Die DSL-Speed-Lüge
Flatrate ist nicht gleich Flatrate. Immer wieder lassen sich Provider etwas einfallen, um die eigentlich unbegrenzten Tarife unauffällig einzuschränken. Der neueste Trend: Drosselungen ab einem bestimmten Download-Volumen.

Nach fünf Filmen in HD-Auflösung ist Schluss. Die Breitband-Drosselung von Alice schnappt bei fünfzig Gigabyte Datentransfer zu, und von da ab kann der Anwender mit einer Bandbreite von einem Megabit pro Sekunde gerade noch Youtube in SD gucken. Fünfzig Gigabyte entsprechen einem HD-Film pro Woc...
Nach fünf Filmen in HD-Auflösung ist Schluss. Die Breitband-Drosselung von Alice schnappt bei fünfzig Gigabyte Datentransfer zu, und von da ab kann der Anwender mit einer Bandbreite von einem Megabit pro Sekunde gerade noch Youtube in SD gucken. Fünfzig Gigabyte entsprechen einem HD-Film pro Wochenende plus ein paar Datei-Downloads. Für einen Filmfreak eine Enttäuschung. Gerade dieser hat sich aber von den Versprechungen hoher Bandbreiten locken lassen.
Die Alice-Drosselung gibt es nur in Gebieten, in denen der Provider kein eigenes Netz betreibt, sondern auf das der Telekom zugreift. Alice lässt sich einen solchen, in Fachkreisen Bitstrom-Anschluss genannten, Zugang mit fünf Euro als "Regionalzuschlag" extra vergüten. Der Kunde bezahlt also mehr als andere Alice-Kunden und bekommt eine eingeschränktere Leistung. Eine schlüssige Erklärung, warum das so ist, wollte oder konnte uns O2, der Betreiber von Alice, nicht geben.
Alle wollen mit Flatrate werben

Alice ist nicht der einzige Provider, der einzelne oder alle Tarife drosselt. Wer genauer hinsieht, stellt fest, dass viele Anbieter inzwischen Drosselungen anwenden oder aber sich zumindest in den AGBs vorbehalten. Der Beobachter wird den Eindruck nicht los, dass alle mit "Flatrate" werben wollen, aber diese letztendlich einzuschränken versuchen - zumindest da, wo es dem Anbieter "wehtut". Ein Beispiel hierfür wäre Kabel Deutschland. Der Provider beschränkt den Zugang für alle Tarife laut Vertrag ab zehn Gigabyte Datentransfer pro Tag.
De facto setzt die Drosselung laut Aussagen der Firma erst bei sechzig Gigabyte ein. Das sind immerhin sechs große Filme pro Tag. Dann greift die Speed-Bremse aber drastisch und senkt den Downlaod auf maximal hundert Kilobit pro Sekunde. Allerdings betrifft dies nur die Ports und Webseiten von Filesharing-Diensten (Bittorrent, Rapidshare etc.). Am nächsten Tag kann der Anwender wieder normal weitersaugen. Laut Kabel Deutschland sind 0,1 Prozent der Kunden betroffen, also die "harte" Fraktion der Tauschfreunde.
Ratgeber: Fernzugriff aufs Heimnetz
Letztendlich verkauft also Kabel Deutschland eine Flatrate ohne viel Filesharing und Alice eine Flatrate ohne viel Fremdnetz. Die echte Flatrate, bei der der Anbieter auch damit leben muss, dass Kunden an die Grenze der Bandbreite gehen, war bei den Providern nie besonders beliebt und es gab viele Versuche, sie im Kleingedruckten zu bremsen. In der Anfangszeit des DSL-Booms gab es deshalb als Flatrates maskierte Volumentarife.
Oder Provider haben Vielnutzern Geld angeboten, um sie zum Kündigen zu bewegen. Alle Versuche scheiterten jedoch bislang vor Gericht als Werbebetrug, denn wer eine Flatrate anbietet, muss auch eine solche verkaufen. Auch die Drosselungen waren schon Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Im Oktober 2011 verurteilte das Landgericht Bonn die Telekom dazu, bereits im Angebot und nicht in den AGBs versteckt auf die Beschränkung hinzuweisen.
"Wirbt ein Internetanbieter mit hoher Datengeschwindigkeit, muss er deutlich machen, wenn er diese ab einer bestimmten Datenmenge drosselt", heißt es im Urteil. Die Telekom reduziert die Bandbreite von VDSL- und Glasfasertarifen. Bei VDSL verringert die Telekom den Anschluss nach hundert Gigabyte im Monat auf sechs Megabit pro Sekunde. Das ist noch ganz ordentlich. Beim Tarif Call & Surf Comfort Fibre 100 hingegen schrumpft die Verbindung nach dreihundert Gigabyte auf 384 Kilobit pro Sekunde.
Das ist hingegen sehr dünn. Ausgenommen von der Drosselung sind die eigenen Entertain-Dienste, also Video und TV über das Internet. Dass die Begrenzung andere, konkurrierende Dienste betrifft, weist die Telekom von sich: "Es geht nicht darum, andere zu benachteiligen. Da müssen wir vorsichtig sein. Die Telekom betreibt ein Netz, auf dem wir andere Betreiber zulassen müssen", sagt ein Sprecher.
Viele Kunden sind bereits verärgert

