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Unternehmensführung

Verkaufen mit Gefühl

Weil die Emotionen bei jeder Kaufentscheidung eine Rolle spielen, gehen viele Unternehmen dazu über, ihre Prozesse und Abläufe der gesamten Wertschöpfungskette entlang zu emotionalisieren. Häufig jedoch wird diese emotionale Ausrichtung nicht am "Touch Point" gelebt. Wie lässt sich das ändern?

Autor: Business & IT • 19.3.2014 • ca. 4:50 Min

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© Minerva Studio - Fotolia.com

Der Kopf denkt, der Bauch lenkt: Dieser von der Hirnforschung nachgewiesene Zusammenhang zwischen Rationalität und Emotionalität verlangt von Verkäufern, ihreKundengespräche zu emotionalisieren. Die Erwartung: Ein Verkäufer erkennt das bevorzugte Emotionssystem des Kunden und weiß, wie er "tic...

Der Kopf denkt, der Bauch lenkt: Dieser von der Hirnforschung nachgewiesene Zusammenhang zwischen Rationalität und Emotionalität verlangt von Verkäufern, ihreKundengespräche zu emotionalisieren. Die Erwartung: Ein Verkäufer erkennt das bevorzugte Emotionssystem des Kunden und weiß, wie er "tickt".

Beim Gesprächspartner mit bevorzugtem Dominanz-System etwa arbeitet der Verkäufer mit beweis- und belegbaren Zahlen, Daten und Fakten. Er überlässt ihm zum Teil die Gesprächsführung und hält sich nicht lange beim Beziehungsaufbau auf. Den Kunden mit bevorzugtem Balance-Unterstützer-System hingegen gewinnt der Verkäufer, indem er ein persönliches Vertrauensverhältnis zu ihm aufbaut.

Den Kunden besser verstehen

Helmut Seßler
Der Autor: Helmut Seßler, Experte für emotionales Verkaufen sowie Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der INtem-Gruppe (www.intem.de), Mannheim.
© Helmut Seßler

All dies ist schnell gefordert - zuweilen jedoch mangelt es an der Umsetzung am Touch Point. Ein Grund: Viele Verkäufer fallen in das alte Verhaltensmuster zurück; die verkäuferischen Verhaltensweisen orientieren sich an dem konservativen Paradigma: "Meine Hauptaufgabe besteht darin, besser zu verkaufen".

Der neue gehirngerechte kategorische Imperativ des kundenorientierten Verkaufenslautet jedoch: "Meine Hauptaufgabe besteht darin, den Kunden besser zu verstehen und ihn in jeder Phase des Kundenkontakts so zu behandeln, wie er behandelt werden möchte."

Erfolg im Verkauf durch Persönlichkeit

Gelingt dies, weil der Verkäufer erkennt, wie der Kunde emotional tickt, um schließlich sein weiteres Vorgehen konsequent darauf abzustimmen, ist der Abschluss (meistens) die logische Folge. Zumindest bleiben Verkäufer und Unternehmen dem Kunden in positiverErinnerung. Und das ist für die weitere Entwicklung der Kundenbeziehung nicht die schlechteste Konsequenz.

Neuer kategorischer Verkaufsimperativ

Es genügt nicht, den Verkäufern und Mitarbeitern, die im regelmäßigen Kundenkontaktstehen, mitzuteilen, sie mögen sich doch bitte schön vom alten Paradigma (besser verkaufen) von heute auf morgen verabschieden und den neuen kategorischen Verkaufsimperativ (NKVI) mit Leben füllen. Vielmehr gilt: Wer will, dass die "Emotionalisierung der Kundenbeziehungen" zur Seele des Unternehmens, zur handlungsanleitenden Maxime für alle Führungskräfte und Mitarbeiter wird, und wer will, dass alle Unternehmensprozesse und -abläufe vom NKVI durchdrungen werden, mussmehrere Stufen weiter oben ansetzen.

Ratgeber: Innovation bringt Wachstum

Konkret: Der NKVI sollte in der Unternehmensphilosophie einer Firma verankert werden. Die Notwendigkeit, den Kunden besser zu verstehen und seine emotionale Verfasstheit zur Grundlage des verkäuferischen Handelns zu erheben, muss sich in den Unternehmensleitlinien und Firmengrundsätzen widerspiegeln. Wie kann dies gelingen?

Strategischen Leitsatz formulieren

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Es ist die Aufgabe des Managements, den NKVI umsetzungs- und praxisorientiert in einen griffigen strategischen Leitsatz zu gießen. Dieser wird - unter Beteiligung einiger Führungskräfte und Mitarbeiter aus allen Bereichen - in moderierten Workshops erarbeitet. Das Ergebnis könnte lauten: "Als mittelständisches Unternehmen der xy-Branche begeistern und überzeugen wir unsere Kunden durch Topqualität, Serviceorientierung und ein tiefes Kundenverständnis. Wir verstehen die Kunden immer besser, indem wir ihr jeweiliges Emotionssystem erkennen und die gesamten Kundenkontaktpunkte darauf ausrichten."

Danach leiten Arbeitsgruppen für alle Bereiche und Abteilungen aus dem strategischen Leitsatz handfeste Zielvereinbarungen ab. Am Ende des Prozesses stehen konkrete Hinweise für die Führungskräfte und Mitarbeiter, ja für alle Mitglieder der Firma, mithilfe welcher Aktionen und Maßnahmen sich der strategische Leitsatz umsetzen lässt. Diese Hinweise und Leitlinien werden von den zuständigen Arbeitsgruppen detailliert und so greifbar wie möglich beschrieben - und zwar bezogen auf jeden einzelnen Unternehmensprozess.

