Premiere-Verschlüsselung: Segen oder Fluch?
Für Pay-TV-Piraten brechen harte Zeiten an: In Kürze wird Premiere seine Verschlüsselung radikal verändern. Allerdings könnten die Neuerungen auch für brav zahlende Abonnenten Nebenwirkungen haben. Wir klären, was sich ändert.

- Premiere-Verschlüsselung: Segen oder Fluch?
- NDS Videoguard
Der Krieg zwischen Premieres Verschlüsselungssystem Nagravision Aladin und den nimmermüden Pay-TV- Hackern ist längst entschieden. Bereits 2005 sind erste Hacker-Smartcards aufgetaucht, die das Verschlüsselungssystem überwinden. Echter Handlungsbedarf bestand für die ehemalige Kirch-Tochter zu...

Der Krieg zwischen Premieres Verschlüsselungssystem Nagravision Aladin und den nimmermüden Pay-TV- Hackern ist längst entschieden. Bereits 2005 sind erste Hacker-Smartcards aufgetaucht, die das Verschlüsselungssystem überwinden. Echter Handlungsbedarf bestand für die ehemalige Kirch-Tochter zu dieser Zeit noch nicht, denn besagte Hacker-Karten waren relativ teuer und nur für in die Szene Eingeweihte auf illegalem Weg zu bekommen.Seit Ende letzten Jahres jedoch ist das erfolgreichste deutsche Bezahlfernsehen offen wie ein Scheunentor. Die in den dunklen Ecken des Internets allenthalben zu findenden Emulatoren für in der Szene gängige DVB-Receiver sind inzwischen so ausgefuchst, dass sie sich selbst durch einen zeitweise täglich durchgeführten Schlüsselwechsel nicht beeindrucken lassen. Wie bei einer Original-Abokarte übernehmen auch die gängigen Emulatoren die neuen Schlüssel automatisch, ohne dass dies der Pay-TV-Knacker überhaupt noch mitbekommt. Diese im Hacker-Kreisen "Auto-Update" - kurz AU - genannte Funktion erleichtert den "Premiere-Hack" soweit, dass selbst technische Laien mit den illegalen Systemen problemlos klarkommen. Mehr noch: Der Hack bietet dank fehlendem Jugendschutz-Pin und unbegrenztem Zugang zu den Erotik- und Pay-Per- View-Angeboten weit mehr Komfort, als ein teuer bezahltes Abonnement.
Dieser Umstand war nicht nur Premiere selbst ein Dorn im Auge, auch die zahlenden Kunden kommen sich mehr und mehr veräppelt vor. Schließlich geben sie für eine Leistung gutes Geld aus, die sich andere für lau erschleichen. So ist es wenig verwunderlich, dass die in der Gerüchteküche der Hacker-Szene schon für das Frühjahr 2008 einen System- und damit auch Kartenwechsel voraussagt wurde, der dem Treiben der Pay-TV-Piraten ein jähes Ende bereiten soll.
Ein Kartenwechsel ist deshalb nötig, weil bislang alle Versuche, die bestehende Hardware wieder dicht zu bekommen, kläglich gescheitert sind. Den entscheidenden Durchbruch konnte folglich nur ein neues Verschlüsselungssystem bringen, das die Hacker zwingt, wieder bei Null anzufangen.
Dass der Kartenwechsel nun erst jetzt kommt, dürfte vor allen an der heterogenen DVB-Hardware liegen, die bei den Kunden im Wohnzimmer steht. Für nicht weniger als 150 Premiere-zertifizierte SAT- und Kabel-Receiver gilt es sicherzustellen, dass sie mit den neuen Smartcards zurecht kommen. Dass es sich allein schon deshalb beim Kartentausch um einen "sehr komplexen Vorgang" handelt, wie Premiere Pressesprecher Michael Jachan betont, darf dabei sogar noch eher als Understatement gelten.
Schließlich wird man sich bei Premiere noch mit Grausen an verärgerte Kunden erinnern, die 2003 beim Umstieg von Irdeto-Betacrypt auf Nagravision Aladin plötzlich vor einem schwarzen Bildschirm saßen und auch die vielen Updates, die seit dem am Verschlüsselungssystem vorgenommen wurden, sorgten bei der zahlenden Kundschaft immer wieder für Unmut.
Systemwechsel

Doch diesmal soll alles glatt gehen. Bereits seit Ende Juli wird der Fachhandel mit den neuen Smartcards beliefert. Zur Auswahl stehen Karten mit einem neuen, abgeänderten Nagravison des Schweizer Herstellers Kudelski, sowie Karten mit dem englischen System NDS-Videoguard. Vor allem von letzteren verspricht sich Premiere einen guten Schutz, gilt es doch seit seiner Einführung 1998 als nicht gehackt.
Ob der Kunde eine Nagra-oder NDS-Karte bekommt, hängt davon ab, ob der verwendete Receiver auf NDS upgedated werden kann oder nicht. Kunden, deren Receiver per Update via Satellit auf eine NDS-fähige Firmware umgestellt werden, erhalten eine Bildeinblendung, die sie dazu auffordert, eine neue Smartcard anzufordern.
Dies kann der Kunde telefonisch oder online vornehmen. Alle anderen Kunden erhalten automatisch eine Karte mit der neuen Nagravison-Version. Neukunden, die einen alten, Premiere-zertifizierten, aber nicht updatefähigen Receiver besitzen, können ebenfalls eine Nagarvisons-Karte anfordern.
Falls Sie beides besitzen, einen NDS-updatefähigen Receiver und einen dafür nicht geeigneten Empfänger, und dabei die Karte im Wechsel einsetzen wollen, haben sie allerdings ein Problem. Laut Premiere funktionieren auf NDS geupdatete Receiver nicht mit den Nagra-Karten.
Falls Sie also z.B. im Schlafzimmer eine alte DBox stehen haben, die Sie im Wechsel mit einem NDS-Receiver betreiben wollen, hilft nur ein Anruf bei Premiere. Laut Angaben der Pressestelle wird man sich dort um eine individuelle Lösung (Receivertausch oder zusätzliche Abokarte zu Sonderkonditionen) bemühen.