Report: Firmen im Wandel
Die britische Firma Naim Audio hat einen weiten Weg hinter sich, aus der analogen Freak-Ecke in die digitale Netzwelt zeitgemäßer AV-Anlagen. Trotzdem bleibt Naim im Kern, was es schon immer war: erfrischend anders.

- Report: Firmen im Wandel
- HiFi- Unterhaltungselektronik
Der Zopf ist ab. Als Geschäftsführer von Naim Audio im englischen Salisbury trennte sich der ehemalige Vertriebsleiter Paul Stephenson von seiner Haarpracht (augenzwinkernd: "Da, wo ich jetzt verkehre, passte das nicht mehr") und warf nebenbei auch in seinem 1969 gegründeten Unternehmen einige al...
Der Zopf ist ab. Als Geschäftsführer von Naim Audio im englischen Salisbury trennte sich der ehemalige Vertriebsleiter Paul Stephenson von seiner Haarpracht (augenzwinkernd: "Da, wo ich jetzt verkehre, passte das nicht mehr") und warf nebenbei auch in seinem 1969 gegründeten Unternehmen einige alte Gewohnheiten über Bord.
Galt es 1991 schon als kleine Sensation, dass die als besonders spleenig geltenden, scheinbar mit der Schallplatte verwachsenen Briten einen CD-Player vorstellten, schrecken sie inzwischen nicht einmal vor Vernetzung, Digital-Endstufen und Auto-HiFi zurück.

Auch das Design entspricht mittlerweile eher dem haptischen Ideal der betuchten Kundschaft, die auf dem Kontinent mit High-End überwiegend tresorartige Haptik verbindet. Acht Jahre nach dem tragischen Krebstod des charismatischen Firmengründers Julian Vereker hat sich Naim vom Nischenhersteller zum Beinahe-Mainstream gewandelt.Allerdings begann diese unter dem 55-jährigen Stephenson vollendete Entwicklung schon zu Lebzeiten des Selfmade-Mannes aus Oxford, der nach bewegten Jahren als Rennfahrer Ende der 60er-Jahre in Salisbury mit der Produktion von audiosignalgesteuerten professionellen Lichtanlagen begann. Vereker zeigte sich immer offen für Neues.
So beschränkten sich seine zahlreichen, stets von Leidenschaft geprägten Unternehmungen auch nach 1971, als Vereker mit der Fertigung von Audio-Verstärkern begann, keineswegs nur auf HiFi. Der Sohn aus einer Lehrerfamilie steckte viel Energie in die Vervollkommnung von Segelyachten.
Sein sicher aufsehenerregendstes Projekt war die Windex 49, die er mit dem Bootsbauer Hunter entwickelte. Das Besondere daran: Die Yacht verfügte über ein computergesteuertes aktives Ballast-System. Doch im Hause Naim betrat Vereker ständig Neuland.Sein liebstes Projekt der letzten Jahre war die Erforschung und Ausmerzung von Schwächen in der gesamten CD-Produktionskette. Aus diesem Steckenpferd entstand ein prächtig gedeihendes, angesehenes Musiklabel, das inzwischen in die Sparten Classical, Contemporary und Edge unterteilt, kurz vor dem Einstieg ins Geschäft mit hochauflösendern Online-Downloads steht.

Als Fortsetzung von iPod mit anderen Mitteln darf auch das neueste Prestige-Projekt im Heimbereich, der Festplattenspieler HDX, gelten. Der dicke Brummer lässt sich nicht nur durch externe Netzteile - eine typische Naim- Spezialität - klanglich aufrüsten, er besitzt auch, anders als übliche Harddisk-Player, eine zweite Festplatte zur Datensicherung.Naim war niemals bei den ersten, die eine neue Technik übernahmen, präsentierte aber stets äußerst praxisgerechte, benutzerfreundliche Lösungen. Kein Zufall, sondern Prinzip: Bevor eine neue Naim- Komponente in den Handel kommt, muss sie sich erst zu Hause bei den Entwicklern und dem Management bewähren. So spielte der erste CD-Player CDS bereits ein Jahr im Heimkino-Musikzimmer von Julian Vereker, bevor er der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Diese langfristige Denkart zahlt sich für Kunden aus. Ungeachtet der vergleichsweise bescheidenen Firmengröße hortet Naim massenweise Ersatzteile, um zu gewährleisten, dass selbst über 30 Jahre alte Geräte, die zum Service kommen, perfekt wiederhergestellt werden können.