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Unternehmensführung

Mit Change-Management den Wandel wagen

Die meisten Strategien und Methoden zum Veränderungsmanagement setzen bei den Menschen an: Sie sollen zu "etwas anderem bewegt" werden, sie sollen sich verändern und von lieb gewonnenen Gewohnheiten verabschieden. Das aber ist zu kurz gesprungen: Change-Management muss tiefer ansetzen - bei der Unternehmenskultur und Unternehmensorganisation.

Autor: Business & IT • 22.5.2014 • ca. 7:10 Min

Wandel in Unternehmen
Wandel in Unternehmen
© Shutter_M - shutterstock.de

Unternehmensberater und Trainer berichten oft, dass sie in einem Team, zum Beispiel in der Vertriebsabteilung, auf recht viele veränderungswillige Führungskräfte und Mitarbeiter treffen. Diese haben die Veränderungsnotwendigkeit erkannt und wollen sich auf tiefgreifende Change-Pr...

Unternehmensberater und Trainer berichten oft, dass sie in einem Team, zum Beispiel in der Vertriebsabteilung, auf recht viele veränderungswillige Führungskräfte und Mitarbeiter treffen. Diese haben die Veränderungsnotwendigkeit erkannt und wollen sich auf tiefgreifende Change-Prozesse einlassen und das Unterste zuoberst kehren.

Dann jedoch stoßen der Vertriebsleiter und die Verkäufer auf unsichtbare Grenzen, die jede Veränderung blockieren. Oft sind dies ungeschriebene Normen und Regeln, die sich im Laufe der Zeit in einer Firma etabliert haben und als unumstößliche Paradigmen der Veränderung in den Weg stellen.

Mit anderen Worten: Veränderungswillige Menschen treffen auf Strukturen, die den Wandel verhindern: "Das geht nicht, das haben wir doch immer schon so gemacht, und zwar erfolgreich, wir können die bewährten Unternehmensprozesse nicht einfach über Bord werfen", heißt es dann.

Das Bewahrer-Gen - Feind der Veränderung

Ich habe dies des Öfteren in der traditionell-konservativen Finanzdienstleistungsbranche erlebt: Es gibt Finanzdienstleister, die das Verhältnis zwischen Außen- und Innendienst neu etablieren wollen. Der Innendienst soll deutlich verkaufsaktiver agieren und mit den Kunden verkaufsaktive und verkaufsunterstützende Gespräche führen - vom Büro aus.

Lothar Stempfle
Der Autor: Lothar Stempfle, Experte für Neukundenakquisition, Verkauf und ganzheitliche Vertriebssteuerung
© Lothar Stempfle

Es ist dann interessant zu beobachten, wie sich rasch eine Allianz der bewahrenden Kräfte bildet: Natürlich gibt es immer Menschen, die es sich in der Komfortzone bequem gemacht haben und sich nicht verändern wollen. Hinzu kommen jene ungeschriebenen Regeln und Gesetze, die besagen: "Um Gottes willen, der Außendienst ist der Außendienst und der Innendienst ist der Innendienst, das war immer so, und das ist so und das bleibt so!"

Das Ende vom Lied: Es verändert sich wenig, weil es Einzelpersonen und Gruppen mit großem Einfluss gibt, die dafür sorgen, dass sich das "Bewahrer-Gen" durchsetzt und alles beim Alten bleibt. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Auch wenn dies ein längerer und zuweilen schmerzhafter Weg ist: Es ist notwendig, den Willen zur ständigen Veränderung in der Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur zu verankern. Ansonsten fehlen dem Change-Prozess das Fundament und die Substanz.

Wind of Change: Veränderung als Projekt

Allerdings: Eine Unternehmenskultur muss sich entwickeln, und das braucht Zeit. Was aber möglich ist: Bei komplexen und größeren Veränderungsprozessen muss der "Wind of Change" von der Geschäftsleitung entfacht werden. Change ist eine Managementaufgabe, Träger des Wandels ist die Geschäftsführung, ist das Management. Das bedeutet zweierlei:

1. Langfristig gesehen findet der Change-Wille in den Unternehmensgrundsätzen Aufnahme, um so eine Veränderungskultur zu etablieren. Zeitgleich benennt die Geschäftsführung jene Mythen, ungeschriebenen Regeln und Paradigmen - um sich von ihnen zu distanzieren und zu verabschieden, mithin die alten Zöpfe, die die Veränderung hemmen, abzuschneiden. Konkret: Der alte Zopf der klassischen Aufgabenverteilung zwischen Innenund Außendienst wird als unzeitgemäß entlarvt. Und die Argumente, die für eine Neuverteilung der Aufgaben sprechen, werden glasklar benannt.

