Zum Inhalt springen
Der Guide für ein smartes Leben.
VG Wort Pixel
E-Scooter mit 60 km Reichweite

Navee N65i im Test: Der Dauerläufer

Dieser Electroscooter setzt Maßstäbe: Warum uns der Navee N65i im Test begeistert hat.

Autor: Dirk Waasen • 28.2.2024 • ca. 8:05 Min

Online-Siegel
sehr gut
NaveeN65i
E-Scooter
Februar 2024
Online-Siegel
Preistipp
NaveeN65i
E-Scooter
Februar 2024
Navee-N65i-Lifestyle
Fährt auch bis zum nächsten Ort: Der E-Scooter Navee N65i glänzt mit großer Reichweite.
© Navee

Elektroscooter gibt’s heutzutage wie Sand am Meer. Die meisten erweisen sich als günstige, oft labile Gefährten, die im Zweifel mit geringer Reichweite und gar keiner Zulassungsnummer aufwarten und ihr Dasein oft als Kurzstreckentransporter in Ladeluken von Campingfahrzeugen fristen.Schluss dami...

Elektroscooter gibt’s heutzutage wie Sand am Meer. Die meisten erweisen sich als günstige, oft labile Gefährten, die im Zweifel mit geringer Reichweite und gar keiner Zulassungsnummer aufwarten und ihr Dasein oft als Kurzstreckentransporter in Ladeluken von Campingfahrzeugen fristen.

Schluss damit, muss sich der Hersteller Navee (spricht sich nicht zufällig wie Navi) gedacht haben und schickt uns den N65i für 749 Euro zum Test, der ab 1.3.2024 den Markt sozusagen aufrollern soll. Die Voraussetzungen, dass dies gelingt, sind gut. Das beginnt mit der wirklich wichtigen, weil notwendigen FIN-Nummer zur Erteilung einer Versicherungsnummer, die wiederum zur Teilnahme am Straßenverkehr notwendig ist. Kostenpunkt nach kurzer Recherche zwischen 35 und 70 Euro pro Jahr.

Schnell einsatzbereit

Beim Auspacken stellen wir fest: Ein Leichtgewicht will der N65i nicht sein. 24,6 Kilogramm sind in der in Deutschland so beliebten Biereinheit rund ein Kasten plus drei Gratisflaschen obendrauf. Die trägt nicht jeder gerne von Pontius nach Pilatus. Wenn’s trotzdem mal sein muss, hilft die clevere Arretierung der klappbaren Lenkstange, die dann zur Tragestange wird. Überhaupt verdient der Klappmechanismus für Lenker und Lenkstange das Prädikat clever. Entfaltet und sicher verriegelt ist der Scooter in weniger als einer Minute, zusammengefaltet genauso schnell. Dabei wird die Klingel am quergelegten Lenker am hinteren Schutzblech eingehakt. Einfach, aber zweckmäßig.

Nächste positive Überraschung: Die Scharniere sind auffallend solide und flexen so gut wie gar nicht. Der Trick dürfte die Position des Scharniers in der Lenksäule sein statt wie oft in der Strebe zwischen Lenkstange und Plattform. Das nimmt zum einen nahezu alle Last aus diesem Gelenk, das nur noch Lenkkräfte übertragen muss, und schafft zum anderen eine in sich stabile Plattform. Drittens stützt sich die Lenkstange über zwei tragende, seitliche Rohre statt über ein zentrales Rohr ab.

Navee-N65i-1
Aufsteigen, losfahren: Der Navee N65i ist auch geländetauglich.
© connect
Navee-N65i-2
Der Klappmechanismus ist leichtgängig und solide.
© connect

Stabil und sicher in der Spur

Das gummiartig elastische Fahrgefühl wie bei manch anderen Wackelkandidaten stellt sich beim Navee überhaupt nicht ein. Als Traglast gibt Navee dann auch 120 Kilogramm an. Das sind exakt 1,5 mitteleuropäische Durchschnittspersonen und zeugt von Vertrauen ins eigene Produkt. Trotzdem darf offiziell nur einer auf der Trittfläche stehen. Da die Lenkstange nicht höhenverstellbar ist, ergibt sich ein Bereich für bequemes Stehen irgendwo zwischen 1,65 und 1,85 Meter Körpergröße. Da hilft aber im Zweifel Ausprobieren.

