Die besten Videoschnitt-Programme
Alles fließt: Die einst scharfen Grenzen zwischen Schnittprogrammen für Amateure und hoch professionellen Systemen lösen sich zunehmend auf. Dennoch gibt es für jeden Anwendertyp unterschiedliche Anforderungen - und die beste Lösung.

Martin will auf die Schnelle aufgezeichnete TV-Sendungen von lästiger Werbung befreien und ansprechende Urlaubsvideos im Freundeskreis vorführen. Anja verdient sich etwas Geld mit Hochzeitsvideos, Susanne ist hauptberufliche Cutterin beim Hessischen Rundfunk. Welche Formate sind zu bearbeiten? ...
Martin will auf die Schnelle aufgezeichnete TV-Sendungen von lästiger Werbung befreien und ansprechende Urlaubsvideos im Freundeskreis vorführen. Anja verdient sich etwas Geld mit Hochzeitsvideos, Susanne ist hauptberufliche Cutterin beim Hessischen Rundfunk.
Welche Formate sind zu bearbeiten?
Welches Programm empfiehlt sich nun für Martin, Anja und Susanne? Drei Anwender, drei unterschiedliche Antworten. Für Gelegenheitsanwender Martin kommt es vor allem darauf an, dass er das Material seiner AVCHDKamera stressfrei weiterbearbeiten kann. Zudem sollte das Programm seiner Wahl maximal rund 100 Euro kosten. Anja verwendet für Hochzeits-, Industrie- und Webfilme in der Regel eine HDV-Kamera, sollte aber auch die höherwertigen P2- und XDCAM-HD-Materialien verarbeiten können.
Die Ausgabe sollte direkt auf DVD und Blu-ray erfolgen und vor allem schnell gehen. Wer wie Susanne an Fernsehoder gar Kinofilmen arbeitet, benötigt auch eine optimale Unterstützung für Profi-Formate wie R3D der RedOne-Kinokameras. Dafür dürfen Hard- und Software auch mehr kosten - einschließlich Einarbeitungszeit.
Der Amateur: Urlaubsfilme zum Genießen
Der "Prototyp" des anspruchsvollen Urlaubsfilmers ist Martin: In den Wintermonaten sitzt er Wochenende für Wochenende an seinen Werken, im Sommer hält er sich lieber im Freien auf.

Wie die meisten anspruchsvollen Amateure hat sich Martin eine inzwischen sehr preiswerte AVCHD-Kamera zugelegt. Von früher besitzt Martin aber auch noch eine Schachtel voller DV-Bänder und eine alte DV-Kamera mit Firewire-Anschluss.
Für Martins Ansprüche vollauf ausreichend ist bereits das Programm Magix Video deluxe. Video deluxe steuert bandbasierte Medien wie DV- oder HDV-Zuspieler, sogar eine Batchaufnahme - selten genug, nicht nur in dieser Preisklasse - ist möglich. Die Ausgabe optimiert das Ergebnis auf Wunsch bereits für Videoportale wie Youtube und lädt den fertigen Film hoch. Es gibt diese Software in einigen Varianten bereits ab 69,99 Euro. Die "größeren" Pakete unterscheiden sich vor allem durch zusätzliche Effektfilter und Vorlagen.
Schon die Standardversion bietet alle für Urlaubsvideos wichtigen Ausgabe-Optionen einschließlich der Möglichkeit, Blu-ray-Discs oder DVDs auszugeben. Die im Standard-Paket mitgelieferten Vorlagen überzeugten uns jedoch nicht - aber das macht nichts, für die paar Euro kann man sich schon mal die Mühe machen, eigene Vorlagen zu erstellen oder bessere Entwürfe zusätzlich zu kaufen.
Dafür verwöhnt Video deluxe die Anwender mit besonders vielen Schnitt-Optionen. Sogar eine genaue einstellbare Bildstabilisierung liefert der deutsche Anbieter mit.
Die Benutzerführung des Programms ist bisweilen gewöhnungsbedürftig. Immerhin hilft eine gründliche Dokumentation und gute Assistenten über die meisten Einstiegshürden hinweg. Gegenüber praktisch allen anderen gängigen Programmen unterscheidet sich Magix durch die Anordnung der Videospuren in der Zeitleiste: Die oberste Spur ist die unterste. Oft führt mehr als ein Weg zum Ziel, zu bevorzugen ist in der Regel der Klick auf die einschlägige Funktion in der Programmoberfläche, nicht der umständliche durch die Untermenüs.