Kundentyporientierte Reklamationsgespräche führen

Nehmen wir als Beispiel den Unternehmensprozess "Reklamationen" - hier sind Gefühle Tatsachen, hier spielen die Emotionen naturgemäß die erste Geige:

  • Den dominanten Kunden bringt der Verkäufer zum Reden, indem er ihn bittet, ausführlich darzustellen, worin der Grund für die Reklamation besteht. Der Kunde kann "Dampf ablassen". Der Verkäufer formuliert kurz und direkt und stellt das Ergebnis sowie die Effektivität des Reklamationsprozesses in den Vordergrund. Er kommt dem Dominanzstreben des Kunden entgegen und erhält Informationen, denen er auf der Sachebene begegnet.
  • Beim Balance-Unterstützer-Kunden ist es vor allem wichtig, Verständnis zu zeigen und trotz der schwierigen Reklamationssituation die Beziehung zu stärken. Der Verkäufer offeriert einen "Full-Service" und ein "Alles aus einer Hand"-Angebot. Er zeigt Empathie, spricht freundlich und offen, tauscht mit dem Kunden zwanglos Ideen aus und stellt auf der Beziehungsebene eine Wellenlänge her.
  • Beim stimulanzgeprägten Kunden agiert der Verkäufer entspannt und baut Animationen, Bilder und Videos in seine Reklamationsbehandlung ein. Er vermeidet ausschweifende und langweilige Erklärungen, ist kreativ und fantasievoll, erzählt Geschichten von gelungenen Beschwerdesituationen und ist "locker drauf".
  • Auch für den Balance Bewahrer-Kunden gibt es eine Reklamationsstrategie: Der Verkäufer zeigt ihm Tabellen, Zertifikate, ISO-Normen, Testergebnisse, Diplome und Untersuchungen. Er muss seine Aussagen zum Beschwerdefall auf jeden Fall belegen. Zudem tut er alles, um dem Kunden ein Gefühl der Sicherheit zu geben.

Emotionalisierung im technischen Vertrieb

Solche Maßnahmen und Aktionen sollten für alle Prozesse formuliert werden - gerade auch für Bereiche, in denen dies auf den ersten Blick kaum möglich zu sein scheint, etwa im technischen Vertrieb. Die technischen Vertriebsmitarbeiter sind oft Ingenieure und aufgrund ihrer technischen und methodischen Ausbildung vor allem top-ausgebildeteFachexperten. Ihnen fällt es oft besonders schwer, Kunden emotional anzusprechen.

Ein erster Schritt in die richtige emotionale Richtung ist, den technischen Verkäufern zu verdeutlichen, dass auch ihre Kunden ihre Kaufentscheidungen weniger von den Produktinformationen abhängig machen, sondern sie aus emotionalen Gründen treffen.

Der im strategischen Leitsatz niedergelegte neue kategorische Verkaufsimperativhat überdies Auswirkungen auf die Führungsarbeit: Eine Führungskraft identifiziert das bevorzugte Emotionssystem ihrer Mitarbeiter und richtet ihre Aktivitäten entsprechend aus.

Mitarbeiter emotional führen

Wenn es um einen komplexen Veränderungsprozess in der Vertriebsabteilung geht, zeigt der Vertriebsleiter dem dynamisch-dominanten Mitarbeiter auf, dass ihm die Neuorganisation der Vertriebsabteilung die Chance bietet, seinen Verantwortungs- und Einflussbereich zu vergrößern. Der Balance-Unterstützer-Typ lässt sich motivieren, indem der Chef betont, dass sich die Aufgabe nur lösen lässt, wenn alle an einem Strang ziehen und eine Win-Win-Situation angestrebt wird.

Beim sicherheitsorientierten Balance-Bewahrer-Verkäufer erfolgt der Motivationsanreizdadurch, dass der erfolgreiche Veränderungsprozess die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens und die Arbeitsplatzsicherheit gewährleistet. Bleibt der Stimulanz-Mitarbeiter: Der Vertriebsleiter argumentiert, wie abwechslungsreich und innovativ der Veränderungsprozess ablaufen wird - und holt so auch diesen Verkäufer ins Veränderungsboot.

Neue Kompetenzen aufbauen

Hilfreich ist es zudem, das eigene Persönlichkeitsprofil zu kennen. Dies gilt für Führungskräfte und Mitarbeiter, für Vertriebsleiter und Verkäufer. Wenn etwa der dominante Verkäufer und der beziehungsorientierte Kunde mit ihren unterschiedlichen Emotionssystemen aufeinanderprallen, droht das berühmtberüchtigte Aneinandervorbeireden.

Verkäufer, die um ihr bevorzugtes Emotionssystem wissen, sind eher fähig, in die Welt des Kunden einzutauchen. Und Führungskräfte können strikt mitarbeiterindividuell agieren. Übrigens: Unter www.intem.de/schnelltest findet sich ein Test, mit dem sich das bevorzugte Emotionssystem feststellen lässt. Wichtig ist überdies: Die Umsetzung des NKVI setzt voraus, dass alle Unternehmensmitglieder emotionsorientierteKompetenzen aufbauen. Nur dann kann die Emotionalisierung der Kundenkontakte und der Mitarbeiterführung gelingen.