Lädt lange, große Reichweite

Durchdacht ist der Anschluss für den Ladestecker, der schnell gefunden und verbunden ist. Dann heißt’s aber erst mal üben, und zwar in Geduld. Denn 10 Stunden Ladezeit will sich der N65i bei leerem Akku schon gönnen, selbst bei unserem batterieschonend auf 60% vorgeladenen Testfahrzeug bewegte sich die Ladestatusanzeige im Display kaum schneller als eine Wanderdüne.

Gemach, gemach, schließlich kontert Modell N65i mit einem Batteriepack, das vollgeladen für 60 Kilometer Reichweite bei in Deutschland erlaubten 20 km/h sorgen soll. Nach dem Ladevorgang versprach das Display gar 79 km Reichweite. Das ist beachtlich und relativiert die Ladezeit erheblich. Mehr noch befördert diese überdurchschnittliche Reichweite den Scooter vom Spielzeug zum Fahrzeug. In den drei Fahrmodi "Fußgänger" mit 6 km/h, "Normal" mit 15 km/h und "Sport" mit 20 km/h kann der Nutzer rein rechnerisch zwischen drei und 10 Stunden auf dem breiten Trittplateau verbringen.

Günstig zu betreiben

Ganz nebenbei kostet eine Ladung je nach Tarif um die 30 Cent, die Kosten für 100 km liegen dann bei rund 50 Cent. Zum – nicht ganz ernst gemeinten – Vergleich: Ein Radfahrer verbrennt bei 20 km/h auf 100 km um die 2500 kcal entsprechend gut 300 Gramm Butter mit Kosten um die 2,50 Euro. Nun lebt der Fahrradfahrer wohl gesünder als der Scooterfahrer, wenn er nicht gerade die Butter isst, aber das Beispiel zeigt: Navee fahren ist günstig und amortisiert sich nach etwa 30.000 km, die unter Berücksichtigung üblicher Ladezyklen locker drin sind. Dies nur als Argument für diejenigen, die den Kauf rechtfertigen müssen.

Das kann die App

Wir verbringen die Ladewartezeit, die wir von 60 auf 100 Prozent mit etwa 3 Stunden ermitteln, statt mit weiteren Rechenbeispielen erst mal mit der Installation der App, der Registrierung derselbigen und der Verknüpfung mit dem Scooter. Ganz easy, tausendmal gemacht, kein Problem – denkste. Denn im Übermut haben wir die „falsche App“ namens Navee Go installiert, die sich partout nicht verbinden wollte. Also doch zum Handbuch gegriffen und siehe da: Für den N65i ist die pure Navee-App ohne den Zusatz Go zuständig, die sich über den auf der naveetech.com-Webseite abgebildeten QR-Code sicherer finden ließ als über die Suche im Store. Dann klappte es auch mit dem Verknüpfen einwandfrei, sprich sofort.

Nach erfolgter Registrierung tauchte der Scooter in der App auf und lässt sich dort fortan konfigurieren. Neben wenig spektakulären Features wie "Licht ein/aus" und "Sperren/Entsperren" programmiert Navee auch einen virtuellen Button, der mit „Rückspeisung“ bezeichnet ist und Rekuperation meint. Dahinter versteckt sich eine Art elektrischer Motorbremse, die Energie rückgewinnen soll, in drei Stufen von sanfter bis starker Verzögerung programmierbar ist und so die beiden Bremsen für Vorder- und Hinterrad unterstützt – muss ausprobiert werden.

