"Steve Jobs": Filmkritik zum Kinofilm von Danny Boyle und Aaron Sorkin
"Steve Jobs" - schon wieder ein Jobs-Biopic? Und was für eins! Unsere Filmkritik verrät, wieso sich der Kinobesuch lohnt.

Am 12. November 2015 feiert der Film “Steve Jobs” seinen Kinostart in Deutschland. Ein Film über Leben und Werk des Apple-Gründers - das gab's doch schon? Ja, sogar mehrfach. Doch Regisseur Danny Boyle ("127 Hours") und Drehbuchautor Aaron Sorkin ("The Social...
Am 12. November 2015 feiert der Film “Steve Jobs” seinen Kinostart in Deutschland. Ein Film über Leben und Werk des Apple-Gründers - das gab's doch schon? Ja, sogar mehrfach. Doch Regisseur Danny Boyle ("127 Hours") und Drehbuchautor Aaron Sorkin ("The Social Network") liefern mit "Steve Jobs" die definitive künstlerische Abhandlung über eine der großen Technik-Persönlichkeiten des 21. Jahrhunderts ab.
An diesem Biopic müssen sich nicht nur die früheren Versuche zum Thema (z.B. "jOBS" mit Ashton Kutcher) messen lassen. Die kreativen Köpfe hinter der filmischen Biographie zeigen zugleich auf, welche Glanzmomente im Genre möglich sind.
Drei Szenen reichen, um Steve Jobs zu zeichnen
Der erstaunliche Kunstgriff dabei: Sorkin genügen drei für sich genommen kurze Episoden im Lebenslauf von Jobs, um die Hauptfigur umfassend zu charakterisieren und ganz nebenbei noch reichlich Firmengeschichte zu vermitteln. Wir sehen jeweils die letzten Minuten vor einer der legendären Keynotes von Steve Jobs. Nicht unähnlich den Sorkin-Serien "The West Wing" und "The Newsroom" blicken wir hinter die Kulissen der Produktpräsentationen, wo sich allerlei geschäftige Figuren die Klinke in die Hand geben und Wortgefechte liefern.
Die erste Sequenz spielt im Jahr 1984 kurz vor der Vorstellung des Macintosh. Der Start von NeXT 1988 bildet den Mittelteil. Nach einem noch größeren Sprung geht es zum Abschluss ins Jahr 1998, als die Enthüllung des iMac unmittelbar bevorsteht. Und immer sind es dieselben Menschen, die Steve Jobs (Michael Fassbender) in diesen entscheidenden Momenten begleiten oder seine Wege kreuzen: Marketing-Managerin und Jobs-Vertraute Joanna Hoffman (Kate Winslet), Computeringenieur Steve Wozniak (Seth Rogen), Apple-CEO John Sculley (Jeff Daniels) sowie Jobs' Tochter Lisa (u.a. Perla Haney-Jardine) und deren Mutter Chrisann Brennan (Katherine Waterston). Im Austausch und der Konfrontation mit ihnen zeigt sich, dass auch ein vermeintliches Technik- und Marketing-Genie im Zwischenmenschlichen seine Grenzen finden kann.

Unglaubwürdige Dialoge glaubwürdiger Figuren
Möglicherweise erschließen sich ohne grobe Kenntnis der Apple-Historie nicht alle wirtschaftlichen Zusammenhänge und bleiben einige der nur angedeuteten Entwicklungen und Ereignisse wegen der großen Leerstellen unklar. Doch das Gesamtbild ist dank der echohaft inszenierten Abfolge dreier paralleler Stationen mehr als deutlich zu verstehen – sowohl in Sachen Unternehmensführung als auch Privatleben.
Die Frage wer Steve Jobs war – als Chef, als Vater, als Freund – kann der Film nicht zuletzt wegen der deutlichen künstlerischen Freiheiten auch nicht beantworten. Doch das Biopic vermag einen Eindruck zu vermitteln, was für eine Art Mensch dieser Steve Jobs gewesen sein könnte, wo seine Stärken und Schwächen gelegen haben mögen. Neben reichlich Grundwissen darüber, wie das damals so war, als der Computer noch in den Kinderschuhen steckte und an ein iPhone nicht zu denken war (geschweige denn an eine Apple Watch, wie eine sehr amüsante Szene kurz anreißt), wird auch die Komplexität der Charakterisierung deutlich. Die Bezeichnung “Genie” mag populär sein. Aber sie greift viel zu kurz, um eine reale Person auszuleuchten.
"Steve Jobs" - 3. Trailer auf Deutsch
Im Rahmen dieser Einschränkungen werden die Darsteller der aufgezeigten Figurenentwicklung mehr als gerecht. Das gilt nicht nur für die namhaft besetzten Hauptrollen. Dass Michael Fassbender in jeder jobschen Lebensphase – und mit jeder Frisur – zu überzeugen weiß, überrascht so wenig, wie Jeff Daniels' glaubwürdiger Wandel von der Vaterfigur zum Gegenspieler.
Der wirkliche Glücksfall ist die Besetzung der Nebenrollen. So schlägt Seth Rogen als Jobs' Kompagnon Steve Wozniak ungewohnt ruhige Töne an, während Michael Stuhlbarg den Zuschauer regelrecht mitfühlen lässt, wie Softwareentwickler Andy Hertzfeld auf seinen großen Ausbruch gegenüber seinem harschen Chef wartet. Natürlich sind die – wie von Sorkin zu erwarten – geschliffenen Dialoge fernab realistischer Unterhaltungen. Wie schön wäre es, wenn man so kurz vor einer immens wichtigen Präsentation noch so locker derart schlagfertige Gespräche führen könnte, wie sie hier gezeigt werden. Doch der hohe Unterhaltungswert, mit dem Rede und Gegenrede hier aufwarten, zerstreut solche Bedenken schnell und lässt den Zuschauer jedem Wort gebannt lauschen.
Und es sind nicht nur die Worte, die überzeugen. Eine schöne Regieidee trägt maßgeblich zur Stimmung bei: So spiegeln die drei Segmente filmisch jeweils ihre erzählte Zeit. Während die frühen 80er kurz nach dem Apple-Start in der Bastler-Garage noch grobkörnig und verrauscht daherkommen, wandeln sich Bildqualität und Bildsprache mehr und mehr zu einer glatten Ästhetik, die wunderbar zum runden, bunten iMac-Stil dieser Tage passt.
Die Musik drängt sich derweil nie in den Vordergrund und gibt doch entscheidende Hinweise auf die Tragweite des eben Gesagten.
Fazit: Sehenswert
Noch besser als bei "The Social Network" gelingt es Aaron Sorkin mit "Steve Jobs" eine recht junge historische Begebenheit zu einer spannenden Story zu verdichten. Am Rande der uns bekannten Technik-Geschichte ereignete sich von der Masse kaum bemerkt das individuelle Drama eines streitbaren Protagonisten. "Steve Jobs" spiegelt darin nun wiederum universelle Fragen, ohne ein Urteil über Steve Jobs zu fällen.