E-Books lesen persönliche Daten aus
Käufer von E-Books geben mittlerweile immer häufiger ungefragt persönliche Daten und Informationen an die Händler weiter.

Wie lange brauchen Sie eigentlich, um ein Buch zu lesen? Und lesen Sie Bücher zu Ende oder schmeißen Sie die meisten nach 50 Seiten in die Ecke? Sind Sie ein Vorblätterer, ein Springer, Quer- oder lahmer Leser? Das sind Fragen, die bisher nur Sie etwas angingen. Denn Bücher sind verschwiegen - s...
Wie lange brauchen Sie eigentlich, um ein Buch zu lesen? Und lesen Sie Bücher zu Ende oder schmeißen Sie die meisten nach 50 Seiten in die Ecke? Sind Sie ein Vorblätterer, ein Springer, Quer- oder lahmer Leser? Das sind Fragen, die bisher nur Sie etwas angingen. Denn Bücher sind verschwiegen - sie erzählen nur dem etwas, der sie in die Hand nimmt.
Doch mit dem E-Book sind solche Fragen leicht zu beantworten. Die meisten E-Book-Reader stehen über WLAN oder mobile Daten-Verbindungen im direkten Kontakt mit dem Internet. Und wo Daten auf den Reader kommen können, können auch welche zurück auf den Server gehen. Am schnellsten wird das deutlich bei Amazon. Wer ein Buch auf dem Kindle liest, kann sich z. B. die Lieblingsmarkierungen anderer Leser dieses Buches anzeigen lassen.

Was hier als Community-Merkmal auftaucht, birgt aber ein großes Potenzial für die Ernte von Nutzerdaten. Anders als der größte Teil der Unterhaltungsindustrie kann die Buchbranche ihre Produkte kaum vorab testen und exakt auf Zielgruppen zuschneiden. Auch wenn die Produktionskosten für ein Buch nicht mit denen für eine Fernsehserie zu vergleichen sind, dürfte die Verlage eine Produkt-optimierung zumindest für den Bestsellermarkt reizen.
Dazu passt, dass digitale Bücher sich einen stark wachsenden Marktanteil sichern. Für das erste Halbjahr 2012 lag dieser nach Auskunft vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels bereits bei 2 Prozent. Im Jahr 2011 kauften eine Dreiviertelmillion Deutsche 4,7 Millionen E-Books, mehr als ein Drittel davon wissenschaftliche Werke, ein weiteres Viertel Reisebücher. Bereits für 2015 rechnen die deutschen Verlage mit einem Anteil ihrer digitalen Produkte von 17 Prozent am Gesamtumsatz.
Verlage ändern Buchreihen aufgrund des Leseverhaltens
Die Entwicklung in den USA ist der bei uns um ein paar Jahre voraus. Dort haben schon 2010 mehr als 40 Prozent der Einwohner ein E-Book gekauft, der Umsatz lag bei umgerechnet 327 Millionen Euro. Dementsprechend groß scheint das Interesse der dortigen Verleger an den neuen Möglichkeiten eines Leser-Monitorings zu sein.
So berichtete ds "Wall Street Journal" im letzten Jahr, dass der amerikanische Buchhändler Barnes & Noble, der mit dem eigenen Reader "Nook" 25-30 Prozent des dortigen E-Book-Marktes hält, die Gewohnheiten seiner digital lesenden Kunden schon recht umfassend auswertet.
So hat sich ergeben, dass Fans populärer Serien wie "Shades of Grey" die Bände hintereinander weglesen, als wäre es ein einziges Buch. (Populär)-wissenschaftliche Werke dagegen werden häufig auszugsweise gelesen. Das hat Barnes & Noble bereits veranlasst, kurze e-Bücher, sogenannte "Nook-Snaps", zu konzipieren.
Lese-Plattformen wie die "social eReading platform" Copia setzen dagegen ganz offensiv auf das Teilen von Markierungen und Anmerkungen sowie das Synchronisieren solcher Daten auf unterschiedlichen Geräten eines Nutzers. Copia erhebt dabei sogar demografische Daten: Alter, Geschlecht und Schulbildung der Nutzer, wie oft ein Buch geöffnet und gelesen wird - solche Daten teilt das Unternehmen in anonymisierter Form den Verlagen mit.
Als Gegenspieler zu einer solchen freien Weitergabe von Lesegewohnheiten tritt dagegen die nichtstaatliche Electronic Frontier Foundation (EFF) auf. Sie beschreibt auf ihrer Website, für welche User-Daten sich die einzelnen Anbieter digitaler Literatur interessieren. Google Books etwa speichert laut EFF Suchanfragen zusammen mit der IP-Adresse des Users und protokolliert die letzen fünf gelesenen Seiten.
Und bei Amazon können demnach Suchen im E-Book nur getätigt werden, wenn der User angemeldet ist - eine Voraussetzung auch für die Übermittlung von Daten wie der Lesegeschwindigkeit. Amazons Kindle loggt zudem die letzte gelesene Seite, möglicherweise, so die EFF, auch Anmerkungen und Markierungen. User können sich dabei auf Wunsch anzeigen lassen, wie oft andere User bestimmte Stellen in einem Buch markiert haben.
Die EFF beklagt, dass die Formulierungen zum Datenschutz für E-Book-Kunden meistens vage und gewunden klingen. Auch die deutschen Datenschutzerklärungen sind in der Regel kompliziert und lang, bei Sony etwa über 30 Druckseiten. Sie stellen gern heraus, dass personenbezogene Daten zwar erhoben werden müssen, aber nicht oder nur beschränkt an Dritte weitergegeben werden. Das Recht auf Einsicht und Bearbeitung oder Löschung der eigenen Daten steht den Usern zu; sie müssen es aber in der Regel aktiv ausüben (Opt-out).

