Die richtige Customer Experience schaffen
Noch nie war es so einfach, Kunden zu verlieren. Denn der Wettbewerb und die sozialen Medien warten nur darauf, dass Unternehmen und ihre Mitarbeiter negative Kundenerfahrungen produzieren. Entscheidend sind die "Momente der Wahrheit" im Kundenkontakt.

Der Mitarbeiter im Service ist unhöflich, ungeduldig und gibt dem Kunden deutlich zu verstehen, dass er ihn an den Knaben "Nerv" aus der Kinoserie "Die wilden Kerle" erinnert: "Der nervt einfach nur mit seiner Anfrage, und wir haben ja zum Glück genügend andere Kunden!" Der Vertriebsk...
Der Mitarbeiter im Service ist unhöflich, ungeduldig und gibt dem Kunden deutlich zu verstehen, dass er ihn an den Knaben "Nerv" aus der Kinoserie "Die wilden Kerle" erinnert: "Der nervt einfach nur mit seiner Anfrage, und wir haben ja zum Glück genügend andere Kunden!" Der Vertriebskollege aus dem Innendienst hält sich bei telefonischen Anfragen strikt an seinen Gesprächsleitfaden, zuweilen liest er die vorgefertigten Antworten gar vom Blatt ab. "Dann kann ich nichts falsch machen", so seine Hoffnung.
Der Außendienstler schwelgt in der Darstellung der "tollen Eigenschaften" seines Produktes. Dem Kunden zuzuhören, dessen Redeanteil möglichst groß zu halten und so zu erfahren, was er wirklich will? Fehlanzeige. Der Mitarbeiter in der Reklamationsabteilung schließlich windet sich darum herum, zuzugeben, dass sowohl sein Unternehmen als auch er persönlich nicht ganz unbeteiligt an der Fehllieferung war. "Nur ja keine eigene Schuld zugeben", lautet sein Motto.
Schmerzhafte Konsequenzen

Zu hoffen bleibt, dass es in Ihrer Service-und Vertriebsabteilung anders zugeht. Ansonsten könnte es sein, dass Ihre Kunden mit fliegenden Fahnen zur Konkurrenz überlaufen. Denn eine Studie von AchieveGlobal, bei der weltweit über 5 500 Verbraucher online befragt wurden, zeigt, dass Fälle wie die geschilderten zu negativen Kundenerfahrungen führen. Und zwar mit schmerzhaften Konsequenzen: Der Kunde geht für immer und ewig. Allein - dabei bleibt es nicht: Viele Kunden teilen ihre schlechten Erfahrungen anderen Menschen mit, und zwar online, zeitnah und nicht immer ganz sachlich.
Der Schaden ist fatal. Es gehört zu den überlebensnotwendigen Herausforderungen der Zukunft, positive Kundenerfahrungen zu prägen - das belegt die Customer Experience-Forschung. Wer seinen geschäftlichen Erfolg langfristig stabilisieren und sichern will, ist gut beraten, seine Strategie auf den Kundenerfahrungen aufzubauen, und zwar auf den positiven. Sie entscheiden über die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Freundlichkeit vor Problemlösung
Die Gretchen-Frage lautet natürlich: Was muss passieren, was sollten Sie ändern, damit der Kunde herausragende Erfahrungen mit Ihrem Unternehmen sammeln kann? Die AchieveGlobal-Studie liefert auch dazu fundierte Erkenntnisse, die zuweilen überraschen. Ein Beispiel: Immerhin 33 Prozent aller befragten Kunden legen mehr Wert auf eine höfliche und respektvolle Behandlung als auf die sofortige Lösung ihres Problems.
