uns das immerhin realistische Schwitzen unterm VR-“Helm“ antun möchten. Je nach Einstellung verrutscht der Sweetspot auch gerne mal; die Alternative sind womöglich äußere Kopfschmerzen durch ein Festzurren des Kopfgurts. Das Problem haben aber alle entsprechenden Lösungen.
Wir haben auf der PS VR2 in den ersten Stunden echte Highlights genießen können. Ein echter Systemseller, der die typischen Gelegenheitsspieler von Fortnite, FIFA oder sogar Animal Crossing abholt, auf einen solchen müssen wir wohl noch warten. Vielleicht erlaubt das PS-VR2-Momentum, das hier und da neue Spielkonzepte entstehen, die uns von unserem „Doch lieber wie sonst“-Zocken häufiger wegkommen lassen und nicht nur bestehende VR-Langzeitfans anziehen. Zugegebenermaßen ist das lange Spielen "am Stück" eher nicht das Ziel bei VR. Langzeitmotivation für kurze Sessions ist aber durchaus etwas für die Wunschliste. Ein gutes Beispiel sind Titel wie Beat Saber oder toll gelöste Abenteuer wie Moss. Wir sind auf jeden Fall gespannt, was die Zukunft für PS VR2 noch bringt.
PS VR2: Das fehlt (noch)
Die PS VR2 ist frisch auf dem Markt. Und wie beim Vorgänger könnten Features nachgereicht werden. Was Neulingen natürlich sauer aufstoßen könnte ist, dass eine PS5 Pflicht ist und die PS VR2 auch nur an einer solchen funktioniert. Ein weitreichender Support am PC könnte eventuell (wieder) aus der Modding-Szene kommen. Doch hier heißt es: Geduld bewahren.
Auch wäre es toll, wenn Sony trotz Generationswechsel nicht das PSVR-Zubehör ignorieren würde. Die PSVR-Kamera lässt sich dank Adapter immerhin anschließen. So könnten beispielsweise ein Aim-Controller oder alte Move-Sticks angesprochen werden - dann würden nur noch Patches für neue VR-Shooter fehlen (abgesehen wohl von einer Lösung, wie sich Kamera- und Inside-Out-Tracking sinnvoll und ohne Aufwand verbinden lassen).
Die PS VR2 lässt Sie außerdem Blu-rays und auch UHD-Disks im Kinomodus (mit einer virtuellen Leinwand) abspielen. Was noch nicht funktioniert, sind 3D-Blu-rays – auch wenn es wie eingangs angedeutet und allgemein bekannt – immer weniger Fans des Formats gibt. Ebenso lassen sich noch keine heruntergeladenen VR-Videodateien abspielen. Die Mediengalerie ignoriert Medien von USB-Datenträgern. Player wie Sonys „Meine Videos“ sind auf Store-Käufe optimiert und RAD (ehemals Little Star) scheint noch nicht so weit zu sein.
Fazit:
Die PS VR2 ist durch aktuelle Technik – sowohl in Sachen Specs als auch Feature-seitig (Tracking, Foveated Rendering) – ein echtes Highlight. Die Einrichtung ist kinderleicht und die Funktionen und bisherigen Spieleoptimierungen und -anpassungen entsprechen dem, was sich VR-Spielefans wünschen: unter anderem natürliche Bewegungen, die nahtlos ins (realitätsnah aussehende) Spiel übertragen werden. Die ersten PS-VR2-Titel vermögen das Potenzial sehr gut aufzuzeigen.
Sony und die Studios sind nun gefordert, ihr VR-Commitment nicht versanden zu lassen. Besserer Mediensupport und (zumindest im Traum) eine offizielle Unterstützung am PC wären sehr wünschenswert. Ein fortwährendes, innovatives Ausnutzen der PS-VR2-Technologien halten wir mittel- und langfristig für nötig: tolle Software, die neu ist und man spielen und nutzen will. Das Potenzial für eine Revolution ist auf jeden Fall da!