Facebook

Facebooks Social Graph Search

1.5.2013 von Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins

Mit Facebook Graph Search wirft der Online-Gigant datenhungrigen Marketingmanagern einen saftigen Köder zu. Doch was sind die Implikationen für Unternehmen und Endanwender?

ca. 8:30 Min
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Facebook stellte die neue Suche
Facebook stellte die neue Suche "Graph Search" vor.
© Facebook Screenshot

Die Statistik beweist es: Wer nach Informationen sucht, der tut dieses mit Google. Dennoch ist Google+ bisher noch kein besonders erfolgreiches soziales Netz. Bei Facebook is es genau umgekehrt: Als soziales Netzwerk ist es ein durchschlagender Erfolg und kann inzwischen auf eine stolze Milliarde Anwender verweisen. Eine Milliarde Facebook-Anwender haben 240 Milliarden Bilder für Freunde freigegeben und eine Billion Verbindungen zueinander aufgebaut. Im Bereich der Online-Suche hat Facebook bisher keine bahnbrechenden Innovationen vorweisen können. Dieses soll Graph Search nun ändern.

Wer sucht, der findet

Die "Gefällt mir"-Klicks hatten bisher lediglich eine dekorative Funktion, doch seit Facebook sich zum Ziel gesetzt hat, Benutzerdaten aktiv zu monetisieren, sieht die Situation nun völlig anders aus.

Der Name "Graph Search" bezieht sich nicht auf die Visualisierung der Resultate, sondern auf die Tatsache, dass diese Funktion den so genannten "Social Graph" von Facebok durchforstet, also die Datenstrukturen, die sich aus sozialen Beziehungen der Mitglieder zueinander ergeben. Graph Search ermöglicht es, mit intelligenten, kontextsensiblen Suchanfragen sehr fein granulierte Informationen über die Anwender von Facebook zu extrahieren. Wer etwa seinen Geburtstag feiert und Freunde einladen möchte, kann Facebook beispielsweise zu Rate ziehen, um zu ermitteln, was seine Freunde gerne essen, welche Musik sie am liebsten hören, oder welche Restaurants vor Ort sie gerne besuchen.

Dennoch ist Graph Search nicht etwa ein Geschenk an den Verbraucher, sondern primär an Marketingpraktiker gerichtet. Für die Marktforschung kommt das Tool nämlich wie gerufen. Noch nie konnte man so gezielt und so präzise die Präferenzen der anvisierten Zielgruppe erforschen und demografische Kriterien mit persönlichen Vorlieben im Kontext sozialer Interaktionen untersuchen.

Ein Marktforscher könnte beispielsweise die Gemeinsamkeiten verschiedener Facebook-Benutzer untersuchen, die ein bestimmtes Hotel in München mögen, und deren Einfluss auf ihren unmittelbaren Freundeskreis unter die Lupe nehmen. Die Kombination aus Big Data und der Verarbeitung natürlicher Sprache verleiht dem Konzept eine sehr hohe Flexibilität. Sobald die ersten Anwendungen auf Basis der Graph-API das Licht der Welt erblicken, bricht die Ära fein abgestimmter "sozialer" Marktforschung erst recht an.

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Open Graph, ein Vorläufer von Graph Search, kommt nur bei wenigen Marken und Diensten zum Einsatz; hier am Beispiel von Spotify Deutschland.
© Internet Magazin

Facebooks neue Suchanfragen mit sozialem Kontext

Graph Search steht bisher lediglich handverlesenen Benutzern innerhalb von Facebook zur Verfügung. Aktiviert man Graph Search, so verschwindet das klassische Suchfeld. Die Suchanfrage trägt man nun links in die obere Facebook-Leiste ein. Das aktualisierte Design der Facebook-Navigationsschaltfläche hat nun ein Lupensymbol und sieht damit der Adressleiste eines Browsers frappierend ähnlich aus. Nach der Aktivierung der Funktion auf der Willkommen-Seite können Sie eine Suchanfrage in natürlicher Sprache formulieren und zwischenmenschliche Beziehungen in die Suchkriterien einbeziehen.

Bereits beim Eintragen der Suchphrase versucht Facebook, dem Benutzer kontextbezogene Vorschläge zu unterbreiten. Verschickt der Benutzer die Abfrage, erhält er je nach Suchkriterien entweder eine Liste einzelner Fundstellen (zum Beispiel eine Liste der Profile von Bewohnern Münchens, denen das iPhone gefällt) oder aggregierte Resultate wie etwa eine Liste der verschiedenen Hobbys, denen die Mitglieder von Facebook in einer bestimmten Altersgruppe nachgehen.