Sie sind bereit zu warten - solange der Mensch, mit dem sie interagieren, freundlich, höflich und zuvorkommend kommuniziert. Beziehungsorientierung ist mithin bedeutsamer als Problemlösungsorientierung. Das eine darf das andere nicht ausschließen - aber es ist schon ein fundamentales Ergebnis der Studie, dass sich herausragende Kundenerlebnisse vor allem in der konkreten Interaktion von Mensch zu Mensch manifestieren. Pointiert ausgedrückt: Das tollste Produkt verfehlt seine Wirkung, wenn es von einem unhöflichen Mitarbeiter angepriesen wird. Das heißt: Wer seine Kunden zwingen will, zur Konkurrenz überzulaufen, muss zur Emotionsarbeit unfähige und unhöfliche Mitarbeiter einstellen und sollte es vermeiden, ihnen mithilfe von Weiterbildungsmaßnahmen zu zeigen, wie sich "Momente der Wahrheit" positiv gestalten lassen.
Empathie ist gefragt
Solch ein Moment der Wahrheit liegt zum Beispiel vor, wenn sich der Kunde beschwert oder etwas schiefgelaufen ist. Kunden verzeihen es nicht, wenn der Mitarbeiter nur nach fadenscheinigen Ausflüchten und Ausreden fahndet. Zielführender ist es, auf eine eigentlich selbstverständliche Weise zu reagieren: Der Mitarbeiter entschuldigt sich! Fast 30 Prozent der befragten Kunden beeindruckt es positiv, wenn der Mitarbeiter dazu in der Lage ist und diese Entschuldigung glaubwürdig und aufrichtig erscheint.
Entscheidend für die Wahrnehmung des Kunden ist überdies die Begrüßung: Denkbar ist, dass die Führungskraft gemeinsam mit den Mitarbeitern nach innovativen Möglichkeiten sucht, die 08/15-Begrüßung zu vermeiden, insbesondere beim Erstkontakt. Hier helfen Informationen zum Kunden weiter, die in einer Datenbank gesammelt werden.
Wenn der Kunde in zeitlicher Nähe zum Termin seinen Geburtstag feiern darf, liegt es nahe, dies bei der Begrüßungszeremonie anzusprechen. Aber der Mitarbeiter kann auch - zumindest bei bekannten Kunden - die Kenntnis des Hobbys und der bevorzugten Gesprächsthemen nutzen, um die Begrüßung emotional zu gestalten. Und wahrhaftiges Einfühlungsvermögen zeigt sich, wenn der Mitarbeiter im Gespräch schon an der Stimme des Kunden und seinen nonverbalen Signalen erkennt, dass etwas nicht stimmt - und mit dem Kunden mitfühlt. Und das nicht nur, weil er muss, sondern weil er es ehrlich so meint.
Kompetenzen gezielt entwickeln
Die dafür notwendigen Mitarbeiterkompetenzen fallen allerdings nicht vom Himmel. Zwar gehören manche der geforderten Verhaltensweisen zu den Selbstverständlichkeiten der kundenorientierten Ansprache. Die Studie jedoch belegt: Bei vielen Mitarbeitern gehört es wohl zum schlechten Ton, Verhaltensweisen wie "Unhöflichkeit", "Gleichgültigkeit" und "keine Anteilnahme an meinem Problem" an den Tag zu legen.
Erforderlich sind ein Bewusstseinswandel und eine konsequente 180-Grad-Veränderung der Einstellung und Verhaltensweisen dem Kunden gegenüber. Zu den Aufgaben des Managements und der Führungskräfte gehört es daher, die Mitarbeiter konsequent auf die Bedeutung ihres Verhaltens in den "Momenten der Wahrheit" hinzuweisen. Hinzu kommen sollte die zielgenaue Unterstützung auf der Seite der Kompetenzentwicklung. Führen Sie in Ihrem Verantwortungsbereich also einen Kompetenzcheck durch: "Welche Fähigkeiten brauchen die Mitarbeiter, um für den Kunden begeisternde Momente der Wahrheit zu prägen?"
Ein Abgleich mit den vorhandenen Kompetenzen weist auf die Kompetenzlücken hin, die sofort geschlossen werden müssen, um die Kundenloyalität zu erhöhen und die Kunden zum Bleiben zu motivieren.