An seine Grenzen stößt Video deluxe bei komplexen, großen Projekten mit zahlreichen Quellen und vielen Schnitten: Dann, erst dann, machen sich die fehlenden hierfür idealen, fortgeschrittenen Funktionen bemerkbar - etwa wie die Option, Projekte in mehreren Sequenzen zu schneiden.
Wer sich an Magix Video deluxe gewöhnt hat und an die Grenzen des Funktionsumfangs stößt, kann zu Video Pro X aufsteigen. Es enthält für 399 Euro erweiterten Formatsupport (XDCAM, AVC-Intra, DVCPRO und ProRes), eine primäre und sekundäre 3-Wege-Farbkorrektur und das MultiCam-Editing auf bis zu neun Spuren.
Wem Video deluxe zu umständlich ist, sollte sich alternativ das Avid Studio ansehen. Es hinterlässt einen sehr aufgeräumten Eindruck. Leider fehlen dem Studio viele der schönen Schnitt-Funktionen von Video deluxe, die wichtigsten Grundfunktionen sind enthalten.
Der A/V-Profi: Webclips, Firmen- und Hochzeitsvideos
Für Anja ist Zeit Geld. Sie zählt zu den A/V-Profi-Anwendern, die den kürzesten Weg von A nach B nehmen - Umwege bekommt sie nicht bezahlt.
Da das Ergebnis ihrer Arbeit ohnehin im Web, auf DVDs oder bestenfalls Blu-ray-Discs landet, arbeitet Anja vorwiegend mit HDV-Kameras. Diese liefern mit 19, je nach Modell maximal 24 MBit/s und 4:2:0-Komprimierung zwar weniger Qualität als die 50 bis 100 MBit/s der XDCAM-HD- oder P2-Kameras mit 4:2:2-Komprimierung - ihre Auftraggeber sind aber nicht bereit, den Mehrpreis zu zahlen.
Geheimtipp: "Rennmaschine" Edius

Für Anja ist die noch recht unbekannte Software Grass Valley Edius ideal: Das robuste, klar aufgebaute und vorbildlich supportete Programm unterstützt die gängigen Dateiformate hervorragend und zeigt bereits auf "normalen" Maschinen allen anderen Schnittprogrammen die Rücklichter. Unterschiedliche Dateiformate mit abweichenden Daten- und Kompressionsraten lassen sich in einer Edius-Zeitleiste mühelos mixen. Selbst hoch auflösende Filmsequenzen mit vielen Ebenen spielt Edius ruckelfrei in der Vorschau ab und berechnet das Ergebnis in der Regel deutlich schneller als Echtzeit.
Die für Sommer 2012 angekündigte Version 6.5 verspricht unter anderem deutlich erweiterte 3D-Funktionen und bessere Unterstützung der beliebten RedOne-Filmkameras. Für Edius gibt es mit K2 auch ein Redaktionssystem und vom Hersteller selbst passende Hardware etwa für die Ausgabe am Fernseh-Kontrollmonitor.
Detailschwächen hat Edius bislang bei einzelnen Filtern und auch der mitgelieferte Titler lässt sich nicht präzise genug einstellen. Zusatz-Filterpakete wie die Boris Effects gleichen diesen Nachteil aus. Grass Valley Edius kostet 639 Euro, immer wieder lässt sich aber für 399 Euro ein Crossupgrade erwerben.
Eine Alternative zu Edius ist Premiere Pro für 1010 Euro, das seit Version 5 mehr und mehr Profis ernst nehmen. Mittlerweile profitiert Premiere durch die Unterstützung mehrerer Prozessorkerne und von der Mercury Engine, die Effekte viel schneller mit CUDA-Unterstützung berechnet.
Der Profi: Film- und Fernsehschnitt

Seit sich Apple mit Final Cut Pro X deutlich stärker an Heimanwendern orientiert als zuvor, heißt die Alternative für Profi-Cutter bei Film und Fernsehen: Avid oder Avid?
In der Tat dominieren der Avid Media Composer und sein großer Bruder Avid DS den Bereich der Film- und Fernsehstudios. Bereits der Preis von rund 2600 Euro zeigt, dass Avid den Media Composer im Profi-Segment ansiedelt. Er unterscheidet sich durch ein komplexes, für den täglichen Einsatz konzipiertes Bedienkonzept deutlich vom Mitbewerb: Um den Media Composer optimal zu bedienen, sind mehrwöchige Schulungskurse ratsam - einfach hinsetzen und via Versuch & Irrtum lernen, funktioniert erfahrungsgemäß nicht besonders gut.
