Facetime: iPhone-4-Video-Telefonie in der Praxis
FaceTime hat Steve Jobs als eine der großen Neuerungen des iPhone 4 vorgestellt. Viele andere Firmen haben es auch schon mit Video-Telefonie probiert und sind gescheitert. Wir haben die Probe gemacht und FaceTime in der Praxis ausprobiert.

Videophonie ist so alt wie ISDN: Schon anno Dunnemals wurde es als der Hit angepriesen und ist komplett durchgefallen - auch wegen der Kosten, die in 90er-Jahren des letzten Jahrtausends sehr hoch waren. Auch die Handy-Hersteller, allen voran Nokia haben es mit Front-Kameras probiert, dann mit rück...
Videophonie ist so alt wie ISDN: Schon anno Dunnemals wurde es als der Hit angepriesen und ist komplett durchgefallen - auch wegen der Kosten, die in 90er-Jahren des letzten Jahrtausends sehr hoch waren. Auch die Handy-Hersteller, allen voran Nokia haben es mit Front-Kameras probiert, dann mit rückwärtigen Kameras. Bisher sind alle Versuche gescheitert. Jetzt probiert es Apple und macht eins schon mal richtig: Die Kosten für die Videogespräche sind fast Null. Aber das gilt für Skype auch - dem einzigen Dienst, der Video-Gespräche bisher etablieren konnte. Dennoch ist nicht das Videogespräch die Standard-Kommunikationsform zwischen entfernt lebenden Personen, sondern E-Mail, Skype, Messenger, Facebook und das gute alte Telefon. Das lag in der Vergangenheit an den Kosten und den technischen Unzulänglichkeiten. Unter Apple-Usern hat auch iChat durchaus seine Berechtigung, weil die Qualität stimmt und es nichts kostet. Dafür funktioniert iChat selten hinter eine Firmen-Firewall. Privat macht es dagegen meist keine Probleme.

Wenn FaceTime geht
Nehmen wir also mal den idealisierten Standard-Fall: beide Gesprächspartner haben ein iPhone 4, Telefon- und WLAN-Empfang und sind gerade jeweils zu Haus im privaten WLAN eingebunden. Dann ist FaceTime die Wucht. Einfach ganz normal per Telefonanwendung mit der normalen iPhone-Handy-Nummer den Partner anrufen und FaceTime per Fingertipp aktivieren. Sofort sieht man zuerst sich selbst im Display und bei aufgebauter Verbindung sein Gegenüber. Das Telefongespräch wird im Hintergrund beendet, das Videogespräch läuft kostenlos übers WLAN (bei einer DSL-Flatrate).
Die Bildqualität verblüfft auf den ersten Blick - sowohl die Kamera überzeugt als auch die Kompression; denn oft sind die Upload-Raten beim heimischen DSL eher gering (ca. 70 KByte/s bei einem 6000er-DSL). Das Bild ist scharf, die Verzögerungen gering, die Tonqualität überzeugt ebenfalls. Per Tipp auf ein transparentes Symbol ist ein schneller Wechsel zwischen Front- und Rückkamera möglich. Das geht so problemlos und intuitiv, dass man gerne damit herumspielt.

Sich selbst sieht man in einem kleinen Rechteck, das in einer Ecke des Displays eingeblendet wird. Es lässt sich mit dem Finger in jede andere Ecke verschieben. Über diesen Mini-Spiegel kann man kontrollieren, was das Gegenüber sieht.
Verglichen mit Skype oder iChat ist die Bildqualität bei FaceTime subjektiv besser - erstaunlich, weil eigentlich anzunehmen war, das die Bandbreite der begrenzende Faktor ist und nicht die Kamera. Die Bandbreite ändert sich aber nicht, egal ob man Skype, iChat oder FaceTime nutzt.
Wenn FaceTime bockt
Leider gelingt die Verbindung mit FaceTime nur manchmal: Kein WLAN, kein FaceTime. Apple schiebt den schwarzen Peter hierfür den Mobilfunkbetreibern pauschal zu. Steve Jobs behauptet, die Netze wären zu langsam, was in der Pauschalität bezweifelt werden darf. Die Kombination "Zwei WLAN, kein FaceTime" gibt es aber auch. Denn FaceTime braucht etliche offene Ports (das sind Durchgangstüren für virtuelle Datenkanäle), die ein WLAN-Router wie die Fritz!Box erst dann zum Internet hin öffnet, wenn ein Gerät im abgeschotteten WLAN dies wünscht.
Firmennetze sind aber oft so abgesichert, dass auch das Wünschen eines iPhones nicht viel hilft: Die geschlossenen Ports bleiben zu, um maximale Sicherheit zu gewährleisten. Und dann geht FaceTime gar nicht - nicht einmal, wenn beide Partner in der gleichen Firma am gleichen WLAN hängen. Folgende Ports müssen zum Durchleiten freigegeben sein: 58, 80, 443, 4080, 5223 und 16393-16472 (UDP). Unverständlicherweise klappt es auch beim Idealfall (beide Partner zu Haus mit WLAN) nicht immer. Oft hilft es dann, wenn der jeweils andere versucht, dass Gespräch aufzubauen. Steht die Verbindung, ist sie auch stabil.Hat man einmal eine Verbindung per FaceTime aufgebaut, merkt sich das iPhone die Information in den Kontakten. Fortan lässt sich per Fingertipp ein FaceTime-Gespräch komplett ohne Mobilfunk-Telefonie aufbauen, was weitere Kosten spart, insbesondere wenn man im Ausland unterwegs ist.

Fazit
FaceTime ist der Hit, wenn es funktioniert; aber genau das ist zu selten der Fall. Ein Partner ist meist in der Firma oder ohne WLAN mobil unterwegs. Und schon geht es nicht mehr. Wer in der Woche fern der Heimat ist und per Video mit seinen Liebsten verbunden bleiben möchte, der wird es lieben und für die Infrastruktur sorgen. Und natürlich brauchen beide ein iPhone 4 (mit einem 3G und 3GS geht es ja nicht!). Mir scheint, der Hürden sind zu viele, als das FaceTime ein Habenwollen-Kaufgrund wird. Nett ist es aber allemal.
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