So kann der Benutzer etwa nach Fotos suchen, die von seinen Freunden oder deren Kindern kommentiert wurden ("photos of my friends and their children commented on"), Interessensbereiche einer bestimmten Berufsgruppe erforschen ("Favorite interests of people who work as hair stylists ") oder Internetlesegewohnheiten bestimmter Altersgruppen ausloten und diese auf einen geografisch signifikanten Wohnort beschränken ("Pages liked by people who are older than 25 and live in Bavaria").

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Das Eingabefeld für Facebooks Graph Search offenbart sich im Browser erst nach einem Klick in die obere Leiste.
© Internet Magazin

Graph Search und der Schutz der Privatsphäre

Es ist erstaunlich, was Graph Search alles an Informationen über Facebook-Benutzer und ihre Interaktionen in Sekundenschnelle ans Tageslicht fördert. Eltern können die Facebook-Aktivitäten ihrer Kinder besser beaufsichtigen ("Party-Fotos von meiner Tochter und ihren Freunden"), doch auch ein potenzieller Arbeitgeber kann Graph Search zu Rate ziehen. Sobald ein Benutzer einen Kommentar schreibt, ein Update postet, ein Foto freigibt, oder die "Gefällt mir"-Schaltfläche einmal anklickt, sind die Informationen für die Suche zugänglich.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob eine derart umfassende Freigabe persönlicher Informationen nicht die Privatsphäre des Einzelnen verletzt. Schließlich hat der Benutzer realistisch gesehen keine Möglichkeit, die Veröffentlichung privater Daten rückgängig zu machen, außer jeden "Gefällt mir"-Klick einzeln zu entfernen. Ob die Datenschützer der aktuellen Implementierung auf die Dauer den Zuspruch erteilen, ist zumindest fragwürdig. Die Betaversion des Dienstes gibt aber bereits den Vorgeschmack darauf, was Facebook über die Benutzer alles ermitteln kann.

Marketingimplikationen von Graph Search

Die Bedeutung von Facebooks Graph Search für das Marketing sind enorm. Marktforscher können dank der neuen Suche fein abgestimmte Informationen ans Tageslicht fördern, die ihnen erlauben, die Zielgruppe für Produkte und Dienstleistungen besser zu segmentieren.

Die Suche nach den beliebtesten Aktivitäten der Deutschen im Alter von unter 25 Jahren ("Favorite activities of people who are younger than 25 and live in Germany") verrät zum Beispiel, dass sich in dieser Zielgruppe 4,6 Millionen Menschen für den Fußball und 18,6 Millionen Menschen fürs Fotografieren interessieren. Inwiefern diese Daten akkurat sind und ein vollständiges Bild über die Interessen dieser demografischen Zielgruppe liefern, ist allerdings noch unklar. Die aktuelle Betaversion von Graph Search unterstützt leider nur die Suche auf Englisch und die Resultate sind nur so gut wie die Informationen im Netzwerk.

Ironisch gemeinte und ernsthaft gemeinte "Gefällt mir"-Klicks kann Facebook genauso wenig auseinander halten wie die Entwicklung der Benutzerpräferenzen im Verlauf der Zeit. Jemand, der vor drei Jahren Apple, Google oder Microsoft als Marke mochte, hat inzwischen möglicherweise völlig andere Präferenzen.

Der Otto Normalverbraucher wird sich typischerweise nicht die Mühe geben, die einzelnen "Gefällt mir"-Klicks manuell aus seinem Profil zu entfernen, damit diese seine aktuelle Meinung adäquater reflektieren. Insofern gibt es einen großen Bedarf an intelligenten Algorithmen, welche das Besucherverhalten im Verlauf der Zeit und im Kontext anderer Aktivitäten auswerten. Das Konzept von Facebooks Graph Search ist noch nicht völlig ausgereift, aber bereits in dieser frühen Form äußerst viel versprechend.

Jeder Klick zählt - und wird gezählt

Genauso wie bei einer politischen Wahl auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene scheint der Einfluss des Einzelnen nahezu vernachlässigbar zu sein, doch letztlich bestimmen alle abgegebenen Einzelstimmen das Endergebnis. Analog ist es bei den Facebook-Likes: Jeder Klick zählt. Wenn sich Millionen von Facebook-Benutzern für ein neues Smartphone oder einen neuen Musiktitel aussprechen, weil dieser ihren Freunden auch gefällt, kann der Absatz explosionsartig zunehmen. Da sich das Schneeballprinzip nachvollziehen lässt, können es die Marketingverantwortlichen für andere Produkte replizieren.

Das Potenzial für die virale Verbreitung einer "Gefällt mir"-Stimme oder eines durch Facebook authentifizierten Kommentars - im Gegensatz zum anonymen Surfen im "offenen" Web - erhöht die Relevanz der Benutzeraktivitäten aus Marketingsicht. Die Likes stellen bereits heute eine relevante Größe dar, mit der sich Web- und Datenanalytiker befassen müssen. Facebook Graph Search könnte in naher Zukunft zu einem relevanten Marketinginstrument werden. Für die Werbeeinnahmen von Google und Bing stellt Graph Search aufgrund der gigantischen Größe der Facebook-Gemeinde eine ernsthafte Bedrohung dar. Damit es allerdings für Marketingpraktiker zu umsetzbaren Erkenntnissen führt, bedarf es leistungsfähiger Applikationen, welche die enorme Informationsflut zielgerichteter auswerten können.

