HTC Vive im Test: VR-Revolution mit Suchtfaktor
Die HTC Vive verspricht ein VR-Headset zu sein, das dem Spruch „Mittendrin statt nur dabei“ endlich gerecht wird – egal wie viel Platz Sie zuhause haben. Im Test waren wir überaus beeindruckt und hatten viel Spaß.

Virtual-Reality-Brillen gibt es schon seit Jahrzehnten. Doch keine hat bisher voll überzeugen können. Sie waren zu schwer, die Darstellungsqualität zu gering, oder es gab kaum Spiele und Anwendungen dafür.Die aus Valves und HTCs enger Zusammenarbeit entstandene Vive soll uns aber...
Virtual-Reality-Brillen gibt es schon seit Jahrzehnten. Doch keine hat bisher voll überzeugen können. Sie waren zu schwer, die Darstellungsqualität zu gering, oder es gab kaum Spiele und Anwendungen dafür.
Die aus Valves und HTCs enger Zusammenarbeit entstandene Vive soll uns aber so gut in die VR-Welt entführen, dass wir gar nicht mehr in die Realität zurückwollen. Das Ticket dorthin ist aber nicht billig. Rund 900 Euro kostet die Vive inklusive der beiden Spiele Job Simulator und Fantastic Contraption sowie des 3D-Malprogramms Tilt Brush. Damit allein können Sie aber noch nicht in die VR-Welt starten. Zur Berechnung der schönen neuen VR-Welt braucht es viel Rechenleistung.
Hohe Nebenkosten durch starken PC
HTC empfiehlt einen PC mit einem Intel Core i5 der vierten Generation oder einem AMD FX 8350, mindestens 4 GByte RAM und einer Nvidia GeForce GTX 970 beziehungsweise AMD Radeon R9 290. Diese Konfigurationen kosten in der Regel rund 1.000 Euro.
Lesetipp: PC zusammenstellen – Tipps von 300 bis 1.500 Euro
Damit wir aber beim Test der HTC Vive den PC als Leistungsengpass und Fehlerquelle ausschließen konnten, setzten wir einen MSI Nightblade X2-072EU (rund 2.500 Euro) mit Intel Core i7-6700K, 64 GByte RAM und einer Nvidia GeForce GTX 980 Ti ein. Bevor Sie das Tor in die virtuelle Welt aufstoßen, müssen Sie einiges an Aufbauarbeit leisten.

Zeitaufwendige Installation
Die Basisstationen für das Lighthouse- Tracking-System müssen Sie gegenüberliegend in etwa zwei Meter Höhe auf einem Regal oder Stativ platzieren. Alternativ schrauben Sie sie mit den Halterungen an die Wand. Im Prinzip reicht zwischen den Basisstationen zwar ein Abstand von zwei Metern. Wer aber später die virtuellen Welten mit seinen eigenen Füßen begehen will, sollte mehr Raum beanspruchen.
Im Test der HTC Vive nutzten wir mit fünf Metern die maximale Distanz zwischen den Sensoren aus. Anschließend müssen Sie sie an eine Steckdose anschließen. Gleiches gilt für die Link Box, die Sie erst mit der VR-Brille, dann mit dem Netzteil sowie einem USB-Port und HDMI-Ausgang oder DisplayPort am PC verbinden.
Wer die HTC Vive kauft, benötigt zwingend einen Account für Valves Spieleplattform Steam. Haben Sie den Steam-Client und die VR-Steam-Software installiert, geht es an die Raumeinrichtung. Im amüsanten und verständlichen Setup legen Sie fest, ob Sie nur einen kleinen Raum haben, in dem Sie sich quasi nur umdrehen können, oder viel Platz.
Im letzteren Fall grenzen Sie durch einfaches Abschreiten die begehbare Fläche ein (Room Scaling). Die Software berechnet daraus selbstständig ein Rechteck, das Sie noch feintunen können. Übertreten Sie dessen unsichtbare Ränder, während Sie im virtuellen Raum sind, zeigt Ihnen die Software ein (ausblendbares) farbiges Gitter. Zwischen ihm und realen Objekten dahinter (Türen, Wänden, Fenstern) empfehlen wir, mindestens eine Armlänge Sicherheitsabstand zu halten. Ansonsten sind möglicherweise blaue Flecke die Folge.
Bei unserem Test dauerte der ganze Aufbau inklusive Firm- und Software-Updates fast drei Stunden. Wer die Vive regelmäßig nutzt, sollte wegen der zeitaufwendigen Installation möglichst alles aufgebaut lassen.

