Weißabgleich
Bei Sachaufnahmen fällt ein Farbstich unangenehm auf. Bei atmosphärisch stimmungsvollen Aufnahmen wie Sonnenuntergängen macht er den Reiz aus. Horst Gottfried erläutert, wie Sie mit dem Weißabgleich die Farbstimmung steuern.

- Weißabgleich
- Farbtemperatur
- Tipp
Licht hat viele Farben. Unsere Augen sehen zwar Helligkeitsunterschiede, Farbunterschiede des Lichts nimmt unser Gehirn aber meist gar nicht wahr. Es ist programmiert darauf, Weiß immer als Weiß zu sehen, egal, ob wir ein Buch am hellen Strand, im Schein der Sofaleuchte oder im kalten Leuchtstoffr...
Licht hat viele Farben. Unsere Augen sehen zwar Helligkeitsunterschiede, Farbunterschiede des Lichts nimmt unser Gehirn aber meist gar nicht wahr. Es ist programmiert darauf, Weiß immer als Weiß zu sehen, egal, ob wir ein Buch am hellen Strand, im Schein der Sofaleuchte oder im kalten Leuchtstoffröhrenlicht eines Warteraumes lesen. Wer aber mit Farbfilm unter solch wechselnden Bedingungen fotografiert, erhält unterschiedlich farbstichige Bilder. Dieses Problem tritt bei Digitalkameras deutlich seltener auf als bei Analog-Kameras, denn der automatische Weißabgleich in Digitalkameras erledigt das, was beim Menschen das Gehirn macht. Er sorgt für eine neutrale, "richtige" Farbwiedergabe unter wechselnden Lichtquellen - zumindest theoretisch. Gemessen wird die Grundlage des Weißabgleichs, die Farbtemperatur in "K" = Kelvin auf dem Sensor. Dabei wird gewöhnlich nur der gewählte Motivausschnitt erfasst. Das kann bei monochromen Motiven zu Fehlergebnissen führen. Mit Motiverkennung steuern die Firmen gegen. Zusätzlich sind einige SLR-Kameras wie die neue Olympus E-3 mit einem separaten Sensor ausgestattet, der den Charakter des Umgebungslichtes unabhängig vom Motiv misst.Aber wie in anderen Fällen auch, trifft die Automatik die richtige Wahl meist nur, wenn keine besonderen Bedingungen herrschen. Und was die Automatik für richtig hält, muss dem Fotografen nicht unbedingt gefallen. Bei Motiven und Szenen mit ungewöhnlichen Lichtbedingungen kann der korrekteste Weißabgleich schnell zum Stimmungskiller werden, etwa wenn er einen spektakulären Sonnenuntergang mit seinen typischen, warmen, orange-roten Farben zum blässlich weiß-gelben Allerweltsereignis macht.

Darum ist es gut, dass die meisten Digitalkameras, nicht nur die SLR-Modelle, dem Fotografen wähl- und beeinfussbare Fest-Einstellungen für den Weißabgleich bieten. Festwerte werden oft durch Symbole wie Wolken, Glühlampe oder Leuchtstoffröhre charakterisiert. Manche Kameras bieten auch Kelvin-Werte wie 2500 oder 6600 K an. Bei anderen kann der Weißabgleich über eine Art Lichwaage fein justiert werden. Hinzu kommt häufig eine manuelle Messung auf eine Ersatzfläche.

Wo Licht ist, ist auch SchattenWer sich bei Tageslicht auf den automatischen Weißabgleich verlässt, findet besonders um die Mittagszeit zu kühle Farben im Schatten einer Hauswand, graue Felsen im Gebirge oder an der Küsten wirken bläulich, grüne Wiesen oder Laubwerk nicht mehr so natürlich. Ursache dafür ist die diffuse Aufhellung der Schatten durch reflektiertes blaues Himmelslicht. Die Farbtemperatur kann dabei 10 000 K und mehr betragen, weit mehr als bei direktem Sonnenlicht. Wenn Ihnen dieser Effekt störend auffällt, ist die Einstellung des Weißabgleichs auf "Schatten" (ca. 7000 - 8000 K) oder "Wolke" (ca. 6000 K) das Mittel der Wahl.

Damit verschwindet der unschön kühle Farbstich zugunsten einer freundlicheren Stimmung. Von der etwas wärmeren Farbstimmung profitiert meist auch die Hauttonwiedergabe, bei der Einstellung auf "Schatten" noch etwas stärker ausgeprägt als bei derjenigen auf "Wolke".
Die Festeinstellungen "Tageslicht" oder treffender "Sonnenschein" (ca. 5200 K) und Blitzlicht (ca. 5500-6000 K) werden weniger als Korrektur benötigt, sondern eher wenn es darum geht, ganze Bildserien mit unveränderter Farbtemperatureinstellung unter den entsprechenden Bedingungen zu fotografieren.