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Abschicken einer Suchanfrage an Facebook Graph Search.
© Internet Magazin

Suche mit Hilfe der Graph-API

Facebooks zentrale API für die Suche ist die Graph-API. Alle öffentlich zugänglichen Objekte lassen sich unter graph.facebook.com/search durchsuchen. Das Format einer gültigen Anfrage lautet:

https://graph.facebook.com/ search?q=QUERY&type=OBJECT_TYPE

Die unterstützten Objekttypen beinhalten alle öffentlichen Posts, Benutzer, Seiten (unter Angabe eines Zugangsschlüssels), Ereignisse, Applikationen, Gruppen, Orte, Check-ins und andere. Zum Durchsuchen von Objekten an einem spezifischen Standort, verwenden Sie eine Anfrage in der Form:

https://graph.facebook.com/ search?type=location&center= 37.76,-122.427&distance=1000

konkret also zum Beispiel:

https://graph.facebook.com/ search?type=location&center= 37.76,-122.427&distance= 1000&access_token=OAUTH_ACCESS_TOKEN

Anstelle von OAUTH_ACCESS_TOKEN müssen Sie natürlich einen gültigen Authentifizierungsschlüssel eingeben. Um den privaten Newsfeed eines Benutzers zu durchsuchen, der nur seinen Freunden zur Verfügung steht, benötigen Sie eine Anfrage in der Form

https://graph.facebook.com/me/home?q= facebook&access_token=OAUTH_ACCESS_TOKEN

Das angezeigte Resultat ist in diesem Fall leider nicht aktuell; das Problem ist bekannt. Facebook arbeitet an der Fehlerbehebung. Bei Verwendung der Facebook Graph-API können Sie einen Stapel von Anfragen auf einmal abschicken, unabhängig davon, ob Sie eine oder mehrere Methoden in einem benutzen.

Um Stapelanfragen abzuschicken, erstellen Sie ein JSON-Objekt, welches jeden einzelnen Vorgang beschreibt, und senden Sie es unter Verwendung der POST-Methode an die Endstelle der Graph-API unter: https://graph.facebook.com.

Der Code im folgenden Beispiel greift auf die Profilinformationen des betreffenden Benutzers zu und bezieht die ersten 50 seiner Freunde ein

curl \ -F ,access_token=...' \ -F ,batch=[{"method":"GET", "relative_url":"me"},{"method":"GET", "relative_url":"me/friends?limit=50"}]' \ https://graph.facebook.com

Wurden beide Operationen abgeschlossen, gibt Facebook eine detaillierte Antwort zurück. Diese beinhaltet für jeden einzelnen Vorgang einen Statuscode, den Header und zu guter Letzt auch den Body-Abschnitt, in dem sich ein mit einer Textzeichenkette codiertes JSON-Objekt befindet. Im konkreten Beispiel sieht das dann etwa so aus:

[ { "code": 200, "headers":[ { "name": "Content-Type", "value": "text/javascript; charset= UTF-8" } ], "body": "{\"id\":\"<der Body- Inhalt>\"}"}, { "code": 200, "headers":[ { "name":"Content-Type", "value":"text/javascript; charset= UTF-8"} ], "body":"{\"data\": [{<der Body- Inhalt>}]}} ]

Die Batch-API von Facebook, welche die Stapelverarbeitung von Anfragen auswertet, unterstützt die Einbindung mehrer Authentifizierungstokens, wobei maximal ein Token für jede individuelle Anfrage zulässig ist. Der Token der obersten Ebene fungiert in diesem Fall als Fallback-Token und kommt zum Einsatz, wenn eine individuelle Anfrage nicht über einen eigenen Authentifizierungsschlüssel verfügen sollte.

Die Anzahl von Anfragen in einem Stapel ist derzeit auf 50 limitiert. Jede Anfrage innerhalb eines Stapelverarbeitungsauftrags zählt als eine separate Anfrage beim Berechnen der API-Anfragenkontingente und der Ressourcenfreigabe. Graph Search steht bisher lediglich wenigen Hand verlesenen Benutzern und nur innerhalb von Facebook zur Verfügung. Mit der Social-Graph-Suche schickt sich Facebook an, zumindest technisch gesehen das Marketing neu zu definieren und die Marktforschung nachhaltig zu verändern. Fragwürdig ist jedoch, ob Facebooks Eindringen in die persönliche Privatsphäre der Endanwender auch den Zuspruch der Datenschützer finden wird.

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