Seit dem Bonner Urteil weist die Telekom deutlich im Web-Angebot auf die Einschränkungen hin, bei VDSL im Bereich "Vertragsbedingungen". Abgesehen davon ist die Telekom-Drosselung bislang noch nicht umgesetzt, sie steht nur wie eine Drohung in den AGBs. Alles sieht danach aus, dass die Provider ausloten, ob sie die allumfassende Flatrate in irgendeiner Form doch zügeln können, so wie es bei Mobilfunk-Tarifen schon funktioniert. Dort gibt es Highspeed in der Flatrate nur bis 500 oder 1000 Megabyte.
Dann greift die Datenbremse. Ähnliches steht auch in den AGBS von Kabel Deutschland. Dort behält sich der Provider vor, die Filesharing-Drosselungen auf auch andere Anwendungen auszuweiten, "wenn und soweit dies aus technischen Gründen oder aufgrund neuer Dienste und/oder derzeit noch nicht absehbarem Nutzungsverhalten erforderlich ist, um das durch die beschriebenen Qualitätssicherungsmaßnahmen verfolgte Ziel weiterhin erreichen zu können."
Derartige Klauseln versprechen weiteren Ärger mit Kunden, zumal viele schon jetzt verärgert sind, selbst wenn es kein aktive DSL-Drosselung gibt. Denn die eine oder andere Leitung wird von ganz allein "schmaler", wenn abends viele Leute ins Web gehen. Dann ruckelt es eben doch im Bild. Außerdem erhalten viele Kunden nicht die erhofften Datenraten, denn sie sind zu weit weg vom Verteiler (bei VDSL z.B. knapp ein Kilometer).
Dann sinken die versprochenen sechzehn Mbit pro Sekunde auf zwölf oder gar acht. Da die Provider "bis-zu"-Verträge verkaufen ("bis zu 16.000 kbit/s") hat der Kunde wenig Chancen, dies zu bemängeln. Nur wenn er mit der Bandbreite in eine tiefere Kategorie rutscht, kann er auf Kulanzbasis in einen niedrigeren Tarif wechseln.
Tipp: So finden Sie die richtige Fritz!Box
Es geht aber auch anders. 1&1 bietet beispielsweise einen gedrosselten Spezialtarif, der als solcher auch ganz offensichtlich markiert ist. Surf&Fon Flat special ist zehn Euro günstiger, reduziert aber die Bandbreite ab hundert Gigabyte Datendurchsatz auf ein Megabit pro Sekunde. Das erinnert nicht an eine kaschierte Flatrate, sondern an einen Volumentarif ohne Kostenfalle bei Überschreitung des Volumens.
Wer keine Filme streamt, wird die hundert Giga kaum ausschöpfen, und wenn es einmal passiert, kann er relativ unbehindert zumindest im Web browsen. Andere Provider kommen sogar ganz ohne Drosselungen aus, etwa Mnet, Netcologne, Unitymedia oder Vodafone. Der Kabelprovider Unitymedia lässt uns selbstbewusst wissen: "Wir haben ein leistungsfähiges Netz, davon profitieren auch die Kunden."
So messen Sie die DSL-Geschwindigkeit
Es gibt verschiedene Wege festzustellen, wie schnell die eigene Internet-Verbindung ist. Denn wer mit dem Provider streiten möchte, braucht zuverlässige Daten.

Web-Dienste
Wer bei Google Stichwörter wie DSL, Geschwindigkeit, Speedtest eingibt, bekommt als Ergebnis eine Vielzahl an Seiten, die Messdienste anbieten. Deren Ergebnisse sind jedoch nicht zuverlässig und hängen von zu vielen Faktoren ab (Betriebssystem, Route, Browser ...). Das kann jeder selbst ausprobieren, indem er eine Messung mit verschiedenen Browsern wiederholt.
Router
Auch Ihr Router weiß lediglich, wie schnell die Verbindung maximal ist, denn er hat sie mit der Gegenstelle ausgehandelt. Das betrifft die allgemeine Bandbreite, aber leider nicht die angesprochenen Drosselungen, denn die finden weiter hinten im Netz des Providers statt. Bei der Fritzbox findet sich die Information unter Internet/DSL-Informationen. Details unter DSL.
Download-Manager
Einen recht exakten Wert können Sie mit einem Download-Manager wie FDM Lite 3.9 ermitteln, der die Download-Geschwindigkeit anzeigt. Dabei lasen Sie parallel Linux-DVDs von verschiedenen Servern (mirrors.fedoraproject.org), bis die Geschwindigkeitsanzeige nicht mehr steigt. Das ist dann Ihr derzeit aktueller Maximalwert.