Unternehmensführung,Change-Management
Eingefahrene Prozesse über Bord zu werfen, fällt vielen Mitarbeitern besonders schwer.
© Hersteller

2.Mittel- oder besser kurzfristig steht die Durchführung einer Kick-off-Veranstaltung an. Das Management kann nicht warten, bis sich eine entsprechende Unternehmenskultur etabliert hat. Darum deklariert es die Veränderung - eben die hin zum verkaufsaktiven Innendienst, um bei dem Beispiel zu bleiben - als Projektaufgabe. Wiederum konkret: In einer Kick-off-Veranstaltung mit allen Führungskräften und Mitarbeitern stellt das Management die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Veränderungsprozesses dar. Die Führungskräfte und Mitarbeiter bringen sich in den Prozess ein und unterbreiten eigene Vorschläge, wie der Wandel gelingen kann. Der Vorteil: Betroffene werden zu Beteiligten. Im Rahmen des Kick-offs können überdies jene ungeschriebenen Gesetze und Paradigmen ausgesprochen und diskutiert werden, um sich endgültig von ihnen zu trennen.

Organisatorische Rahmenbedingungen

Hauptziel jeder Kick-off-Veranstaltung ist es, unternehmensweit jenen so wichtigen und unverzichtbaren "Wind of Change" zu entfachen, jenen Change-Spirit und jenes Change-Feuer, das alle Beteiligten zu begeisterten Anhängern des unausweichlichen Veränderungsprozesses macht. Ist dieser Change-Spirit etabliert, ist es viel leichter, die für die Veränderung notwendigen strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen und durchzusetzen.

Ist der "Wind of Change" entfacht, zieht er im Unternehmen immer weitere Kreise. Er motiviert die Menschen dazu, auch die eher schwierigen und problematischen Begleiterscheinungen, die jede Veränderung im Gewand mitführt, zu bewältigen. Selbst die eher skeptischen Führungskräfte und Mitarbeiter sind nun bereit, sich auf die Veränderung einzulassen und die Beharrungskräfte, die sie bisher dazu verleitet haben, sich am Bewährten festzuhalten, loszulassen und neue Wege zu gehen.

Change Agents als Hüter des Wandels

Damit die Kraft des "Wind of Change" nicht nachlässt, benötigt das Unternehmen Change Agents, also überzeugte Führungskräfte, die im mittleren Management an verantwortlicher Stelle sitzen und das Bindeglied zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeiter bilden. Sie halten mit ständig frischem Change-Wind das Veränderungsschiff auf Kurs, sie transportieren den Veränderungswillen von der Geschäftsleitungsebene zu den Mitarbeitern und sorgen auf der organisatorischen Ebene dafür, dass - wir kommen wieder zu unserem Beispiel - die Innendienstmitarbeiter die Kompetenzen aufbauen können, die sie für das verkaufsaktive Vorgehen benötigen.

Sie halten mithin die Motivation der Mitarbeiter aufrecht, nicht länger einfach nur im Unternehmen, sondern am Unternehmen zu arbeiten und aktiv und engagiert zur Weiterentwicklung des Unternehmens beizutragen.

Unternehmer im Unternehmen

Die Change Agents unterstützen diejenigen Mitarbeiter, die bereit sind, als "Unternehmer im Unternehmen" zu wirken. Man spricht in diesem Zusammenhang von Intrapreneurship.

Es geht um Verhaltensweisen, die nicht denen eines klassischen Arbeitnehmers entsprechen, der jeden Tag seine Aufgaben am Arbeitsplatz erfüllt, weil er dafür bezahlt wird. Ein Intrapreneur ist bereit und willens, sich eigeninitiativ und eigenverantwortlich einzubringen und Ideen zu entwickeln und umzusetzen, die das Unternehmen nach vorne bringen.