Dafür verwöhnt der Avid Profis wie Susanne mit teils einzigartigen Funktionen. Wer sie verstanden hat, kann höchst effizient und außerordentlich präzise schneiden. Ein Beispiel für viele: Mit Find Flash Frame lassen sich störende Blitzer auch in größeren Projekten flott finden.
Optimiert für Profi-Formate
Bereits der Media Composer bietet eine ganze Reihe von Funktionen, die die Zusammenarbeit in Teams erleichtern. So lässt sich die Zeitleiste mit anderen Anwendern teilen oder als private vor unbefugten Zugriffen schützen. Auch in der aktuellen Version hat Avid die Direktverlinkung (AMA, Avid Media Access) auf viele gängige und vor allem professionelle Dateiformate wie XD CAM HD oder R3D erweitert. Dadurch entfällt das früher zeitraubende Einlesen und in Avid-Formate Umwandeln.
Neben den opulenten Schnittfunktionen liefert Avid besonders viele und qualitativ überzeugende Effekte und enorm viele Compositing-Optionen mit. Avid DS bietet zudem noch mehr Möglichkeiten zur Farbkorrektur und unterstützt zusätzliche Formate. Zur Avid-Alternative mausert sich zunehmend Premiere Pro.
Auch das Adobe-Programm profitiert enorm durch die GPU-Beschleunigung via CUDA-Grafikkarten. Wie bei Avid ist für Premiere Pro eine leistungsfähige Hardware Pflicht. Avid geht sogar noch einen Schritt weiter und bietet Profi-Support nur, wenn Anwender von Avid zertifizierte Konfigurationen einsetzen.
Empfehlenswert für Mac OS
Für den Mac gibt es eine Reihe der in diesem Beitrag vorgestellten Programme in versionsgleichen Varianten: Die Mac-OS-Version von Premiere Pro unterscheidet sich praktisch nicht, die kommende Version 6 soll laut Adobe besonders stark von der Open-CL-Unterstützung etwa der in den aktuellen MacBook Pros verbauten Grafikkarten profitieren. Der Mac-OS-Media-Composer entspricht 1:1 der Windows-Version.
Wie diese setzt die Version für Mac OS ein 64-Bit-Betriebssystem voraus. Der auffälligste Unterschied besteht bei den mitgelieferten Zusatzpogrammen: Für Mac OS gibt es im Avid-Paket kein Programm zum Authoring von DVDs und Blu-ray-Discs, unter Windows ist Avid DVDit! enthalten, das wiederum Roxio DVDit Pro HD entspricht. Angenehm: Wer den Media Composer kauft, erhält in einem Paket die Installationsdateien für Mac OS und Windows.
Ein empfehlenswertes Schnittprogramm mit hochprofessionellem Anspruch ist die Media 100 Suite, die es inklusive des gewaltigen Red-Compositing-Programms für 999 Euro gibt. Das Programm ist intuitiv wie Edius. Es ist für schnelle Schnitte - dank guter RAW-Daten-Unterstützung auch für Kinofilme gerüstet - schließlich wurden einst Blockbuster wie Gladiator auf der Media 100 geschnitten.
Angebotslücke in der Mittelklasse
So stark die Riege der (semi-)professionellen Programme unter Mac OS ist, so mau sieht das Angebot für Urlaubsfilmer wie Martin aus: Mit dem intuitiven iMovie dürfte Martin schnell an die Grenzen des Funktionsumfangs stoßen, das von Apple für diese Zielgruppe eigentlich positionierte Final Cut Pro X liefert auch in der nachgebesserten Version 10.3 weiterhin viele wichtige Funktionen der Vorversion nicht mit - im direkten Vergleich mit dem halb so teuren Video Deluxe sieht FCP X schlecht aus.
Wer ein intuitives Programm mit ordentlichem Funktionsumfang für unter 100 Euro sucht, muss sich derzeit mit einem Programm wie Adobe Premiere Elements zufrieden geben - gewiss kein schlechtes Programm, aber in der aktuellen Version klar schwächer als die besten Vertreter seiner Leistungs- und Preisklasse.