Sind Sie fit für Big Data?
Die Auswertung von Big Data ist längst kein Geheimtipp mehr oder ausschließlich ein Thema für IT-Spezialisten. Inzwischen beschäftigt sich auch das Management mit dem wirtschaftlichen Potenzial riesiger Mengen teilweise unstrukturierter Daten.

Die Untersuchung "Wettbewerbsfaktor Analytics", die die Uni Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller SAS durchgeführt hat, setzt den analytischen Reifegrad von Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Beziehung zu ihrer Wettbewerbsfähigkeit.Haupterkenntnis...
Die Untersuchung "Wettbewerbsfaktor Analytics", die die Uni Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller SAS durchgeführt hat, setzt den analytischen Reifegrad von Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Beziehung zu ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Haupterkenntnis: Obwohl die Notwendigkeit von Business Analytics inzwischen auch in der Führungsetage angekommen ist, weisen Unternehmen in der DACH-Region übergreifend einen "ad hoc"-Reifegrad auf - das heißt, entsprechende Lösungen werden immer noch überwiegend fallbezogen und nicht systematisch eingesetzt.
Und das, obwohl die deutliche Mehrheit der Unternehmenslenker im deutschsprachigen Raum den Einsatz von Business-Analytics-Lösungen für die zielgerichtete Nutzung von Big Data befürwortet: Dies geben in der Schweiz 65 Prozent der Befragten an, in Deutschland über 80 Prozent und in Österreich sogar 100 Prozent. Andererseits sagen 45 Prozent der aktuell befragten Unternehmen, dass sich ihre Kompetenz im Bereich Business Analytics nur langsam weiterentwickelt. Erst acht Prozent sehen dort eine schnelle Entwicklung.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Dabei ist jedoch noch zwischen den in der Studie untersuchten Branchen Banken und Versicherungen, Handel und Industrie zu differenzieren. Business Analytics kommt bei 17 Prozent der Unternehmen im Finanzsektor sehr oft zum Einsatz. Im Vergleich ist dies gerade einmal bei drei Prozent der Industrieunternehmen der Fall, während sich der Handel dazwischen positioniert.
Entsprechend dieser Kernergebnisse ergibt sich ein zweigeteiltes Bild zwischen Wollen und Können. Business Analytics im Sinne eines zukunftsorientierten Umgangs mit erfolgsrelevanten Fragen und Szenarien - im Gegensatz zum rückblickenden Business-Intelligence-Ansatz - bildet die Grundlage für eine zielgerichtete Nutzung der explosionsartig wachsenden und oft überwiegend rohen Informationsmassen.

Jedes Unternehmen, das nach vorne schaut und den Wert von Big Data und prädiktiver Analyse erkennt, müsste also ein starkes Interesse am organisationsweiten Einsatz von Analytics-Lösungen haben. Doch die Realität entspricht dieser Theorie noch bei Weitem nicht.
Dies zeigt sich nicht zuletzt beim Umfang, in dem die vorhandenen Daten ausgewertet werden. So nutzen zum Beispiel erst zwölf Prozent der befragten Unternehmen mehr als die Hälfte der verfügbaren Daten für Analysezwecke. Rund 88 Prozent geben an, dass nur bis zu 50 Prozent der verfügbaren Daten analytisch ausgewertet werden. Erst 42 Prozent geben an, dass organisationsweite Analysen in ihren Unternehmen möglich sind, und nur etwa 47 Prozent stufen die interne Datenqualität insgesamt als gut oder sehr gut ein.
Mitarbeiter vs. Management
"Beim Einsatz von Business Analytics für die Auswertung von Big Data ergibt sich immer noch ein zweigeteiltes Bild zwischen Anspruch und Realität", kommentiert Wolf Lichtenstein, CEO für die DACH-Region beim Softwarehersteller SAS, die Ergebnisse der Studie. "Für die aktuelle Erhebung ergaben sich daher vor allem zwei Fragen: Warum wird Datenanalyse noch nicht so betrieben, wie es möglich und sinnvoll wäre, und wo sind die wichtigsten Ansatzpunkte für Verbesserungen?"
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine wirkliche Big-Data-Analyse in Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum noch nicht stattfindet, und zwar aus folgenden Gründen:
- Die Vielfalt der genutzten Datenquellen ist zu gering.
- Verfügbare Datenmengen werden noch zu unzureichend genutzt.
- Die Geschwindigkeit der Analyseergebnisse entspricht nicht den Big-Data-Anforderungen.
Nun stellt sich die Frage, woran das liegt. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Mitarbeiter wesentlich zögerlicher bei der Anwendung von Analytics-Tools sind, als sich dies das Top-Management vorstellt oder wünscht.
Lediglich 13 Prozent der Befragten meinen, dass die Aussage, die Mitarbeiter scheuten den Einsatz entsprechender Anwendungen nicht, "voll" zutreffe, wohingegen 39 Prozent der Ansicht sind, dies gelte für die Befürwortung durch das Top-Management. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass das Top-Management der deutschsprachigen Wirtschaft Business Analytics tendenziell offener gegenübersteht als es die Mitarbeiter der befragten Unternehmen tun.