Richtig schwammig sind die Ausführungen zur Nutzung nicht personenbezogener Daten. Welche Daten werden erhoben? "Beispielsweise" Name, Adresse, E-Mail-Adresse. Werden die Daten weitergegeben? "Eventuell". Ein Beispiel für die Ausnahmen-Akrobatik gibt ein Satz aus der Kobo-Datenschutzerklärung: "Wir erheben, verwenden und übermitteln Ihre personenbezogenen Daten grundsätzlich nur mit Ihrem Wissen und Ihrer Zustimmung, außer soweit durch Gesetz vorgeschrieben oder erlaubt und in diesen Datenschutzhinweisen beschrieben." Da bleiben alle Hintertürchen offen.
Kobo und Libreka sind es dann auch, die als Einzige ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie Daten über das Nutzungsverhalten pseudonymisiert verwenden. Bei Libreka lautet der entsprechende Passus: " Auf dieser Website werden ... Daten zu Marketing- und Optimierungszwecken gesammelt und gespeichert. Aus diesen Daten können unter einem Pseudonym Nutzungsprofile erstellt werden."
Die Firma etracker, die Technologien zur Analyse solcher Daten bereitstellt, formuliert das Ziel der Datenauswertung für ihre Kunden dagegen etwas knackiger: "Alles über Ihre Besucher" - das ist wenigstens ehrlich.
Daten-Auslese: Das speichern die E-Book-Anbieter
Welche Daten sie wirklich auslesen, verschleiern die Anbieter von E-Books gern. Ein Blick in die Datenschutzbestimmungen und AGBs zeigt, was sie sich vorbehalten.
- Amazon: Loggt, welche Produkte Nutzer anschauen bzw. mit dem Kindle suchen, verbindet diese Daten mit dem Kundenkonto. Ob das Suchen von Büchern außerhalb von Amazon ebenfalls geloggt wird, ist nicht bekannt. Registriert möglicherweise Notizen und Markierungen.
- Ciando App: Neben personenbezogenen Daten wird die Bestellhistorie gespeichert. Darüber hinaus versichert Ciando, nur solche Kundendaten zu speichern, die das Unternehmen aus rechtlichen Gründen speichern müsse. Welche das sind, ist unklar.
- Google Books: Loggt alle Suchanfragen mit IP-Adresse. Bei eingeloggten Nutzern werden die Suchen mit dem User-Account verknüpft. Loggt die spezifische Seite und das Buch, das auf Googles Site angeschaut wurde. Registriert die letzten fünf gelesenen Seiten.
- Kobo: "Evtl. speichern wir Informationen über die Art und Weise Ihrer Nutzung unseres Angebots, so z. B. wann und wie oft Sie das Kobo-Angebot nutzen, und welche Inhalte Sie im Kobo-Angebot anzeigen oder anklicken."
- Libreka: Es werden Daten über die Nutzung des Shops erhoben, die zu pseudonymisierten Nutzerprofilen zusammengestellt werden können. Personenbezogene Daten für den geschäftlichen Verkehr. Expliziter Anspruch auf Einsicht und Löschung dieser Daten.
- Sony Reader Store: Personenbezogene Daten werden für den geschäftliche Verkehr erhoben und zu diesen Zwecken an Dritte weitergegeben. Zudem darf Sony Kaufinformationen analysieren, um mehr über die allgemeinen Einkaufsgewohnheiten seiner Kunden zu erfahren.
- Thalia-Buch.de App: "buch.de verpflichtet sich, die personenbezogenen Daten der Kunden nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen (insbesondere BDSG und TMG) vertraulich zu behandeln." Keine Angaben zu Erhebung und Nutzung nicht personenbezogener Daten.
- Weltbild: Die App erhebt, welche Inhalte ein User sich im Shop ansieht, oder welche Funktionen der App er benutzt. Dabei werden auch personenbezogene Daten gespeichert. Die Zustimmung zu diesen AGB-Passagen lässt sich (nicht rückwirkend) über die App deaktivieren.