In die Kritik gerät der automatische Weißabgleich bei Tests oft bei Kunstlicht wegen objektiv viel zu gelb- bis rötlicher Farbwiedergabe. Die Ursache dafür liegt aber weniger in fehlerhafter Technik als vielmehr in dem begrenzten Regelbereich der Automatik: Canon EOS 400D: auto 3000-7000 Kelvin, manuell 2000-10 000 K; Pentax K10D: auto 4000-8000 K, manuell 2500-10 000 K.
Hinzu kommt die Annahme der Konstrukteure, dass die meisten Menschen den warmen Charakter von Kunstlichtmotiven auch im Foto wiederfinden wollen. Dementsprechend stimmen sie den automatischen Weißabgleich mehr oder weniger praxisgerecht ab. Das Ergebnis ist Geschmackssache. Wenn es Ihnen nicht gefällt, wählen Sie für den Weißabgleich die durch das Symbol "Halogenstab" dargestellte Einstellung. Dahinter steht meist eine Abstimmung auf die ca. 3200 K von Halogenlicht. Das Licht konventioneller Glühlampen mit 2800 K erscheint damit immer noch wärmer. Daher bieten viele Kameras auch noch eine separate Einstellung "Glühlampe" .Zu den Spezialfällen gehören Leuchtstoffröhren. Sie entziehen sich dem Raster der üblichen Farbtemperaturen, da ihr Lichtspektrum Lücken aufweist. Die Folge ist ein eigenartiger Farbstich, der ins Grünliche geht, allerdings bei verschiedenen Typen der Leuchtstoffröhren unterschiedlich. Die Canon EOS 400D bietet als Gegenmittel unter dem "Neonröhre"-Symbol eine Festeinstellung auf 4000 K, die Pentax K10D ist mit weitergehenden Untereinstellungen für D (6500 K, Tageslichtröhre), N (5000 K, Lichtröhre neutral-weiß) und W (4200 K, Röhre warm-weiß) noch flexibler. Praktisch dabei ist die Kontrollmöglichkeit auf dem Monitor der K10D schon vor der Aufnahme.
Weißabgleich nach MaßWer den Weißabgleich unter einer bestimmten Lichtquelle - oder bei Mischlicht auch aus verschiedenen Quellen - für sein Motiv optimal einstellen will, findet die Möglichkeit dazu meist unter dem Symbol "Waage". Um den Weißabgleich individuell zu definieren, visiert man dann eine weiße oder graue, farblich neutrale Fläche an, die im Foto ohne Farbstich erscheinen soll und drückt dann den Auslöser (z. B. bei der Pentax K10D). Alternativ geht man ins Menü, sucht aus den gespeicherten Fotos eines heraus, das neutral erscheinen soll und drückt die SET-Taste (etwa bei der Canon EOS 40D). Der so bestimmte Wert bleibt dann unter dem Symbol der Waage gespeichert, bis er mit der geschilderten Prozedur erneut definiert wird. So können Sie die optimale Einstellung für Ihr Wohnzimmer mit Beleuchtung durch einen Mix aus normalen und Halogen-Glühlampen definieren und ihn jederzeit schnell abrufen. Anspruchsvolle aktuelle SLR-Kameras wie Canon EOS 1Ds Mark III, Nikon D3 und Olympus E-3 erlauben das Speichern mehrerer Voreinstellungen.
In der digitalen Fotopraxis kann, wie bei der Belichtung, auch beim Weißabgleich eine Bildserie mit unterschiedlichen Einstellungen hilfreich sein. Dafür bieten besser ausgestattete SLRs eine entsprechende Belichtungsreihenautomatik. Sie belichtet, ausgehend von der automatisch als "richtig" erkannten oder manuell gewählten festen Weißabgleichseinstellung weitere Fotos mit niedrigerer und höherer Farbtemperatur.
Viele SLR-Modelle erlauben eine Feinabstimmung des vorgewählten Weißabgleichs. In einer Art Koordinatenkreuz lässt sich unter dem jeweiligen Menüpunkt die Farbbalance auf den Achsen Blau/Gelb bzw. Magenta/Grün in feinen Abstufungen verschieben.

UnmöglichesBei partiellen Farbstichen im Foto hilft kein Weißabgleich. Wenn ein Mensch im roten Gummiboot auf dem Foto eine rote Haut zeigt, liegt das gewöhnlich ebensowenig an einem fehlerhaften Weißabgleich wie ein grünlicher Schleier über dem weißen Brautkleid unter dem Baum auf einer grünen Wiese. Große Flächen mit intensiven Farben strahlen entsprechend auf andere Motivdetails ab, was sich vor allem in hellen Bereichen bemerkbar macht. In so einem Fall bleibt dem Fotografen nur die Wahl, sein Motiv anders zu platzieren oder die betroffenen Bereiche nachträglich im Bildbearbeitungsprogramm zu korrigieren. Dafür wie auch für eine spätere Festlegung des endgültigen Weißabgleichs eignen sich im RAW-Format gespeicherte Fotos am besten.
Praktische AnregungenTesten Sie doch mal unter verschiedenen Lichtverhältnissen die unterschiedlichen Weißabgleichseinstellungen. So gewinnen Sie ein Gefühl für die Möglichkeiten. Verwenden Sie für die manuelle Abstimmung als Referenz einen Bogen weißes Papier oder auch eine Neutral-Graukarte. Wenn diese Objekte farbrichtig wiedergegeben werden, stimmen auch die bunten Farben. Wer experimentieren will, misst auch mal auf farbige Flächen und erzielt mit dem Weißabgleichsergebnis teils surreal wirkende Ergebnisse. Unser spontanes Drei-Minuten-Experiment lief so: Weißabgleich auf ein blaues Mousepad unter gemischtem Tages-/Neon-Licht, anschließend draußen Fotos, die mit ihrem Sepia-Grundton bei reduzierter Farbigkeit an die Frühzeit der Farbfotografie erinnern. Mit welcher Weißabgleichseinstellung ein Foto jeweils gemacht wurde, können Sie übrigens später in einem Bildbearbeitungsprogramm kontrollieren, das die entsprechenden Exif-Daten anzeigt.