Ursachenforschung
Fragt man, woran genau der organisationsweite und strukturierte Einsatz von Business Analytics scheitert, ergeben sich mehrere Anhaltspunkte. Zum einen gibt die Mehrheit mangelnde Kenntnis über die Möglichkeiten von Business Analytics (rund 65 Prozent) als Anwendungsbarriere an. Ein weiterer Grund sind fehlende Investitionen durch das Top-Management (etwa 47 Prozent).
Auch die mangelnde Geschwindigkeit von Analyseergebnissen spielt eine wichtige Rolle: Hier schätzt fast die Hälfte (46 Prozent) der Unternehmen die Zeitdauer zwischen einer Analyseanfrage und dem vorliegenden Ergebnis nur als befriedigend oder ausreichend ein.
Interessant in diesem Zusammenhang: Während die Bereitschaft für Big Data grundsätzlich vorhanden zu sein scheint, erfolgt die tatsächliche Datennutzung noch nicht entsprechend dem Big-Data-Paradigma. Stattdessen herrscht ein "klassischer" Analyse-Ansatz vor, bei dem die genutzten Daten überwiegend aus Quellen mit tendenziell strukturierten Daten wie beispielsweise aus Enterprise-Resource-Planning-Systemen (82 Prozent) oder aus dem Customer Relationship Management (61 Prozent) stammen. Datenquellen mit tendenziell unstrukturierten Daten wie Webseiten oder Social Media werden bislang nur von circa 20 beziehungsweise 15 Prozent der Unternehmen ausgewertet.
Eine wichtige Voraussetzung für die umfassende Erschließung von Big Data ist die Integration unternehmensexterner Daten. Aber hier besteht noch Nachholbedarf: der Erfolg, externe Daten in das Unternehmen einzubinden, wird im deutschsprachigen Unternehmensbereich nur von rund 13 Prozent als gut oder sehr gut eingeschätzt; 56 Prozent beurteilen die eigene Leistung an dieser Stelle mit befriedigend oder ausreichend. Dagegen gelingt die interne Integration, also die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Unternehmensabteilungen, allen Unternehmen deutlich besser.
Kein Statistikstudium erforderlich
Auch mit dem datengeleiteten Entscheidungsverhalten hapert es laut der Umfrage noch in deutschsprachigen Unternehmen. Erst etwa acht Prozent der Unternehmen geben an, dass sie rein oder überwiegend datenbasiert entscheiden. Dagegen ist die überwiegende beziehungsweise rein erfahrungsbasierte Entscheidungsfindung mit circa 24 Prozent der Unternehmensangaben deutlich stärker verbreitet.
Positiver hingegen wird die Verständlichkeit von Analysemodellen bewertet: Immerhin rund 44 Prozent der befragten Unternehmen schätzen die Verständlichkeit der aufbereiteten Daten schon als gut oder sehr gut ein. Dies bedeutet: Daten werden auch für Anwender ohne ausgeprägte Analytics-Expertise verständlich aufbereitet.
"Die Plausibilität von Analysen ist ein wichtiger Punkt für die Akzeptanz und abteilungsübergreifende Nutzung von Business Analytics", betont Wolf Lichtenstein. "Am Markt werden sich daher die Lösungen durchsetzen, die den Anwender intuitiv durch visuell aufbereitete Daten führen - und diese damit in aussagekräftige Erkenntnisse umsetzen. Werden Analysen und Modelle auch für Fachanwender ohne ausgeprägte Analytics- Expertise verständlich aufbereitet, lassen sich Arbeitszeit und Kosten einsparen - und damit wird die Produktivität insgesamt erhöht."
Fazit: Versäumtes Potenzial
Die deutschsprachige Wirtschaft ist den Anforderungen von Big Data per definitionem noch nicht gewachsen. Weder zahlreiche noch vielfältige Daten werden genutzt, sodass die Entscheidungsfindung in den Unternehmen nach wie vor stark an personengebundene Erfahrungen, aber auch Unsicherheiten gekoppelt ist. Die Geschwindigkeit von Analysen weist ebenfalls starken Verbesserungsbedarf auf.
Die deutschsprachige Wirtschaft versäumt mit ihrem aktuellen Analyseverhalten und -vorgehen also wichtige Wettbewerbsvorteile. Die Erkenntnis, dass mit Business Analytics Big-Data-Potenziale erschlossen, Veränderungen proaktiv angestoßen und die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden kann, bleibt für die Mehrzahl der deutschsprachigen Unternehmen reine Theorie - dies belegen die Ergebnisse der vorliegenden Studie.
Es bedarf vor allem eines ausreichenden Schulungsangebots, Investitionen in eine Business-Analytics-Infrastruktur und intuitiv bedienbarer Analytics-Lösungen, um den entscheidenden Schritt auf dem Weg zum maximalen Erkenntnisgewinn weiterzugehen.