Crowdfunding bei beyerdynamic
Produkte über Crowdsourcing designen zu lassen endet gern mal in der Bedeutungslosigkeit - oder im PR-Desaster. Wer es richtig macht, kann aber ganz unaufgeregt bemerkenswerte Erfolge erzielen, die der Kopfhörerhersteller Beyerdynamic zeigte.

Thomas Halbgewachs dürfte nicht klar gewesen sein, was er vor anderthalb Jahren anrichtete. Damals konzipierte der Business Unit Manager Consumer Products des Kopfhörerherstellers Beyerdynamic das Modell Custom One Pro. Die Idee war es, einen Kopfhörer zu entwickeln, der sich den wech...
Thomas Halbgewachs dürfte nicht klar gewesen sein, was er vor anderthalb Jahren anrichtete. Damals konzipierte der Business Unit Manager Consumer Products des Kopfhörerherstellers Beyerdynamic das Modell Custom One Pro. Die Idee war es, einen Kopfhörer zu entwickeln, der sich den wechselnden Wünschen seines Nutzers anpasste.
Was heraus kam: ein Vorzeigebeispiel für Crowdsourcing in Deutschland.
Am Anfang stand jener Custom One Pro mit dem "Custom Sound Slider", einem variablen Bassreflexsystem, mit dem der Käufer einerseits Gera?usche wegfiltern kann, andererseits den Klang transparenter und luftiger gestalten kann. Variabilität bedeutet aber auch: Der Hörer kann sich in ein Highend-Headset für Computerspieler und Youtuber verwandeln.
Bei so viel Wandelbarkeit liegt es nahe, mit der Kreativität der Fans zu spielen. Und so wurden sie anlässlich der Internationalen Funkausstellung aufgerufen, ihre Gestaltungsvorschläge einzureichen. Auf dem IFA-Messestand von Beyerdynamic konnten Besucher auf iPads Entwürfe malen. Schon eine Woche spa?ter hatten knapp 1000 Teilnehmer ihren perso?nlichen Kopfho?rer gestaltet und im Internet zur Wahl gestellt. Zum Schluss waren es fast 5000 User, u?ber deren Entwu?rfe mehr als 355000 Musikfans via My-Headphones.com abstimmten.

Das technische Modell war dabei immer das Gleiche. Schließlich wären nur wenige Extrem-Experten in der Lage, sinnvolle Vorschläge für die technischen Grundlagen eines Kopfhörers zu machen. Beyerdynamic orientierte sich ganz am Lehrbuch für Crowdsourcing: Die Optik konnte verändert werden - und bei der können alle mitreden. Variabel waren die Farben der Hörschalen, die Kopf- und Ohrpolster, verschiedene Materialien wie Metall, Stoff oder Kunstleder für die seitlichen Flächen standen zur Wahl.
Anreiz zum Designen: Der Sieger des Wettbewerbs gewann ein Preisgeld von 1000 Euro und erhielt - vielleicht noch wichtiger - ein ein handgefertigtes Exemplar seines Gewinner-Entwurfs.
"Wir haben ganz auf die Crowd vertraut", sagt Halbgewachs. Selbst die Abstimmung lang komplett bei den Nutzern - was angesichts der Manipulierbarkeit häufig ein Problem ist: "Zwar sind uns ein paar Fa?lle bekannt, in denen Firmen mit solchen Entscheidungen ein Risiko eingegangen und auf die Nase gefallen sind - der legenda?re Bud-Spencer-Tunnel in Schwa?bisch-Gmu?nd oder Pril mit Ha?hnchengeschmack sind Beispiele dafu?r, dass so eine Aktion auch danebengehen kann.
Wir haben ganz auf die Crowd vertraut.
Wir haben uns aber gesagt: Die Crowd votet, und das Siegermodell werden wir bauen. Wa?re es unser Ziel gewesen, im Ergebnis dann nur einen einzigen Kopfho?rer zu bauen und dann natu?rlich den mit dem besten Marktpotenzial, dann wa?re Crowdvoting wohl nicht der richtige Weg gewesen. Aber wir haben uns ja gewu?nscht, dass eine virale Kampagne daraus wird und User mit starken Netzwerken auf Facebook und Co. diese entsprechend aktivieren. Wenn wir wa?hrend der Kampagne einen Blick auf die Spitzenreiter bei den Votings geworfen haben, waren das laut unseren Analysen tatsa?chlich diejenigen, die ihre sozialen Netzwerke viel besser aktivierten als die anderen Teilnehmer."
Das heißt aber auch, dass andere, die teilweise ebenfalls bahnbrechend gute Designs abgeliefert haben, jedoch u?ber kein großes Netzwerk verfu?gten oder dieses nicht erfolgreich aktivieren konnten, keine wirkliche Siegchance hatten.
Das Siegermodell "Choose Your Destiny" wird nun gebaut. Vielleicht aber auch noch mehr. Denn Beyerdynamic hat sich über die AGB des Wettbewerbs die Rechte an allen Entwürfen gesichert.
"Selbstverständlich bekommt der Designer dann auch jeweils einen eigenen Kopfhörer und ein Preisgeld von 300 Euro", verspricht Halbgewachs. Etliche der Entwürfe hätten Potenzial für eine Vermarktung. Und für 300 Euro wären Profi-Designer wohl nicht aktiv geworden.