Far Cry 4 im Test - Toller Look, viel Umfang, wenig Seele
Wir haben Far Cry 4 im Test. Der Ubisoft-Shooter zeigt die Stärken der PS4 mit toller Grafik und einer riesigen Spielwelt. Kritik gibt es für Unübersichtlichkeit und fehlenden Tiefgang.

Far Cry 4 im Test für PS4: Die Asche der toten Mutter im Heimatland zu verstreuen, ist an sich eine redliche Geste. Eine schlechte Idee wird daraus aber, wenn das Heimatland von Terroristen beherrscht wird. Ajay Ghale schert sich indes keinen Deut darum und reist trotzdem nach Kyrat. Bereits im...
Far Cry 4 im Test für PS4: Die Asche der toten Mutter im Heimatland zu verstreuen, ist an sich eine redliche Geste. Eine schlechte Idee wird daraus aber, wenn das Heimatland von Terroristen beherrscht wird. Ajay Ghale schert sich indes keinen Deut darum und reist trotzdem nach Kyrat. Bereits im Prolog wird klar: das war nicht seine beste Entscheidung. Auf den ersten Blick wirkt die Story von Far Cry 4 recht dünn: Ein Typ fährt in ein gefährliches Gebiet, wird vom Oberbösewicht gefangen genommen, entkommt, schließt sich der Gegenbewegung an, der Typ wird zum Helden wider Willen. Altbekannt. Doch halt, Far Cry 4 wäre nicht Far Cry 4, wenn Ubisoft nicht nachwürzen würde - mit ganz vielen verrückten Zutaten.
Da wäre zum Beispiel Pagan Min, der Oberbösewicht, der mit seinem Allmachtsanspruch durchaus an den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un erinnert und dabei so gekonnt gezeichnet ist, dass es eine Freude ist, ihm zuzusehen und zuzuhören. Ja, auch letzteres. Denn die deutsche Synchronisation ist Ubisoft nach Far Cry 3 erneut tadellos gelungen. Torsten Michaelis leiht Pagan Min seine Stimme und ist Film-Fans vor allem durch die Synchronisation von Sean Bean, Wesley Snipes oder Benicio del Toro bekannt.
Und nicht nur in Sachen Personal hält Ubisoft die eine oder andere Überraschung bereit. Auch hinsichtlich der Story gibt es diverse Überraschungen. Denn nach unserer Flucht aus den Händen Pagan Mins lernen wir Amita und Sabal vom "Goldenen Pfad" - so heißen die Rebellen - kennen. Die versorgen uns mit Aufträgen und haben durchaus unterschiedliche Auffassungen davon, wie sie die Rebellentruppe gegen Pagan Min zum Erfolg führen wollen. Was zuerst eine Schwarz-Weiß-Anmutung erahnen lässt, bietet später zahlreiche Graustufen. Denn weder Sabal noch Amita sind die Charaktertypen, für die wir sie anfangs vielleicht halten mögen. Dennoch führt jede Herangehensweise zum selben Ziel: Pagan Min.
CGI Launch Trailer | Far Cry 4 [DE]
Dann wiederum gibt es Charaktere, die sind Ubisoft deutlich weniger gelungen. Der die Bibel zitierende Pfarrer und Waffenhändler beispielsweise oder die zwei durchgeknallten Kiffer, die euch stets vor neue Herausforderungen stellen - seien sie noch so tödlich. Sie sind allesamt etwas überzeichnet, wirken klamaukhaft, ohne lustig zu sein. Hier hätte etwas Feingefühlt nicht geschadet.
Und wo wir gerade beim Feingefühl sind. So manchen Design-Schnitzer hätte man sich sparen können. Die Orientierung fällt nicht immer leicht. Stichwort: Wo geht's hier genau mit der Hauptmission weiter? Die Fahrzeugsteuerung ist zumindest auf Konsolen annähernd katastrophal und lässt das Wort Kontrolle wie ein Fremdwort erscheinen. Und die Spielwelt? Sie sieht dank Dunia-Engine nicht nur phänomenal gut aus, sie ist auch vollgestopft mit Aufgaben, mit Missionen, mit Aufträgen, mit Sehenswürdigkeiten, mit Türmen, die zwecks Gebietseroberung erklommen werden wollen, mit Verstecken ... Man könnte ewig so weiter machen.
Das liest sich schön. Doch schnell wird klar, dass die Quantität hier oft der Qualität vorgezogen wurde. Erklimmt man einen der zahlreichen Kommunikationstürme, wird man zwar mit einer schönen Weitsicht belohnt und erobert somit ein Gebiet, spielerisch hält sich das aber in Grenzen. Klar wird die Eroberung in die Story eingebettet, doch wirklich spannend fühlt sich das spätestens nach dem zweiten Turm nicht mehr an. Far Cry 4 ist eine Art überladene Beschäftigungstherapie.

Das las sich jetzt vielleicht etwas kritisch, musste aber erwähnt werden. Denn Far Cry 4 macht mindestens genauso viel wirklich gut. Neben der - wir erwähnten das wohl schon einmal - hervorragenden Grafik bietet das Spiel Shooter-Kost vom Feinsten. Egal, ob Sie lieber schleichen oder in Rambo-Manier ein Lager leerfegen, hier kommt wahrscheinlich jeder auf seine Kosten. Und das alles funktioniert wunderbar fluffig. Hinsichtlich der Spielmechanik gibt es nichts auszusetzen. Hinzu kommt eine enorme Abwechslung in den Missionen, die sich nicht nur auf Schleichen und Ballern stützt. Auch die Schauplätze sind allesamt abwechslungsreich gestaltet und hin und wieder werden wir mit im wahrsten Sinne traumhaften Sequenzen überrascht, in denen wir mit einem Tiger gegen Dämonen kämpfen müssen.
Hinzu kommen lobenswerte Detailverbesserungen im Vergleich zu Far Cry 3 und den Vorgängern. So müssen die Heilspritzen nicht mehr manuell hergestellt werden, sondern entstehen automatisch, sobald genügend Pflanzen gesammelt sind. Oder der Gyrocopter, der Sie schnell und sicher auch in entlegenste Winkel Kyrats transportiert. Außerdem hält die Minimap jetzt eine Art Navigationssystem bereit, das den kürzesten Weg zum Ziel anzeigt. Praktisch. Damit entfällt der nervige Blick auf die große Karte, um zu sehen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist.
Far Cry 4: Fazit
Far Cry 4 ist ein unfassbar umfangreicher Shooter, dem es auf Dauer leider an Herz und Seele mangelt. Die A-Note meistert Ubisoft mit Bravour, denn aufgrund der schieren Missionsanzahl wird es in Kyrat nie langweilig. Auch die Detailverbesserungen im Vergleich mit dem Vorgänger verdienen Lob. Doch mit der B-Note verbaut sich Ubisoft den Vorstoß in noch höhere Wertungsgefilde. Was fehlt, ist die Immersion. Denn Umfang allein ist nicht alles. Was nutzen die besten Aufträge, wenn sie aufgesetzt wirken? Was nutzen Sammelaufgaben, wenn Sie lästig wirken? Hier hätte etwas mehr Fingerspitzengefühl Wunder gewirkt. Dennoch: Far Cry 4 ist mindestens genauso gut wie sein Vorgänger - und in manchen Belangen sogar etwas besser.