So funktioniert das VR-System
HTC und Valve gehen bei ihrem VR-System einen anderen Weg als Oculus und Sony. Statt den VR-Brillen-Träger per Kamera im Raum zu orten, schicken die beiden Basisstationen einen rotierenden IR-Laserstrahl 60-mal pro Sekunde in den Raum. Diese treffen auf 80 auf der Vive und den Controllern verteilte Fotozellen.
Anhand von deren Position im Raum und zueinander berechnet das VR-System in Millisekunden sehr präzise, wo sich die Person und die Bluetooth-Controller befinden. Es gleicht diese Informationen mit der jeweiligen VR-Anwendung ab und stellt die Grafik entsprechend auf den beiden Fresnel-Linsen in der Vive dar. Den Klang liefern zwei seitlich an der Brille heraushängende In-Ear-Kopfhörer.
Die Linsen stellen ein 110° breites Sichtfeld mit einer Auflösung von 2.160 mal 1.200 Pixeln bei einer Wiederholfrequenz von 90 Hz dar. Zwischen Augen und Linsen ist genügend Abstand, dass Sie auch Ihre Brille auflassen können. Die für die Interaktion nötigen Hand-Controller erinnern in Form und Größe stark an Handscanner, wie sie das Flughafensicherheitspersonal benutzt.
Zur Interaktion bieten die Controller ein kreisrundes Touchpad für den Daumen sowie eine Menü- und Optionstaste. An den Seiten befindet sich je eine Taste und auf der Unterseite ein Trigger für den Zeigefinger. Über leichte Vibrationen bekommen Sie sogar Feedback aus einem Spiel.

Faszinierende neue Welten Die HTC Vive sieht zwar wie eine schwere und klobige Skibrille aus, dennoch lässt sie sich über Stunden mühelos tragen. Eine geringe rote Umrandung im Gesicht hinterlässt die Polsterung aber auch dann, wenn Sie sie über die drei Klettbänder optimal an Ihre Kopfform anpassen.
Die hochwertigen Controller liegen zwar gut in der Hand, bei manchen Spielen oder Anwendungen wäre aber eine kürzere Version praktischer gewesen.
Außerdem nervt manchmal die Nabelschnur zum PC, wenn wir uns bei hektischen Spielen zu oft im Kreis gedreht haben oder völlig vergaßen, dass wir uns in einer virtuellen Realität befanden. Und das ging ziemlich schnell.
Egal ob wir uns nur im Steam-VR-Auswahlmenü, auf einem Berg, Auge in Auge mit einem Wal (The Blue), im Kampf mit wild feuernden Drohnen (Space Pirate Trainer) oder im gruseligen The Gallery Episode 1: Call of the Starseed auf der Suche nach unseren Freunden befanden, der Eindruck war immer der gleiche: Wow!
Stets hatten wir das Gefühl, Teil des Spieles zu sein. Das führte so weit, dass wir beim Beugen über den Tresen (Hover Junkers) vergessen hatten, dass er keinen echten Widerstand bot und wir uns prompt fast auf die Nase gelegt hätten. Kamen bedrohlich wirkende Wesen auf uns zu, traten wir automatisch einen Schritt zurück und gingen vor Geschossen in Deckung. Andererseits knieten wir uns automatisch hin, um einen kleinen Hund zu streicheln oder bei Fantastic Contraption ein Bauteil optimal an einem Fahrzeug zu befestigen.
Das Problem des begrenzten realen Bewegungsradius lösten HTC und Valve ziemlich cool durch Beamen. In entsprechenden Spielen zielen Sie auf eine bestimmte Stelle und springen auf sie mit einem Knopfdruck.
Insgesamt konnten wir in keinem der Demos oder Spiele ein Grafikruckeln oder irritierende Klänge bemerken. Alles wirkte stimmig und mitunter atemberaubend real. Übrigens dürfen Sie jedes Steam-Spiel mit der HTC Vive spielen. Nicht für das VR-System optimierte Games stellt es dann einfach auf einer riesigen Kinoleinwand dar.

Großes Staunen und sehr viel Spaß
Um zu sehen, wie andere Menschen auf die HTC Vive reagieren, baten wir verschiedene Verlagsmitglieder zum subjektiven Test.
Sowohl jüngere als auch ältere, Tester mit und ohne Brille waren nach kurzer Zeit von der VR-Welt begeistert. Vor Staunen offene Münder oder ein Dauergrinsen waren stets der Beleg für den hohen Spaßfaktor. Nur einer Person war nach kurzer Zeit, einer weiteren erst nach mehreren Stunden etwas unwohl.
Das Gewicht der Vive und der Controller störte niemanden. Alle kamen mit der Steuerung gut zurecht. Kritik kam dagegen am Kabel und an der Bildqualität auf. Manche verhedderten sich immer wieder im Verbindungs-kabel und empfanden die Darstellung im Vergleich zu Spielen auf HD-Monitoren als zu unscharf oder grob.

Fazit
Die HTC Vive ist ein Gamechanger mit Suchtfaktor. Ist alles installiert und die virtuelle Welt betreten, fällt es schwer, sich aus ihr zu lösen. Alle Demos und Spiele waren auf ihre Weise beeindruckend und der Spielspaß immer sehr hoch - Gänsehaut inklusive.
Da die Gesamtinvestition hoch ist, werden sich nur Enthusiasten die VR-Hardware gönnen. Bis dahin hätte HTC noch Zeit, das Vive-System zu optimieren. Denn die Controller könnten kleiner sein und das Kabel zum PC länger oder am besten durch eine Funkverbindung ersetzt werden. Zum anderen braucht es schnell mehr attraktive VR-Anwendungen und -Spiele für die Vive. Da die Ankündigungsliste bereits recht lang ist, sollte wenigstens dieses Problem bald erledigt sein.