Langzeit-Archivierung in der Wissenschaft
Digital gespeichertes Wissen birgt hohe Verlustrisiken. Viele Medien halten kaum länger als zehn Jahre. Eine Reihe von Institutionen versucht, das Problem in den Griff zu bekommen. Daraus ergeben sich auch Tipps für die persönliche Archivierung.

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Ein großer Teil des Wissens der Menschheit ist heute digital gespeichert - und droht unwiederbringlich verloren zu gehen. Sind die Daten auf CD gespeichert, greifen chemische oder physikalische Einflüsse das Trägermaterial an. Nach 25, vielleicht 80 Jahren, sind sie unlesbar. Das gilt selbst b...
Ein großer Teil des Wissens der Menschheit ist heute digital gespeichert - und droht unwiederbringlich verloren zu gehen. Sind die Daten auf CD gespeichert, greifen chemische oder physikalische Einflüsse das Trägermaterial an. Nach 25, vielleicht 80 Jahren, sind sie unlesbar.
Das gilt selbst bei optimalen Lagerbedingungen - wie das Deutsche Musikarchiv erfahren musste. Dort sind bereits 200 Musik-CDs, die zwischen 1983 und 1986 zur Archivierung eingegangen sind, unbrauchbar - nach knapp 25 Jahren zerstört durch aggressive Lacke des Labelaufdruckes.
Selbstgebrannte CDs und DVDs schaffen oft nur fünf bis zehn Jahre. Das US-Nationalarchiv warnt gar in seiner FAQ, CDs und DVDs könnten bereits nach zwei bis fünf Jahren nicht mehr lesbar sein. Bänder verlieren ihre Magnetisierung nach zirka 20 bis 30 Jahren. Und wie lange Festplatten halten, hängt extrem von ihren Einsatzbedingungen ab. Sicher ist: Bei keinem digitalen Speichermedium ist garantiert, dass es nach mehr als zehn Jahren noch gelesen werden kann.
Sind .DOC-Dateien in 10 Jahren noch lesbar?

Doch nicht nur die Haltbarkeit des Mediums ist ein Problem. Printprodukte unterliegen nur dem zeitlich bedingten Materialverfall. Bei digitalen Dokumenten kommt auch der technologische Fortschritt hinzu.
Ein Aspekt ist die Formatfrage. Wer kann heute sicherstellen, dass es Formate wie .DOC oder .XLS in zehn oder zwanzig Jahren noch gibt? Irgendwann verschwindet jedes Format oder wird gravierend geändert. Dann sind ältere Dokumente wegen fehlender Kompatibilität nicht mehr nutzbar.
Und es gibt noch ein drittes Problem: Im Gegensatz zu Printprodukten können elektronisch gespeicherte Informationen ohne geeignetes Lesegerät überhaupt nicht dargestellt werden. Aktuelle Rechner haben kein Diskettenlaufwerk mehr.
Schon heute ist es schwierig, eine in den achtziger Jahren auf 31/2-Zoll oder gar 51/4-Zoll-Disketten gespeicherte Diplomarbeit zu lesen. In zehn Jahren gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit keine CD-und DVD-Laufwerke mehr.
Dass die Lesegeräte über viele Jahre hinweg verfügbar sind, garantiert niemand. Das musste schon die NASA in den 90er Jahren leidvoll erfahren, als sie auf Daten der Saturnmission der Raumsonde Pioneer nicht mehr zugreifen konnte. Trotz redundanter Speicherung auf verschiedenen Datenträgertypen waren keine entsprechenden Lesegeräte mehr vorhanden.
Digitales Erbe bewahren
Da digitale Daten inzwischen zentraler Bestandteil der kulturellen und wissenschaftlichen Überlieferung sind, haben Hochschulen, wissenschaftliche Rechenzentren, Museen und vor allem Bibliotheken ein besonderes Interesse an dem Thema Langzeit-Archivierung.
Die letzten Ignoranten wollte die UNESCO 2003 mit ihrer Charter on the Preservation of the Digital Heritage wach rütteln. Die Charter betont in Artikel 1 den dauerhaften Wert und die Bedeutung vieler digitaler Materialien als Teil des kulturellen Erbes, das für künftige Generationen geschützt und bewahrt werden muss. Zum digitalen Erbe gehören neben Texten, Fotografien, Musik, Filmen und Multimediawerken auch Webseiten und elektronisches Verwaltungsschriftgut.
Sicher ist: Die mit der Bewahrung von Kulturgut betrauten Institutionen brauchen Strategien gegen den drohenden Verlust von Information. Mittlerweile gibt es viele verschiedene Projekte und Initiativen, die sich in Europa und den USA damit befassen, wie sich digitale Daten als Quellen für Wissenschaft und Forschung langfristig verfügbar halten lassen.

In Deutschland ist dies vor allem das Kompetenznetzwerk Langzeit-Archivierung und Langzeitverfügbarkeit digitaler Ressourcen - kurz: Nestor. Das Netzwerk bündelt das Know-how und die Kompetenzen für die digitale Langzeit-Archivierung.
Vertreter von "Gedächtnisinstitutionen" - Archive, Bibliotheken, Museen, Rechenzentren - arbeiten dort unter Federführung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt an einem nationalen Konsens zur Organisation der Langzeit-Archivierung in der Bundesrepublik.
Dabei nimmt sich Nestor aller Aspekte der langfristigen Bewahrung an - das heißt für die Archivare die Erhaltung über Generationen von technischen Systemplattformen und Nutzern hinweg. Wo sich die internationale Fachwelt bei der Suche nach langfristigen Aufbewahrungsstrategien befindet, haben Projektmitarbeiter in dem kostenfreien PDF-Handbuch Kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeit-Archivierung zusammengefasst.