Navee-N65i-Screen-1
Die App zeigt sich auskunftsfreudig.
© connect
Navee-N65i-Screen-2
Per Smartphone lassen sich auch Anpassungen vornehmen.
© connect

Ordentlich Schub

Also rauf auf den Roller, kurz angeschoben, Fahrtregler rechts auf Vollgas und fast wieder unfreiwillig runter, weil sich Drehmoment in Kombination mit 1kw Leistung und aufs Fahrverhalten sonst positiv wirkender Heckantrieb zum spontanen Wheelie addieren wollten. Kurz: Da geht was. 0 auf 20 km/h in geschätzten 8 Metern. Schon anders als bei kleiner motorisierten Wettbewerbern, die sich erst langsam auf die 20 km/h hochsurren müssen oder gefühlt dem Vorderrad hinterherhecheln. Schieben ist in der Fahrphysik hier klar besser als Ziehen. Ganz nebenbei ist es schade, dass in Deutschland nicht mehr erlaubt ist und die 32 km/h nur für Amerika freigeschaltet sind.

20 km/h sind auf kleinen Rädern auch schnell, weshalb bremsen mindestens so wichtig ist wie beschleunigen. Auch das klappt beim Navee N65i gut, der vorne mit Trommel, hinten mit Scheibe und zudem noch mit Rekuperation bremst. Im Neuzustand schliff die Scheibe ein wenig, das ist bei diesen Bremsen aber eher die Regel als die Ausnahme und legte sich auch im Testbetrieb.

Navee-N65i-3
Mit knapp 25 Kilo ist der Navee N65i kein Leichtgewicht, an der quergelegten Stange aber gut zu tragen.
© connect

Leistungsfähiges Licht

Wer in die Nacht hinein scootet, weil er vor lauter Spaß die Zeit vergessen hat, freut sich über ein leistungsfähiges Licht, das in der App auch auf Automatikbetrieb umgestellt werden kann. Dann sagt ein Sensor, wann es dunkel ist und wann nicht. Im Test war uns der Automatikmodus schlicht deshalb am liebsten, weil er zuverlässig funktionierte.

Als weiteres Sicherheitsfeature montiert Navee noch E-Mark-zertifizierte Blinklichter außen an den Lenkergriffen, die vermutlich eher seltener genutzt werden. Immerhin gibt es sie. Ups, fast vergessen: Das 4-Zoll-Display bleibt auch bei Licht gut ablesbar und informiert auf einen Blick über Geschwindigkeit und Reichweite. Die Infofelder lassen sich dann noch in der App konfigurieren. Da der Scooter in den – über Doppelklick am Taster rechts am Lenker – auswählbaren Modi aber aufs Jota genau die Geschwindigkeit einhält, erübrigt sich der Tacho eh. Am spannendsten dürfte die Reichweite sein und auch bleiben.

Starke Bereifung

Sicherheitsrelevant sind die mit 80 Millimetern üppig breiten und mit rund 28 Zentimeter Durchmesser auch großen Reifen, die den E-Roller in Kombination mit knapp 9 Zentimetern Bodenfreiheit und 24 Prozent Steigfähigkeit schon fast zum Crosser adeln. Na ja, das eher sportiv geschnittene Profil der Reifen dürfte Übermut auf Matsch schnell einbremsen, für Kies und eher ausgetretene Pfade taugt es aber allemal.

Navee selbst schickt den N65i fürs Produktfoto übrigens in die Wüste. Angesichts von Ökobilanz, Fluglotsenstreik und eng getaktetem Kalender blieben wir lieber auf regionalen Teststrecken und suchten uns dort knifflige Aufgaben. In der ersten Herausforderung stellten sich gut 100 kg Systemgewicht gut 10 bis 14% Steigung und 1,5 km Strecke bei Temperaturen, die eher was für die Eisprinzessin gewesen wären, also unter erschwerten Bedingungen. Ergebnis: Erst mal null Problem, auch hier zog der Navee beherzt an und zeigte alsbald die magischen 20 auf dem Display an.