Diese Initiative darf von den Mitarbeitern nicht voraussetzungslos erwartet werden. Die Führungskraft muss den Mitarbeitern den dazu notwendigen Spielraum lassen, ihnen vertrauen und Möglichkeiten eröffnen, das unternehmerische Denken am Arbeitsplatz zu verwirklichen. Intrapreneurship braucht beides:

  • Mitarbeiter, die nicht nur danach fragen, was das Unternehmen für sie tun kann, sondern die sich auch fragen, was sie für die Firma tun können.
  • Führungskräfte, die bereit sind, für die Intrapreneure unter den Mitarbeitern die entsprechenden Gestaltungsspielräume zu schaffen.

Widerstände konstruktiv nutzen

Selbst wenn es dem Management und den Change Agents gelingt, jenen "Wind of Change" zu entfachen und möglichst viele Mitarbeiter zu Intrapreneuren zu entwickeln: Es wird immer Change-Gegner geben, die trotz aller Plausibilität und Notwendigkeit des Veränderungsprozesses den Wandel ablehnen, die Angst davor haben, die nicht bereit sind, sich darauf einzulassen. Wenn man sich von diesen Menschen nicht trennen will, bleibt die Frage, wie konstruktiv mit ihnen und ihrem Widerstand umgegangen werden soll.

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Veränderungen auf der organisatorischen und erst recht auf der persönlichen Ebene lassen sich nicht im Eiltempo herbeiführen.
© Hersteller

Eine Alternative besteht darin, ihre Verharrungskräfte zu nutzen. Der Change Agent sucht das Gespräch mit den Bewahrern und hört sich ihre Einwände an. Aber: Er verlangt von ihnen eine Begründung, warum sie den Veränderungsprozess nicht wünschen und ihn ablehnen. Dieses Vorgehen hat zum einen den Vorteil, dass sich die Change-Gegner ernst genommen fühlen. Und vielleicht liegt in ihren Einwänden ein Körnchen Wahrheit; vielleicht gibt es bei dem Einwand etwas, was bedenkenswert ist.

Nehmen wir an, ein Innendienstmitarbeiter unseres Finanzdienstleisters lehnt den Change zum verkaufsaktiven Innendienst mit der Begründung ab, er verfüge nicht über die Kompetenzen, um mit den Kunden verkaufsunterstützende Telefonate zu führen. Das ist ein Einwand mit Hand und Fuß.

Der Change Agent klärt darum ab, mithilfe welcher Weiterbildungsmaßnahme es möglich ist, dass der Innendienstler die fehlenden Kompetenzen aufbaut. Eventuell genügt es, ihm eine Zeit lang einen Intrapreneur zur Seite zu stellen, also einen Innendienstkollegen, der bereits erste Erfahrungen als "verkaufsaktiver Telefonist" gesammelt hat und sein Knowhow gern an den Bedenkenträger weitergibt, weil er sich als "Unternehmer im Unternehmen" versteht.

Nicht immer muss das Bewährte auch das Veraltete sein, das abgeschafft gehört. Der kritische Blick des Bewahrers, ob es nicht Abläufe im Unternehmen gibt, die von de Veränderung ausgeschlossen werden sollten, kann durchaus produktiv genutzt werden, um potenzielle Schwachpunkte im Veränderungsprozess zu entdecken und auszumerzen.

Fazit

Geschäftsführung und Change Agents sollten sich bewusst machen: Veränderungen auf der organisatorischen und erst recht auf der persönlichen Ebene der Menschen - der Führungskräfte und Mitarbeiter - lassen sich nicht im Eiltempo herbeiführen. Denn immer geht es um das Aufbrechen eingeschliffener Handlungs- und Denkmuster, um die Verabschiedung bisheriger, meist erfolgreicher und etablierter Verhaltensweisen und Denkgewohnheiten.

Der Wille zur Veränderung ist schnell und leicht gefordert. Ihn im täglichen Handeln zu aktualisieren ist eine Angelegenheit, die einen langen Atem und eine kontinuierliche Anstrengung erfordert.