Geht Steigungen langsamer an

Beim zweiten Durchlauf offenbarte der N65i dann aber doch, dass eher der Großstadtdschungel als der Hochalpenpass sein Metier sind und zog etwas langsamer den Berg hinauf. Die Begründung ist in dem auf Dauer hohen Strombedarf an Anstiegen und der nicht durchgängig lieferbaren Spitzenleistung von 1kW zu finden. Um das System nicht zu überlasten, regelt Navee dann die Leistung zurück. Die Marketingaussage von 24 Prozent Steigung gilt entsprechend nur für kurze Rampen.

Viel Spaß auf der Strecke

Zweite Prüfung Fahrverhalten. Die Stabilität des Aufbaus, der tiefe Schwerpunkt, die Verwindungsarmut und die breiten Reifen sorgen für ein richtig sattes Fahrgefühl. Bei Gefährten, die auf eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h begrenzt sind und vollbeladen ein Leistungsgewicht von umgerechnet 106 Kilogramm pro PS aufweisen, darf man nicht von Sportlichkeit reden. Wir tun es trotzdem: Die Reifen im Supermotostyle erlauben eine hohe Seitenneigung, sollten aber tunlichst erst mal eingefahren werden, weil sie anfänglich extrem glatt sind. Nach etwas Abrieb geht’s aber echt zackig in die Kurven und auch wieder heraus, der Antritt aus dem Stand verblüfft immer wieder und kurze Steigungen bügelt Navee wie beschrieben mal kurz weg. Doch, das macht Spaß.

Rechts der grob geteerten Teststraße tauchte plötzlich ein Kiesweg auf, der auch getestet werden wollte. Dank der Breite der Reifen wühlte sich der Navee ganz gut durchs Kleingeröll, mehr als 3 Zentimeter Kiesauflage machen dann aber keinen Spaß mehr, weil der vergleichsweise geringe Abrollumfang hier die Grenzen setzt.

Dritte und letzte Prüfung: Rekuperation. Hier scooterten wir folglich die Strecke bergab. In der geringsten Rekuperationsstufe bremste der Motor kaum, das Display zeigte 42km/h Topspeed an, die der mitlaufende GPS-Tracker mit 42,2 km/h bestätigte, rein gar nichts im Fahrwerk wurde unruhig und am Ende der wilden Fahrt verzögerten die Bremsen astrein. In mittlerer Rekuperationsstufe bremste der Motor ordentlich mit und pendelte die Geschwindigkeit bei 24 km/h ein. In höchster Rekuperationsstufe blieb der N65i immer knapp über 10km/h. Diese Stufe ersetzt in normalen Situationen die Bremse vollständig und wäre unsere erste Wahl im Alltag.

Jede Menge Reserven

Begonnen hatten wir den Probelauf mit vollgeladener Batterie, für die der Scooter 79 km Reichweite hochrechnete. Bergauf ist der Leistungsbedarf ungleich höher als auf der Geraden und auch bei Bergabfahrt nur anteilig zu rekuperieren. Umso erstaunlicher, dass der Scooter nach 10 Kilometern Fahrt mit fast 300 überwundenen Höhenmetern immer noch 58 Kilometer Restreichweite anzeigte. Jedes Prüfverfahren für Reichweite kann nur relativ sein, da sich in der Praxis Außentemperatur, Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, Fahrergewicht und Fahrweise signifikant auswirken. Deshalb greift hier die relative Beschreibung besser: Mit dem Navee kommt man sehr weit. Grundsätzlich ist die Reichweite so hoch angesiedelt, dass sie im Alltag bei Zwischenladung über Nacht sowieso nie relevant werden sollte.

Online-Siegel
sehr gut
NaveeN65i
E-Scooter
Februar 2024
Online-Siegel
Preistipp
NaveeN65i
E-Scooter
Februar 2024

Navee N65i: Unser Testfazit

Der Navee ist eine Bereicherung für den Scootermarkt. Tolle Verarbeitung, hervorragende Reichweite und üppige Sicherheitsfeatures lassen das hohe Gewicht verschmerzen. Klarer Kauftipp, zumal der Preis von 749 Euro im Konkurrenzvergleich sehr günstig ist.